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BRÜSSEL/ La Monnaie: AU MONDE von Philippe Boesmans – UA im Gedenken an Gerard Mortier

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Uraufführung in Gedenken an Gérard Mortier in Brüssel: „Au monde“ von Philippe Boesmans (Premiere: 4. 4. 2014)

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Die drei Töchter des reichen Fabrikanten wurden von Charlotte Hellekant, Fflur Wyn und Patricia Petibon dargestellt (Foto: Bernd Uhlig / La Monnaie)

 Die Opéra La Monnaie in Brüssel brachte Ende März 2014 als Auftragswerk die Oper „Au monde“ des belgischen Komponisten Philippe Boesmans zur Uraufführung. Sie stand in Gedenken an Gérard Mortier, den kürzlich verstorbenen ehemaligen Leiter des Opernhauses, der vor dreißig Jahren Boesmans den ersten Kompositionsauftrag für eine Oper gab.

 Die Handlung der Oper, die in einem klaustrophobischen Haus spielt und deren Libretto der französische Bühnenautor Joël Pommerat verfasste, in Kurzfassung: Die Bewohner des Hauses sind ein steinreicher Mann – ein Fabrikant, der durch Waffengeschäfte reich wurde –,  sein ältester Sohn,, der seinem Vater treu dient, drei Töchter, von denen die jüngste adoptiert ist und die älteste Tochter schwanger, sowie deren Mann, der aber offenbar nicht der Vater des Kindes ist. Die Rückkehr des zweiten Sohns Ori – er wurde von seinem Vater zum Erben vorgesehen  –, ein introvertierter, schwermütiger Mann mit einer dunklen Militärvergangenheit, erschüttert die Familie in ihren Grundfesten. Undurchsichtige Rollen spielen der Gatte der ältesten Tochter und eine fremde Frau, die plötzlich bei der Familie auftaucht und für Unfrieden sorgt. Vieles bleibt unausgesprochen, wie ein möglicher Inzest, Untreue und Mord. 

 Regie führte der Librettist Joël Pommerat selbst. In einem hohen schwarzen Raum mit wenigen Requisiten (ein langer Tisch mit nur drei Stühlen und ein Sofa) lässt er auf eher statische Weise die Familiengeschichte mit ihren unklaren Beziehungen und Geheimnissen ablaufen, wobei es ihm gelang, eine unheilschwangere Atmosphäre zu schaffen. Für das dazu bestens passende Bühnenbild zeichnete Eric Soyer verantwortlich, der auch für eine effektvolle Beleuchtung sorgte. So wurde des Öfteren der Schatten des Familienoberhaupts überlebensgroß an die Wand geworfen! Die zeitgemäßen Kostüme entwarf Isabelle Deffin.

 Mittelpunkt des Opernabends war die Sopranistin Patricia Petibon als zweitälteste Tochter, die als Fernsehstar die Gespräche der Familie ununterbrochen an sich riss und die oft lähmende Ruhe und Spannung mit ihrer quirligen Art und hellklingenden Stimme torpedierte.  Eine großartige Leistung! Überzeugend auch der Bassist Frode Olsen als  Familienoberhaupt, dessen imposante Erscheinung durch seine offensichtliche Alzheimer-Erkrankung mehr und mehr verfällt. Seine älteste Tochter wurde von der Mezzosopranistin Charlotte Heelekant sowohl schauspielerisch – mit stolzer Haltung – wie auch stimmlich – mit dunkel gefärbter, warmer Stimme – eindrucksvoll dargestellt. Der jüngsten und von allen Familienmitgliedern ungeliebten Schwester gab die junge Sopranistin  Fflur Wyn Profil.

 Der Bassbariton Werner Van Mechelen spielte den älteren Sohn, der sich um seinen Vater auf rührende Art kümmert, der Bariton Stéphane Degout den geheimnisvollen Ori. Beide konnten stimmlich wie darstellerisch überzeugen. Der Tenor Yann Beuron gab die kleine Rolle des Freundes des älteren Sohnes.

 Boesmans schuf in seiner siebenten Oper eine atmosphärisch dichte Partitur, die im Laufe des zweistündigen Werks immer dramatischer wurde und auf diese Weise die Familienprobleme drastisch illustrierte.  Ein wenig rätselhaft und befremdlich wirkte der von der fremden Frau – von Ruth Olaizola sehr erotisch gespielt – einige Male anklingende Evergreen „My way“, der im Playback mit einer Männerstimme aus dem Hintergrund gesungen wurde. 

 Das sechzig Personen starke Orchestre symphonique de la Monnaie brachte unter Leitung des belgischen Dirigenten Patrick Davin die vielschichtige Partitur des Komponisten   facettenreich zum Erklingen.

 Das Publikum zeigte seine Begeisterung allen Mitwirkenden am Schluss mit nicht enden wollendem Applaus und zahlreichen Bravorufen für die überragende Patricia Petibon sowie für das Orchester und seinen Dirigenten.

 Udo Pacolt

 

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