“Frühlingserwachen” im Studiotheater Stuttgart DIE REVOLUTION FRISST IHRE KINDER
Premiere von Ulrike Günthers “Frühlingserwachen” am 13. März 2014 im Studiotheater/STUTTGART
Ulrike Günthers Stück “Frühlingserwachen – von einer vergessenen Revolution” spiegelt die Revolution in Teheran im Jahre 1979 in grellem Licht. Es handelt sich um ein Doku-Drama, das auf Interviews mit Exiliranern beruht. Diese Erlebnisse werden zu einer durchaus spannenden Geschichte verbunden. Es handelt sich um die junge Iranerin Roya Tavakoli, die von der Iranerin Rahil Golslar sehr lebendig und darstellerisch bewegend verkörpert wird. Sie ist Mitte zwanzig und war gezwungen, ihr Land zu verlassen. In Deutschland muss sie sich erst zurecht finden: “Warum bist du nicht auf meiner Seite?”
Das vielschichtige Stück “Frühlingserwachen” ist ein aufregender Dialog für zwei Frauen, die beide dieselbe Figur verkörpern und dieselbe Geschichte erzählen – auf Persisch und Deutsch. Die Belgierin Renelde Pierlot stellt Royas Doppelgängerin sehr robust dar und die kämpferischen Momente der beiden jungen Frauen stechen deutlich hervor: “Papa, es wird nie wieder gut!” Roya erzählt dem Zuschauer von ihrem Land und von einer Revolution, die dort vor über 30 Jahren stattgefunden hat. Der Vater, der an dieser Reviolution beteiligt war, steht im Mittelpunkt. Sie macht ihm Vorwürfe, klagt ihn an, macht ihn dafür verantwortlich, was sie ertragen muss: “Sag was! Antworte!” An der Wand wird plötzlich und fast schon gespenstisch ein Porträt des iranischen Revolutionsführers Ajatollah Khomeini sichtbar, der diesen revolutionären Umsturz ja verantwortete. Akustisch kommt er in eindringlichen Massenszenen immer wieder zu Wort. Für die beiden Frauen ist er wohl so etwas wie ein dämonischer Derwisch, aber stellenweise auch ein seltsam unbeteiligter “Papa”, der den Umsturz im Griff hat.
Die Frage steht im Mittelpunkt, ob die Kinder des Arabischen Frühlings wohl in 30 Jahren ihren Eltern genauso vorwurfsvoll gegenüberstehen werden. Auf jeden Fall bietet dieses durchaus spannende Stück eine gute Gelegenheit, eine fremde Kultur noch besser kennenzulernen. Die beiden Iraner Salam Riazy und Pedram Badakhshan begleiten die beiden Frauen mit Percussioneinlagen durchaus passend und fantasievoll. Riazy komponiert auch für Theater und Kurzfilme. Die Ausstattung von Marie Luise Schlegelmilch überzeugt aufgrund der collagenartigen Bühnentechnik, die Reales und Fiktives geschickt vermischt. Erschütternd wirkt auch die Schilderung von Gewaltszenen und Misshandlungen der Bevölkerung durch die Machthaber und die persische Polizei. Roya verlässt zuletzt ziemlich ratlos die Bühne.
Alexander Walther