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ZÜRICH: LIEDERABEND DMITRI HVOROSTOVSKY. Viriler Bariton mit russischer Seele

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Zürich: LIEDERABEND – Dmitri Hvorostovsky – 27. Februar 2014, Opernhaus   Viriler Bariton mit russischer Seele  

Der blendend aussehende russische Bariton Dmitri Hvorostovsky trat mit einem entwaffnend jungenhaften Lächeln vor das Publikum eines vollbesetzten Hauses. Mit seiner Prachtstimme vermochte er gleich zu Beginn mit einer Gruppe von Tschaikowsky-Liedern die Zuhörer vom perfekten Zustand seiner ausserordentlichen Stimme überzeugen. Dass seine Stimme von grossem Kaliber ist, darüber brauchte man sich wahrlich keine Gedanken machen. Durch die Positionierung des Konzertpodiums vor den gemalten Theatervorhang und auf dem zugedeckten Orchestergraben war man sozusagen auf Tuchfühlung mit dem Sänger, der durch den virtuos und doch ideal begleitenden Flügelmann Ivari Ilja auf das Beste unterstützt wurde.

Dabei war klar, dass hier der Sänger die Vorgaben setzte. Sein engagierter Vortrag wird durch eine intensive Körpersprache ergänzt. Hvorostovsky schont sich nicht und gibt sich ganz dem Publikum. Dass dies -  vor allem im ersten Teil des Abends – oft etwas gar vordergründig und laut geschah, kann man diesem Ausnahme-Bariton wahrlich nicht verübeln. Wer so singen kann, darf auch zeigen, was er kann. Dabei kommen ihm die Tschaikowsky-Lieder natürlich ideal entgegen. Da wird eine Stimme gebraucht – kein Stimmchen – und eine gute Portion von dem, was man russische Seele nennt. Bei Hvorostovsky kommt diese aus seiner ganzen Persönlichkeit: er ist authentisch und ganz sich selbst. Wunderbar dann das dritte Tschaikowsky-Lied „Ich segne euch, Wälder“, wo man die ganze russische Landschaft,  Eugen Onegin und Lenski zugleich, zu vernehmen glaubte. Mit der wohl bekannten Serenade des Don Juan, die der Sänger mit einem ironischen Unterton zum Besten gab, war die erste Liedgruppe abgeschlossen. Von dem hierzulande immer noch recht wenig populären Nikolaj Medtner (1880-1951) hörte man ganz dem russischen Melos verhaftete Lieder, die aber von einem höchst interessanten, allerdings konventionellen Klaviersatz konterkariert wurden. Goethes Wandrers Nachtlied „Über allen Wipfeln“ in russischer Original-Fassung war fabelhaft gesungen. Hier gelangte der Sänger zu einem herrlichen Mezzaforte bis Piano, ohne irgendwie in ein merkwürdiges Flüstern zu geraten. Der lange ausgehaltene, perfekt gestützte Ton am Schluss des Liedes auf „ti“ liess das Publikum den Atem anhalten. Dann wieder „russische Seele“ mit dem Medtner-Lied „Winterabend“ – diese in Musik übersetzte  Melancholie, die sich in der verschneiten Landschaft widerspiegelt.  .

Nach der Pause zeigte sich der Sänger in nochmals gesteigerter stimmlicher Verfassung. Was zuerst manchmal etwas grob und freskoartig geklungen hatte, war nun einer eleganteren Stimmführung gewichen. Von Franz Liszt sang Hvorostovsky zwei der drei Petrarca-Sonnette in der italienischen Originalfassung. Es war, als ob die italienische Sprache, idiomatisch durch den Sänger artikuliert, ihn zu dieser mediterranen Gesangslinie geführt hätte. Die Interpretation war schlicht und daher ergreifend und wurde diesen sublimen Kompositionen des Genies Franz Liszt mehr als gerecht. Wunderbar! – Zum Abschluss des Konzerts gab’s eine Gruppe mit Liedern von Sergej Rachmaninow, wo Sänger und Pianist zu einem grossartig musizierenden Duo zusammenfanden. Da war kein Wunsch mehr offen. Die von perfektem Legato auf langem Atem geführte Gesangslinie Dmitri Hvorostovskys wurde auf dem virtuos gesetzten Klavierpart Ivari Iljas förmlich wie auf Händen getragen. – Als Zugabe gab’s ein herrlich zynisches Credo des Jago aus Verdis Otello, wo schlicht und ergriffen einfach alles stimmte. Weiters gab’s eine total entspannte „canzone napolitana“ und einen A-Capella gesungenen russisch-orthodoxen Gesang. – Wann dürfen wir diesem Ausnahme-Sänger wieder im Opernhaus Zürich begegnen?

John H. Mueller  

 

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