WIEN / Staatsoper:
MADAMA BUTTERFLY von Giacomo Puccini
364. Aufführung in dieser Inszenierung
05. April 2014
Man glaubte es kaum – keine Netrebko, kein Jonas Kaufmann weit und breit, und dennoch war diese Repertoire-Vorstellung von „Madama Butterfly“ so ausverkauft, wie es nur geht, alle Sitzplätze, alle Stehplätze, und die Schwarzhändler auf der Straße staubten bei allen ab, die doch noch hinein wollten. Dabei muss es in diesem Fall Puccini gewesen sein, der lockte, denn die Besetzung war zwar gut, aber doch nicht so, dass ein „normaler“ Opernfreund a priori in einen Glückstaumel verfällt.
Allerdings war es interessant, Bryan Hymel einmal live zu begegnen, hatte man doch nach zwei DVDs aus dem Royal Opera House Covent Garden in London so richtig Lust auf ihn bekommen: Dort war er ein fabelhafter Titelheld in Meyerbeers „Robert der Teufel“ und ein nicht minder überzeugender Aeneas in den „Trojanern“ von Berlioz (die uns ja in dieser Aufführung auch einmal erreichen werden). In Wien merkte man nun, dass es ein Unterschied ist, ob man sich im dramatischen französischen Fach umtut oder einen Puccini-Helden schmelzen soll. Dafür hat Hymels Tenor nämlich einen durchgehend zu „metallischen“ Beiklang, wobei an diesem Abend auch einige Spitzentöne gepresst klangen – andere hingegen wunderbar kamen. Aber optimal war er hier nicht eingesetzt.
Dafür überzeugte er als Darsteller wie selten ein B.F. Pinkerton – der Inbegriff des liebenswerten, liebenswürdigen, auch etwas naiven Amerikaners (wenn er die Püppchen, die Cio-cio-san ihm zeigt, achselzuckend für nichts als Püppchen hält und dann hören muss, dass sie die Verkörperung ihrer Ahnen sind, dann geniert er sich regelrecht). Im letzten Akt läuft er nicht aus männlicher Feigheit und Bequemlichkeit davon, sondern weil es ihm spürbar das Herz zerreißt, was er dieser Frau angetan hat – also, das war schon was, das hat als Figur enorm beeindruckt. Im nächsten Jahr an der Staatsoper nicht vorgesehen, wird sich hoffentlich dann eine Rolle finden, in der er wirklich glänzen kann, stimmlich und darstellerisch zugleich – der Aeneas vielleicht?
Ein Rollendebut war der Sharpless des Markus Eiche, und da passte alles. Es ist wirklich kein Vergleich, ob man einen steifen, hilflosen Anfänger in dieser Rolle auf die Bühne stellt wie in der letzten Butterfly-Serie, oder einen ausgereiften Sänger mit prachtvoller Stimme, der auch mit den vielen Facetten seiner Figur etwas anfangen kann. Auch Eiche spielte, wie Hymel, eine durchaus sensible Seele, und so ist es gut, dass die alte Gielen-Inszenierung uns da nichts von der brutalen Ausbeutung der Dritte-Welt-Frau durch die gnadenlosen Kapitalisten erzählt, sondern nur eine Liebesgeschichte, die einfach an falschen Konstellationen scheitern muss. Die Rolle passte Eiche auch vorzüglich in seinen herrlich strömenden Bariton. Und eigentlich fragt man sich – ohne irgendeinem anderen Sänger etwas wegnehmen zu wollen -, warum die Staatsoper einen Heerrufer von außen engagieren muss, wenn sie einen so guten gleich im Haus bei der Hand hätte…
Der Abend heißt „Madama Butterfly“ und er gehörte Madama Butterfly, obwohl Hui He den ganzen ersten Akt brauchte, um zu sich selbst zu finden. Fast musste man befürchten, sie bekäme ihre Stimme nicht mehr voll in den Griff, so vieles wackelte da. Aber ab „Un bel dì vedremo“, das makellos gelang, stimmte dann alles, da funktionierten dann auch die Piani, obwohl sie am liebsten ganz auf die hochdramatische Attacke setzte, mit prächtig leuchtenden Höhen und vollem Impetus. Da war sie ganz da, bis zu dem herrlichen Pathos ihres finalen Ersterbens zuckend am Bühnenboden… Der nächste Schritt ist dann wohl die Turandot.
Ihr zur Seite eine sehr präsente Suzuki in Gestalt von Zoryana Kushpler, deren schöner Mezzo leider ein wenig an Qualität verliert, wenn er in die Höhe geht. Benedikt Kobel als Goro war nicht zu übersehen und nicht zu überhören, und zumal Letzteres kann man von Kollegen nicht behaupten: Sollte Onkel Bonze nicht seinen Fluch donnern? Bei Il Hong merkte man kaum, dass er auf der Bühne war, und auch Hans Peter Kammerer als Yamadori gab an diesem Abend einen mehr als schwachstimmigen Werber um Cio-cio-sans Hand ab. Was Donna Ellen als Kate Pinkerton betraf, so fragt man sich schon, warum der fesche Offizier ein solches Muttchen geheiratet hat. Sei’s drum, Besetzungspolitik ist des öfteren unergründlich.
Am Pult lernte man den Briten Jonathan Darlington kennen, der das hatte, was man für die Butterfly hochgradig braucht, nämlich Sensibilität, wenn er auch den aufjaulenden Fortestellen nicht widerstehen konnte (aber wer kann das schon?). Bei der prachtvollen Zwischenaktmusik im 2. Akt lenkte er die Aufmerksamkeit voll auf das Orchester, das wieder einmal betörend spielte. Starker Applaus.
Renate Wagner