WIEN: RUSALKA. Derniere am 9.2. (Helmut Christian Mayer)
Man muss „Rusalka“ nicht als Märchen inszenieren, auch wenn es vom Stoff her zweifellos ein solches ist und auch vom Komponisten Antonin Dvorak so erdacht wurde. Als solches wurde es auch in der letzten, klassisch naturalistischen Inszenierung aus 1987 von Otto Schenk hier an der Staatsoper gezeigt. Dass es auch anders geht, haben uns in letzter Zeit etwa Stefan Herheim in Graz und Martin Kusej in München, beide Inszenierungen waren nicht unumstritten, gezeigt. Aber warum man es in einer solch trostlosen Szene, in Bildern ohne bezaubernder Poesie und stimmiger Magie, ohne faszinierende Lichtstimmungen auf die Bühne hieven muss, ist nicht verständlich.
Denn dort dominiert ein abbruchreifer, grottenhässlicher Betonbunker (Bühne: Rolf Glittenberg) mit verdorrten Baumstämmen: Anstelle des Wassers oder gar eines Teiches liegt eine Art weißer Schnee herum, in dem tote, schwarze Vögel und riesige Messer herumliegen. Hinter einem milchglasartigen Eisfenster werden immer wieder Schemen wahrgenommen. Alles trostlos grau in grau! Geschmackvoller sind da schon die Kostüme von Marianne Glittenberg. Und wenn man dann die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf, wobei gegen seine eigentliche Personenführung, die exzellent ist, nichts zu sagen ist, ansieht, ist man auch nicht beglückt. Man wird gleich zu Beginn einmal frappant an seine früheren Arbeiten erinnert, denn vieles gemahnt an seinen „Ring“. Und dann gibt es neben anderen noch diese seltsamen Ideen etwa von der Abschlachtung des Küchenjungen durch Jezibaba, und den Vampirgelüsten der Nixen, die anschließend sein Blut aussaugen. Aber darüber ist ohnedies schon genug geschrieben worden.
Jedenfalls berührt die Szene vielfach weniger als die musikalische Umsetzung, denn diese ist auch bei der letzten Aufführung der Premierenserie grandios.
Ein Ereignis allerersten Ranges findet im Graben statt, wo man die populärste Oper des tschechischen Komponisten hier im Haus am Ring erstmalig ohne Striche in voller Länge spielt. Jirí Belohlávek, der das Werk im kleinen Finger hat und jeden Einsatz zeigt, gibt mit seinen 67 Jahren sein schon längst überfälliges Hausdebüt. Er animiert das Staatsopernorchester zu wunderbaren, feinsinnigen, ja impressionistischen Klängen, die in die Tiefe gehen und regelrecht verzaubern. Er erzeugt eine unglaubliche Transparenz, raffinierte Farben und findet auch immer die richtige Balance zwischen Bühne und Graben und deckt, wiewohl er auch an Dramatik nicht spart, die Sänger nie zu.
Und diese danken es ihm mit wohligem Schöngesang: Krassimira Stoyanova singt die traurige, naive Wassernixe mädchenhaft, reich an silbrigen Tönen und Valeurs, ja ätherisch schön und hat auch keinerlei Durchsetzungsprobleme: Sie ist ein weiteres Ereignis des Abends ebenso wie der Wassermann des Günther Groissböck. Mit einem ausgesprochen weichen, ja samtigen Bass hört man ihn, er kann aber auch mächtig aufdrehen. Michael Schade singt den Prinzen berührend mit seinem hellen Tenor, müht sich aber doch etwas mit den Höhen ab. Janina Baechle, die man schon in besserer stimmlicher Verfassung erlebt hat, ist eine Hexe Jezibaba mit schwarzem Federkleid zum Fürchten. Mit dunklem, glutvollen, ja beinahe dämonischen Mezzo erlebt man Monika Bohinec als fremde Fürstin im roten Federkleid. Auch die kleineren Rollen sind mit Stephanie Houtzeel, die sich allerdings das starke szenische Outrieren und Grimassieren abgewöhnen sollte, als Küchenjunge und Gabriel Bermúdez als Heger sowie ganz besonders die drei Elfen (Valentina Nafornita, Lena Belkina und Ilseyar Khayrullova) exzellent besetzt. Auch der Chor des Hauses (Martin Schebesta) singt ohne Tadel.
Es gab im völlig ausverkauften Haus wieder einhelligen Riesenjubel des Publikums für alle Beteiligten und für eine Oper, die unverständlicherweise 22 Jahre nicht auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper stand!
Helmut Christian Mayer