Dresden / Semperoper: “SALOME” – 27.3.2014
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Herodes (Jürgen Müller) kommt mit seiner Tochter Salome (Erika Sunnegárd) nicht klar, Jochanaan (Tóman Tómasson) entsteigt dem „Schwimmbad“ und Heriodias (Tichina Vaughn) sieht ungerührt zu. Foto: Matthias Creutziger
Kaiser Wilhelm II. meinte, dass die „Salome“ – bei aller Wertschätzung – wegen ihres „anstößigen“ Sujets Richard Strauss noch sehr schaden würde, aber von dem „Schaden“ konnte er sich immerhin die Villa in Garmisch leisten. Jetzt geht den Regisseuren oft die „Frivolität“ nicht weit genug und sie meinen, diese Seite noch ausbauen zu müssen. Die Inszenierung, einschließlich Bühnenbild von Peter Mussbach, die an der Semperoper genau 100 Jahre nach der Dresdner Uraufführung Premiere hatte (2005), stand jetzt für 3 Abende (21., 25. und 27.3.). wieder auf dem Spielplan, letztendlich für ein Hausdebüt der beiden international gefragten Sängerdarsteller der Salome und des Jochanaan, Erika Sunnegárdh und Tómas Tómasson.
Der „Tanz der 7 Schleier“, den einst Christel Goltz in Dresden kreierte, findet bei dieser Inszenierung vorwiegend im Orchestergraben statt. Salome trägt so ein weißes Barbie-Puppen-Luxus-Kleid in der „Farbe der Unschuld“ voller Rüschen und Unterkleider, dass da ohnehin kein Schleier fallen kann. Für die Kostüme leistete sich Andrea Schmidt-Futterer nur dieses eine „Wunder der Schneiderkunst“ sowie noch ein schlichteres, aber sehr elegantes in schwarz für die Herodias. Die Herren tragen ohnehin alle schwarz, den üblichen „Sonntagsstaat“ aus schwarzem Anzug bzw. Frack und weißem Hemd, obwohl sie doch sehr verschiedene Charaktere und Nationalitäten vertreten, die ursprünglich die unsichere Zeit, in der die Oper spielt, charakterisieren und damit Spannung in die Handlung bringen sollten.
Einzige Ausnahme bildet Jochanaan. Er darf als Gegenspieler zur Titelpartie ebenfalls weiß tragen, obwohl er doch dem Text nach verschmutzt in einer Zisterne sein Leben fristen muss. Hier bewegt er sich frei – man kann es als Illusion der Salome in dem klinisch sauberen „Schwimmbad“ ohne Wasser deuten, dessen Palast von den Umkleidekabinen inspiriert zu sein scheint. Nur durch entsprechende Beleuchtung (Licht-Design: Alexander Koppelmann) zieht etwas Leben in das starre Bühnenbild ein, mal im modischen helllila (böse Zungen behaupten, es wäre die Farbe von verwesendem Fisch) über hellblau als Synonym für klares, kaltes Wasser oder auch die unterkühlten bis abweisenden Beziehungen der handelnden Personen, rosa, wenn es erotisch wird und wieder lila beim schockierenden Ende, wenn zweimal das Henkerbeil hoch geschwungen wird, einmal für Jochanaan und einmal als ineffektive Drohung des Herodes gegen Salome.
Wirkliches Leben und Brisanz brachten aber vor allem die beiden Protagonisten Salome und Jochanaan. Sie hoben sich nicht nur durch ihr Äußeres von den übrigen Darstellern ab, sondern vor allem durch großartige sängerische und darstellerische Leistungen. Besonders Erika Sunnegárdh erfüllte die Regie mit sehr viel Ausdruckskraft. Sie ersetzte in zeitgemäßer Sicht auf die Dinge den optisch wirksamen „Schleiertanz“ durch sehr direkte, sexbetonte Handlungen in höchster Aufregung und ließ damit die Regie, die den viel besagenden Schleiertanz um den Kampf zwischen Mutter und Tochter wegen Herodes (!) erweitert, plausibel erscheinen. Hier zieht Salome nicht sich selbst, sondern ihren Stiefvater mit Seitenblicken auf Jochanaan aus (!). Herodias trotzt ihrer Tochter einen Teil dieser musikalischen Szene ab, um ihren Gatten Herodes zu umgarnen und wieder für sich zu gewinnen – auch eine Lesart.
Tómas Tómasson war der Einzige, bei dessen ausdrucksstarkem Gesang man auch den Text verstehen konnte, aber zum Glück gab es deutsche Übertitel. Jürgen Müller hatte offenbar einen guten Tag und konnte in der Rolle des senilen Herodes als schwacher, hilfloser Potentat gegenüber zwei Frauen durchaus überzeugen. Tichina Vaughn blieb als Herodias trotz harter Stimme mehr im Hintergrund und wirkte durch Kostüm und Haltung.
Wieder nach Dresden zurückgekehrt, bot Wookyung Kim einen plausiblen Narraboth. Aus der Menge der Juden, Nazarener und Soldaten ragten Peter Lobert als Erster Soldat und Michael Eder als Erster Mazarener positiv heraus, während Julia Mintzer vom Jungen Ensemble als Page sowohl in Stimme als auch Spiel für die Semperoper einfach zu wenig bot.
„Hauptakteurin“ war neben Erika Sunnegárd und Tóman Tómasson die prächtig spielende Sächsische Staatskapelle Dresden, die sehr zu einem spannungsreichen Handlungsablauf beitrug und die von der Regie oft gewollte, aber vom Publikum meist missverstandene „psychologische Durchdringung!“ ganz einfach durch ihr faszinierendes Spiel auf höchstem Niveau, perfekte Gestaltung mit sehr feinen Details und wunderbaren solistischen Instrumentalpassagen erreichte. Den Musikerinnen und Musikern gelang die seltene Einheit von Musik und Inhalt, Opernhandlung und Willen des Komponisten, was in dieser Qualität nur durch das Verstehen und Verinnerlichen der Musik durch die Ausführenden erreicht werden kann. Dirigent war Cornelius Meister, der sein Debüt an der Semperoper mit Alban Bergs “Lulu” (2012) gab und 2014/15 den “Tannhäuser” leiten wird.
Ingrid Gerk