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PASSAU(Stadttheater: DIE SCHÖNE UND GETREUE ARIADNE von Johann Georg Conradi

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Opernausgrabung in Passau: „Die schöne und getreue Ariadne“ von Johann Georg Conradi  (Vorstellung: 19. 4. 2014)

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Die amerikanische Sopranistin Emily Fultz als Phädra in erotischer Ledergewandung (Foto: Peter Litval / Landestheater Niederbayern)

 Im Stadttheater Passau, dem ehemals Fürstbischöflichen Opernhaus, kam es kürzlich zu einer historisch interessanten Opernwiederentdeckung: „Die schöne und getreue Ariadne“ von Johann Georg Conradi (1646 – 1699). Der deutsche Barock-Komponist brachte als Vorgänger Händels an der berühmten Hamburger Oper am Gänsemarkt, wo er als Kapellmeister wirkte, französische und italienische Opern mit großem Erfolg zur Aufführung.

 In seinem Werk über Ariadne, das 1691 in Hamburg uraufgeführt wurde und als verschollen galt – es wurde erst vor einigen Jahren bei Forschungen in Washington wiederentdeckt –,  verband Conradi den französischen, italienischen und deutschen Stil mit großem Geschick zu einer brillanten Partitur von harmonischem Reichtum, den man später bei Händel und Bach vorfand. In einem im Programmheft abgedruckten  Gespräch mit dem Dirigenten Kai Röhrig über den Komponisten meinte der Dirigent: „Ich bin mir sicher, dass Conradi heute als erster bedeutender deutscher Opernkomponist gelten würde, wären seine anderen acht für Hamburg komponierten Opern erhalten geblieben. Möglicherweise sind mit seinen Werken unglaubliche Schätze verlorengegangen.“

 Der Inhalt in Kurzfassung: König Minos von Kreta und seine Gemahlin Pasiphaë wollen ihre Tochter Ariadne mit dem in sie verliebten Prinzen Evanthes vermählen. Ariadne jedoch liebt den Athener Prinzen Theseus, der aber nur Augen für deren Schwester Phädra hat. Als sich Theseus in das Labyrinth des Minotaurus wagt, wird er von Ariadne mit dem roten Faden  gerettet. Doch Theseus erweist sich alles andere als dankbar und reist mit Phädra in seine Heimat. Die zurückgelassene Ariadne entdeckt schließlich ihre Liebe zu Evanthes, als sich dieser in Gestalt des Bacchus zu erkennen gibt. So findet sie letztendlich Erlösung von ihrem Schmerz. Am Schluss erscheint Venus, umgeben von Grazien, Satyrn und Bacchanten, und segnet die Liebe des Paares.

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Sehr kreativ choreographiert waren die Tanzszenen (Foto: Peter Litval / Landestheater Niederbayern)

 Der bekannte britische Choreograph Jonathan Lunn ließ in seiner Inszenierung das Werk in heutiger Zeit spielen, wobei er bei den Tanzszenen den Schwerpunkt auf modernen Ausdruckstanz legte und auch mit Filmprojektionen (Daniel Hay-Gordon) arbeitete. Man verzichtete bei dieser Produktion völlig auf eine Barockausstattung. Die karge, ganz in Weiß gehaltene Bühnengestaltung (Mini-Bühne und hohe Schränke mit zahllosen Türen und Fächern) oblag Alexandra Burgstaller, die auch die Kostüme entwarf (Kleider der Damen in Lack und Leder erotisch hochgeschlitzt, Alltagsgewänder für die Herren).

 Die Titelfigur war mit der südafrikanischen Sopranistin Mandie de Villiers-Schutte besetzt, die ihre Rolle schauspielerisch trefflich ausfüllte, aber leider gesanglich völlig unverständlich blieb. Kaum ein Satz klang nach Deutsch, sodass anfangs der Verdacht aufkam, dass sie in einer anderen Sprache singe. Ohne Übertitel wäre das Publikum verloren gewesen. Viel verständlicher die amerikanische Koloratursopranistin Emily Fultz als ihre Schwester Phädra, die in der Schlussszene auch die Rolle einer Grazie sang.

 In einer weiteren Doppelrolle brillierte die deutsche Sopranistin Gesche Geier – zuerst als Pasiphaë, Gemahlin des Königs Minos, später als Venus. Sie überzeugte sowohl darstellerisch wie auch stimmlich und bekam am Schluss verdientermaßen Bravorufe! Dass alle drei Sängerinnen von betörender Schönheit waren, muss eine Erwähnung wert sein.

 Den König der Insel Kreta stattete Peter Tilch mit tiefer Bassstimme und ausdrucksstarkem Mienenspiel aus, Theseus, der Bezwinger des Minotaurus, wurde vom Tenor Albertus Engelbrecht gespielt. Es gelang ihm recht glaubhaft, die beiden Schwestern Ariadne und Phädra zu becircen. Bacchus, der unter dem Namen Evanthes vergeblich um die Gunst von  Ariadne buhlt,  wurde vom jungen Countertenor Roland Schneider sowohl schauspielerisch wie auch stimmlich eloquent gegeben.

 Zwei Kabinettstückchen in Darstellung und Gesang gaben die beiden Tenöre Wolfgang Frisch als Pirithous, Vertrauter von Theseus, und Oscar Imhoff als dessen Diener Pamphilius zum Besten. Ersterer mit der glänzend gesungenen Arie des Pirithous „Alles ist nur Eitelkeit“, die sich als echter Schlager entpuppte, Letzterer mit dem humoristischen Intermezzo des Pamphilius als Scherenschleifer, in dem es Seitenhiebe auf feige Dienernaturen hagelt, die sich von ihren Herren „schleifen“ ließen.

 Eine besondere Leistung boten die beiden Tänzerinnen Bernadette Leitner und Anja-Carina Maisenbacher sowie der Tänzer Gareth Mole, die ihren modernen Ausdruckstanz mit einer selten gesehenen akrobatischen Körperbeherrschung auf die Bretter der Bühne legten und dabei dennoch elegant blieben! Und das in Anspielung auf Evanthes mit Anzug und Brille.

 Die Niederbayerische Philharmonie, die von Kai Röhrig umsichtig geleitet wurde, brachte die barocken Klänge der Partitur des in Vergessenheit geratenen Komponisten Conradi äußerst nuancenreich zum Erklingen. Das begeisterte Publikum dankte dem Sängerensemble (mit Bravorufen für Gesche Geier), den Tänzerinnen und Tänzern sowie dem Orchester und seinem Dirigenten mit nicht enden wollendem Applaus.

 Udo Pacolt

 PS: Zu erwähnen ist noch, dass nach den weiteren „Ariadne“-Vorstellungen im April und Mai das Passauer Theater wegen der im Juni des Vorjahres durch das Hochwasser erlittenen Schäden generalsaniert wird und voraussichtlich bis Jänner 2015 geschlossen bleibt. Auch die Barockbestuhlung im Parkett, die zurzeit notdürftig ersetzt werden musste, soll wieder eingebaut werden.

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