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LONDON/ Covent Garden im Kino/ UFA Filmpalast Dresden: DORNRÖSCHEN

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Dresden / Ufa-Kristallpalast / Ballett im Kino: “DORNRÖSCHEN” Live aus London – 19.3. 2014

Zu den “Evergreens” der Ballettbühne gehört zweifellos neben P. I. Tschaikowskys „Schwanensee“, Adams „Giselle“, Minkus’ „La Bayadère“ und Prokofjews „La Cenerentola“ auch Tschaikowskis „Dornröschen“, das zu einem Inbegriff der abendfüllenden Ballette mit großer Tanzkunst wurde.

 Im Royal Opera Hause London stand es jetzt mit sehr guter Besetzung in einer neuen, zauberhaften und beispielgebenden Inszenierung auf dem Programm. Dank der weltweiten Live-Übertragungen konnte man auch im Ufa-Kristallpalast Dresden an dieser großartigen, nahezu perfekt ins Bild gesetzten, Aufführung unmittelbar teilhaben, ohne große Reisevorbereitungen und entsprechenden Aufwand. Man konnte sich wie im Royal Opera House fühlen und noch dazu im Parkett auf den besten Plätzen. Manche Feinheit und vor allem die Mimik der Tänzer mag vielen Besuchern im Opernhaus “vor Ort” entgangen sein. Im Kinosaal hatte man auf allen Plätzen den gleichen unverstellten Blick und die beste Akustik wie auf der legendären 10. Reihe im Londoner Opernhaus mit der – so wird behauptet –besten Sicht und Akustik.

 Diese Live-Übertragungen bedeuten selbst in großen Städten, wo (fast) täglich gespielt wird, eine Bereicherung. Man kann die Top-Events der Opern- und Ballettszene in London miterleben und hat die Möglichkeit des internationalen Vergleichs hinsichtlich Sängern bzw. Tänzern, Inszenierungen, Regie, Kostümen usw. Außerdem kann man Werke, die zurzeit oder noch nie am Opernhaus der Stadt aufgeführt wurden, kennenlernen. Es bedeutet für Opern- und Ballettliebhaber unbedingt eine Bereicherung und Erweiterung des künstlerischen Horizontes.

 Da es jetzt üblich ist, den ursprünglichen Inhalt eines Stückes stark zu überhöhen und oft leider auch so zu verfremden, dass es für “Einsteiger” kaum noch erkennbar ist, stand bei der an guten traditionellen Konzeptionen orientierten und vorsichtig “modernisierten”, Inszenierung von Monica Mason und Christopher Newton (nach Ninette de Valois und Nicholas Sergeyev) das ursprüngliche Märchen, märchenhaft „erzählt“, im Fokus und dürfte vor allem jungen Besuchern den “Einstieg” in die Welt des romantischen Ballettes (ohne dem jetzt oft erforderlichen Umdenken) erleichtern.

 Bühnenbild, Regie und Kostüme stellen bei dieser Inszenierung an sich schon ein Kunstwerk dar. Hier wurde Altes und Neues, gute, bewährte Tradition und Modernes stimmig verbunden. Das neue, auf dem Original von Oliver Messel basierende farbenfrohe, keinesfalls „kitschige“, sondern sehr gekonnte und geschmackvolle Bühnen- und Kostümdesign von Peter Farmer unterstreicht in idealer Weise die Choreographien von Frederick Ashton, Anthony Dowell und Christopher Wheeldon, die die märchenhaft romantische Stimmung des Originals von Marius Petipa vermitteln, aber die Handlung straffen und ihr dynamische und auch dramatische Züge verleihen. Sie ergänzten das Original und entwickelten es weiter.

 Die Kostüme unterstreichen den Charakter der jeweiligen Rolle. Hier stimmte tatsächlich einmal alles im Sinne des einst von Richard Wagner angestrebten Gesamtkunstwerkes, das bei seinen Opern leider kaum mehr verwirklicht wird. Bei dieser Inszenierung bildeten P. I. Tschaikowskys Musik, Regie, Choreografie, Bühnenbild und gestaltende Tanzkunst eine perfekte, untrennbare, ineinander verwobene Einheit, von der die Faszination ausgeht, die Theater so anziehend macht.

