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WIEN/ Staatsoper: LOHENGRIN

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WIENER STAATSOPER: 20.04.2014 – Lohengrin

Lohengrin_Koch_Groissboeck
Günther Groissböck. Foto: Wiener Staatsoper/Pöhn

 Es scheint, dass auch auf dem Lohengrin (zumindest in Wien) ein Fluch liegt – vielleicht nicht so extrem wie bei Verdis „La Forza del Destino“, aber immerhin so, dass jeweils die neue Inszenierung noch schlechter ausfällt als die abgelöste. Die heute übliche „Verortung“ und Verlegung der Handlungszeit (gibt es eigentlich den Ausdruck „Verzeitung“?) soll nicht per se in Frage gestellt werden; wir sprechen aber über Wagner, der ein engagierter Kämpfer für das „Gesamtkunstwerk“ war. Die Achtung vor de Einheit von Musik und Text sollte die Mindestanforderung an eine geglückte, respektvolle Inszenierung sein. Wenn also die königlichen Organisationsstrukturen in ein älplerisches Bierlokal verlegt werden, in dem der König (Oberförster) vom oppositionsführenden Grafen (Dorftyrann) angetappst wird und Lohengrin zu den brabantischen Edlen spricht und eine übernachtige Zecherrunde vor Augen hat, dann stimmt die ganze Struktur des Lohengin nicht mehr – das ist keine Geschmacksache, das ist einfach unrichtig. Andreas Homoki, der Schöpfer dieser Regiearbeit beteuert zwar, dass er die Geschichte nicht ironisieren wollte, denkt man an die Szene von der Rückkehr des Schwanes: Elsa singt: “Entsetzlich! Ha, der Schwan!“ und hat die Plastikente aus der Badewanne vor sich – wenn das ernst gemeint ist, ist es ja noch schlimmer! Das Erscheinen des Lohengrin in der Menschenwelt als hilfloses Bündel Mensch im Nachthemd mag in der „Aue am Ufer der Schelde“ noch angehen – im Bierstadel des Schuhplattlervereins ist es nur peinlich – ein Anlass zum Fremdschämen! Die Liste der Widersprüche und Peinlichkeiten ließe sich  beliebig fortsetzen – das wäre aber reiner Sado/Masochismus! Dem Vernehmen nach gefällt diese Inszenierung unserem Herrn Direktor – wir werden also den Rest seiner Amtszeit damit leben müssen – billige Hörplätze sind eine Empfehlung, denn was musikalisch – besonders aus dem Orchestergraben kommt, ist schlichtweg sensationell.

 Mikko Franck, der Einspringer am Dirigentenpult entpuppt sich als kompetenter, gefühlvoller Wagner – Kenner und gestaltet ein schon lange nicht mehr gehörtes, überirdisch zartes, emotional ergreifendes und mächtig zupackendes Klangerlebnis. Die wunderbaren Philharmoniker zeigen gefühlvoll und präzise in allen Instrumentengruppen unglaubliche Virtuosität. Unterstützt vom besten Operchor der Welt – geleitet von Thomas Lang – sind für die musikalische Umsetzung die besten Voraussetzungen geschaffen.

 In der hier besprochenen dritten Vorstellung der Serie war gesanglich eine Steigerung gegenüber der Premiere hörbar. Günther Groissböck ist nun ein mächtiger König Heinrich mit einem schön klingenden, technisch gutem Bass – die fehlende Schwärze ist bei dieser Interpretation kein Mangel.

 Bei Klaus Florian Vogt fasziniert uns immer wieder, mit welcher Leichtigkeit er seinen hell gefärbten Tenor über die nicht wenigen Klippen im Lohengin führt. Er gestaltet mit der Stimme von gefühlvoll zart mit beindruckender Pianokultur bis zu temperamentvollen Ausbrüchen klar und unangestrengt. Für den Lohengrin, den Erik und vielleicht auch für den Parsifal und Siegmund ist er eine hervorragende Besetzung.

 Camilla Nylund gelang in dieser dritten Vorstellung eine nahezu perfekte Elsa. Ihre makellose Stimme erlaubt die sehnsuchtsvollen, zarten Gefühle ebenso wie die wütenden Attacken wie selbstverständlich auszudrücken – Perfektion vom Piano bis zum Forte!

 Der Telramund von Wolfgang Koch ist sowohl darstellerisch als auch stimmlich ein Ereignis. Sein etwas rauher Bassbariton eignet sich besonders gut, den machthungrigen Intriganten, der aber letztlich selbst zum Opfer wird, darzustellen. In einer stimmigeren Inszenierung wäre es ein noch größeres Vergnügen, ihm beim „Wüten“ zuzusehen.

 Ortrud, die in ihrer verschlagenen Schlauheit den Telramund bis zur Zerstörung fernsteuert, wurde; wie schon unlängst in Graz – in einer wesentlich logischeren Inszenierung – von Michaela Martens dargestellt. Die amerikanische Hausdebutantin wurde bei der Premiere nicht sehr freundlich aufgenommen; die vielen Buh – Rufe waren uns unverständlich und sind glücklicherweise nach der dritten Vorstellung ausgeblieben. Sie hat sowohl die spöttische Häme für Friedrich, die einschmeichelnde Sanftheit im Duett mit Elsa als auch besonders eindrucksvoll die exzessive Mächtigkeit bei der Anrufung der Götter in der Stimme. Was also will man von einer Ortrud mehr? – nicht differenzierender Schöngesang wäre hier – wie auch bei Kundry – fehl am Platz.

 Ebenfalls sein Hausdebut hatte Detlef Roth als Heerrufer, ein weiteres Beispiel für nicht nachvollziehbare Besetzungspolitik.  Doch er sang sehr wortdeutlich und gab sein Bestes. Dass er bei der Premiere so gnadenlos ausgebuht wurde, zeugt nicht gerade von Höflichkeit und Respekt im Umgang mit Menschen.

 Gestern war der Applaus sehr differenziert – von Jubel für das Orchester  und den Chor mit Anleihen an die Gebräuche in Verona sogar Einzelrufe: „Bravo Chor“ bis zu höflichem Beifall für die Ortrud.

 Maria und Johann Jahnas

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