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WIEN/ Staatsoper: LOHENGRIN (2. Vorstellung)

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WIENER STAATSOPER: 16.4. 2014 .„LOHENGRIN“

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Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn

 Seit 40 Jahren ist der Lohengrin die Oper, für die als Regisseur ehemalige oder zukünftige Intendanten der Komischen Oper zum Zug kommen. Andreas Homoki, der Vorgänger von Barrie Kosky in Berlin, verlegt die Handlung in einen Gemeindesaal eines Alpendorfes, um, wie er meint,  die Handlung damit der Lebenserfahrung des Publikums näher zu bringen. Es mag zwar stimmen, dass ein Fremder, der in das Dorfwirtshaus kommt, wie der als Oberförster verkleidete König Heinrich misstrauisch beäugt wird, aber dass dann alle Dörfler in Jubel ausbrechen, wenn ein gänzlich Fremder im Nachthemd auftaucht und dieser sofort in die Gemeinschaft aufgenommen wird, indem ihm sofort die unumgängliche Trachtenkleidung verpasst wird, erscheint aus eben dieser Lebenserfahrung nicht sehr glaubwürdig.

Bei all den (schönen) Trachtenkostümen auf der Bühne (Wolfgang Gussmann) ist aber wohl die Chance verpasst worden, eine Trachtenmodefirma als Sponsor zu gewinnen. Das praktische Einheitsbühnenbild zeigt eine typische Mehrzweckhalle, in der eine Menge Tische auf alle möglichen Arten angeordnet werden können oder auch einfach herumliegen. Einen Schwan gibt es natürlich auch. Zuerst im bebilderten Vorspiel als Spielzeug Gottfrieds, wird er dann von Elsa herumgetragen, um vor dem Auftritt Lohengrins von den Chordamen wie eine Monstranz hochgehalten zu werden. Nachdem sich das Rudel aufgelöst hat, liegt ein zuckendes Menschenbündel im Nachthemd auf der Bühne und wirkt erst langsam von Elsa erweckt. In analoger Weise vollzieht sich im dritten Akt der Abschied Lohengrins. Nachdem der Schwan plötzlich auf einem Tisch im Hintergrund erscheint, verschwindet der Titelheld wieder zwischen den Choristinnen und danach liegt wieder ein (kleineres) Menschenbündel auf der Bühne, das von Lohengrin über die Lautsprecher als Schützer von Brabant bezeichnet wird. Diese eine Textänderung vom Führer zum Schützer ist wohl eine Feigenblattaktion in Richtung political correctness.

Obwohl erst relativ spät im Besetzungsroulette die Kugel auf seinem Feld zu liegen kam, ist der junge finnische Dirigent Mikko Franck ein großer Pluspunkt dieser Aufführung. Vom zarten Pianissimo-Beginn des Vorspiels ist der Klang durchsichtig, ohne auf auftrumpfende Höhepunkte zu verzichten. Auch auf die Sänger geht er mit großem Einfühlungsvermögen ein.

Die Sängerriege wird angeführt von Klaus Florian Vogt in der Titelrolle. Sicher ist die Stimme gewöhnungsbedürftig und scheint auf den erste Eindruck klein, aber es gelingt ihm mühelos, auch durch den geballten Chor zu kommen. Der Klang der Stimme passt genau zu der Orchestrierung, die Wagner dem Gralsbereich zugedacht hat. Dank guter Technik und exzellenter Wortdeutlichkeit gelingt auch eine dynamisch schön abgestufte Phrasierung. Auch bei Wolfgang Koch als Telramund ist eine durchdachte Textgestaltung im Vordergrund. Er wird nach dem verlorenem Gottesgericht ausgestoßen und seiner Tracht beraubt und hat die restliche Partie in der Unterwäsche zu singen. Als Oberförster Heinrich präsentiert Günther Groissböck einen ungewohnt schlanken Baß, der bei den Tiefen doch ein wenig Schwärze vermissen lässt. Zu seinem Sekretär Detlef Roth sei nur gesagt: In düstrem Schweigen richtet Gott. Wenn es auch ungalant erscheint, die Damen erst am Schluss zu nennen, so hat das doch seine Berechtigung, denn Camilla Nylund präsentiert alles andere als ein klares, helles Timbre mit warmer Farbgebung, sondern tremoliert sich durch die Partie und Michaela Martens als Ortrud steigert diesen negativen Eindruck noch, indem sie zusätzlich ihre Höhen herausschreit. Allerdings ist sie darstellerisch als dralle, hantige Intrigantin durchaus präsent.

In großer Form präsentiert sich der von Thomas Lang einstudierte Chor, der allerdings in dem engen Bühnenbild kaum Platz findet.

Nachdem Herr Roth überhaupt keine Lust verspürte, vor den Vorhang zu kommen, verzichtete Frau Martens nach heftigen Buhs beim ersten Solovorhang auch auf ihr weiteres Erscheinen.

Wolfgang Habermann

 

 

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