 Das Orchestra of the Royal Opera House spielte sehr ansprechend und zuverlässig unter der Leitung von Valeriy Ovsyanikov und überzeugte zudem mit guten solistischen Passagen. Das Tempo war ideal auf die tänzerischen Belange ausgerichtet, so dass die Tänzerinnen und Tänzer die Musik direkt umsetzen konnten und mit dieser völlig konform schienen.

 The Royal Ballet, ergänzt durch Students oft the Royal Ballet School, orientierte weniger auf schwierige Hebefiguren und kraftvolle Sprünge, als auf die perfekte “Arbeit” der Beine und Füße, oft bis zu äußerster Präzision, die die Gesetze der Schwerkraft vergessen ließ.

 Obwohl die Rolle der Prinzessin Aurora sehr viel Kondition und Ausdauer erfordert, tanzte Sarah Lamb mit größter „Leichtfüßigkeit“. Allein, wie sie die Balance auf einer Spitze hielt, um den vier Bewerbern, einem nach dem anderen, zwischen Arabesque und Penche die Hand zu reichen, wieder loszulassen, um sie wieder dem nächsten zu reichen usw., forderte Hochachtung ab. Alles wirkte so leicht und ist es doch ganz und gar nicht. Jeder Schritt dieser Rolle ist schwer auszuführen, erfordert sehr viel Training und Übung und noch mehr Konzentration während der Ausführung. Der großartige Grand Pas de deux mit Steven McRae als Prinz Florimund löste Jubel im Publikum aus.

 Leichte Füße, schnelle Schritte schien generell der Kernpunkt dieser Choreografien zu sein. Jede der guten Feen, der blaue Vogel (Valentino Zucchetti) und Prinzessin Florine (Yuhui Choe) konnten in sehr geschickten, auf schöne Kontraste, viel Abwechslung und eine stetige Steigerung von einer Darstellung zur anderen orientierten, Regie ihr spezielles Können zeigen, das von sehr geschmeidigen Tanzbewegungen bis zu fernöstlich anmutender Tanzkunst mit ihren schnellen, kurzen Bewegungen reichte.

 Laura McCulloch überraschte als “Fliederfee” mit mehreren Pirouetten und Penche auf einer Spitze, was viele Tänzerinnen immer wieder versuchen, aber nur sehr wenige wirklich erreichen und was bei ihr so perfekt und wie selbstverständlich aussah.

 Als böse Fee Carabosse setzte Kristin McNally mehr auf glaubhafte dramatische Darstellung. Sie hatte kaum zu tanzen, was ihr am Ende Buh-Rufe einbrachte, oder galten sie nur der Rolle? Im Gegensatz zur Bayreuther „Rattendämmerung“ der “Lohengrin“-Inszenierung von Neuenfels passten hier die Ratten – zurzeit scheinbar die neuen Lieblinge der Inszenierenden – als Begleiter der Carabosse durchaus. Sie zogen ihr Feen-Gefährt und trugen sie (ganz wörtlich) auf Händen.

Elizabeth McGorian erfüllte als Königin und Mutter ihre Charakterrolle mit Charme, Grazie und Noblesse. Christopher Saunders wirkte als König Florestan XXIV. hingegen wenig dominant. Der Haushofmeister war eine Frau mit naturgemäß weiblichen Bewegungen, bei der vor allem das pompöse Kostüm wirkte.

 In einem fulminanten Finale passierten noch einmal alle Tänzerinnen und Tänzer mit ihren großartigen Leistungen in einer ebenso großartigen Regie und „schönen Bildern“ Revue, wobei das Prinzip realisiert wurde, die vorhandenen Gegebenheiten so geschickt einzusetzen, dass das Beste im Vordergrund steht und „Schwächeres“ so eingefügt wird, dass es nicht auffällt, sondern so wirkt, als müsste es so sein, eine alte Theaterweisheit, die gegenwärtig bei vielen Regisseuren in Vergessenheit geraten zu sein scheint.

 Es war einfach märchenhaft, alles in allem eine sehr gute Kombination von Musik, Tanz, Performance und Dramatik.

 Ingrid Gerk

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