Venera Gimadieva (Foto: Bolschoi)
WIEN / Theater an der Wien:
DER GOLDENE HAHN von Nikolai Rimski-Korsakow
Konzertante Aufführung in russischer Sprache
SolistInnen, Chor und Orchester des Bolschoi Theaters
29. April 2014
„Der Goldene Hahn“ war das letzte Opernwerk von Nikolai Rimski-Korsakow und wurde 1909, ein Jahr nach seinem Tod, uraufgeführt. In einer „gebremsten“ Aufführung damals, deren folkloristische Elemente die böse Satire, die auf einer Puschkin-Vorlage beruht, überdecken sollten. Heutzutage ist es die bissige Polit-Posse, die an dem Werk interessiert – so hat es etwa Andreas Homoki 2006 in einer höchst schrägen Inszenierung auf die Bühne der Komischen Oper in Berlin gebracht.
Der zweite Abend der Bolschoi-Oper im Theater an der Wien brachte auch den „Goldenen Hahn“ konzertant, aber man muss dem Hauptdarsteller Vladimir Matorin gerne zugestehen, dass er den mehr als törichten Zaren Dodon in voller Breite (mit gelegentlich geradezu röhrendem Bass) nicht nur gesungen, sondern auch witzig und ironisch ausgespielt hat (und es störte nicht einmal, dass er als einziger der Besetzung immer den Klavierauszug vor sich hatte).
Der Astrologe, der als Prolog und Epilog der Oper von „Rätselhaftem“ spricht, war in Berlin mit Jochen Kowalski besetzt, und tatsächlich wandern die Höhen der Rolle in „Counter“-Regionen: Stanislav Mostovoy, an sich nur ein „normaler“ Tenor, meisterte das beeindruckend. Für diese Figur ist eine schneidend scharfe Stimme auch recht am Platz.
Die Geschichte vom Zaren Dodon, der einen Hahn geschenkt bekommt, damit er vor Gefahr gewarnt wird (nützt natürlich nichts, wenn man ein solcher Dodel ist wie Dodon…), hat drei Damenrollen, und eine von ihnen war die Königin des Abends. Nicht Tatyana Erastova, eine Mezzo-Veteranin, die als komische Alte durchaus reüssierte, und nicht die blonde Darya Zykova, die den Hahn durchaus eindrucksvoll – na, nicht gerade „krähte“, aber doch in aller Köstlichkeit umsetzte.
Aber die Handlung, die Märchen und Traumspiel zugleich ist, beschert dem Zaren in der Königin von Schemacha eine wundervolle Verführerin, und Venera Gimadieva war nicht nur optisch im golden schimmernden Abendkleid eine solche. Sie kann ihre Stimme auch leicht ansetzen und führen, wenngleich sie das typische, volle, leicht tremolierende slawische Timbre hat, das hier wahrlich dahinschmolz. Rund um diese Königin hat Rimski-Korsakow jene Musiksprache entfesselt, für die er in seinem Konzertstück „Scheherazade“ wunschkonzert-weltberühmt wurde, und es war ergötzlich zu sehen, wie die Harfenistinnen mit wogender Leidenschaft in ihre Rieseninstrumente griffen, um alle magischen Zaubertöne erklingen zu lassen.
Mit dem kraftvollen Baß von Nikolay Kazansky für den beratenden General und zwei eindrucksvollen jungen Stimmen für die Zarensöhne (Boris Rudak war der Tenor, Konstantin Shushakov der Bariton) ließ die Besetzung diesmal kaum Wünsche offen. Der Chor durfte klangvoll das so dumm gezeichnete Volk sein…
Eine Anzahl von Jahren nach der „Zarenbraut“ entstanden, konnte man, da man die beiden Werke so eng nacheinander hörte, so richtig die Entwicklung des Komponisten ermessen. Zwar wandern im Vorspiel des „Goldenen Hahns“ und auch später gelegentlich Ravel und Debussy sozusagen durch die Partitur, aber in der Folge zeigte sich ein weit mehr zum Parlando als zur großen Phrase neigender Stil (mit Ausnahme der Verführungsarie der Königin von Schemacha), und es war ein Vergnügen, der so reich strukturierten, mit vielen komplizierten Instrumentensoli voll gepackten Musik zuzuhören, zumal sie unter der Leitung des jungen Pavel Klinichev ungemein differenziert erklang. Vor allem hörte man immer eines: die von Rimski-Korsakow jede Minute „mitkomponierte“ Ironie des Ganzen…
Herzlicher Beifall.
Renate Wagner