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NORDRHEIN-WESTFALEN ÜBERRASCHT MIT ARCHITEKTUR UND KULTUR

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Nordrhein-Westfalen überrascht mit Architektur und Kultur,  27.07.2013
von Ursula Wiegand
 
Nordrhein-Westfalen und speziell das Ruhrgebiet überraschen total. Dank jahrelanger Umstrukturierung gibt es dort statt Ruß und Rauch nun strotzendes Grün, blauen Himmel und jede Menge an Kunst, Kultur und beeindruckender Architektur.
 

Krefeld, Mies van der Rohe-Modell im Kornfeld. Foto: Ursula Wiegand
 
Krefeld verblüfft momentan mit einem neuen Mies van der Rohe-Bau. Sozusagen. Denn in  Egelsberg am Stadtrand hat der Mies-Entwurf von 1930 für ein dortiges Golfclubhaus nun  Gestalt angenommen. Wegen der Wirtschaftskrise wurde es damals nicht errichtet. Nun steht es als Modell zwischen wogenden Kornfeldern – ein international beachtetes Architekturprojekt mit Beiprogramm. Donnerstags wird dort am Abend musiziert.
 

Krefeld, Mies van der Rohe-Modell mit Kuratorin Christiane Lange. Foto: Ursula Wiegand
 
Gelungen ist diese Realisierung dem belgischen Architekten Paul Robbrecht (Gent). Nach den Plänen und Perspektiven aus dem Nachlass von Mies – gehütet vom Metropolitan Museum in New York – hat er ein Modell in Originalgröße geschaffen, begehbar bis zum 27. Oktober.
 

Krefeld, Mies van der Rohe-Modell, Seitenansicht. Foto: Ursula Wiegand
 
Es ist ein luftiger Bau von schöner Schlichtheit, dessen offene Raumgestaltung an den Barcelona-Pavillon anknüpft, den Mies zur Weltausstellung 1929 konzipierte.
Beim Gang um und durch das Modell ergeben sich stets neue, überraschende Ein- und Aussichten. Leider wird der nicht winterfeste Bau nach der Ausstellung abgerissen, geht aber hälftig an zwei Universitäten.
Krefeld, Mies van der Rohe, Haus Esters. Foto: Ursula Wiegand
 
Mies van der Rohe „in echt“ und auf Dauer gab und gibt es außerdem: die Häuser Esters und Lange in der Wilhelmhofallee 91-97.  Beide Familien beauftragten 1927 den schon vor seiner Zeit als Bauhausdirektor (1930-1933) berühmten Architekten mit der Planung. 1930 wurden die geometrischen Gebäude fertig. Sie gelten als Glanzlichter Neuen Bauens und sind – wie die  Riesen-Zahnbürste sogleich vermuten lässt, Museen für zeitgenössische Kunst.
Mies hat Nachfolger gefunden. Gerade wird in einer Ausstellung der Architekt Bernhard Pfau gewürdigt, der von 1952-58 die Textilingenieurschule am Frankenring zur Hochschule Niederrhein umfunktionierte. Vor allem die Glasfront war seinerzeit umstritten.
 

Krefeld, Behnisch-Haus von 2002. Foto: Ursula Wiegand
 
Ähnlich erging es zunächst dem Behnisch-Haus von 2002, einem kühn ins Zentrum ragenden Bau mit rd. 190 m langer Glasfassade, geplant von Günter Behnisch. Bald zogen Geschäfte, Praxen, Büros und Restaurants ein und machten das kritisierte Gebäude zu einem beliebten Treffpunkt, der das Zentrum belebt.
Das Behnisch-Haus bildet also einen gewollten Kontrast zu den stattlichen Bürger- und Jugendstilhäusern am Cornelius- und Alexanderlatz, die von der  Blütezeit Krefelds als Samt- und Seidenstadt künden. Im Haus Nr. 5 am Alexanderplatz wurde Joseph Beuys geboren.
 

Krefeld, der Bandoneonspieler. Foto: Ursula Wiegand
 
Aus Krefeld stammt auch Heinrich Band (1821-1860), der Erfinder des Bandoneons. Das Bronze-Ensemble „Der Bandoneonspieler“ erinnert an ihn.
Inzwischen kommt Krefeld und Städten im angrenzenden Ruhrgebiet der „Stadtumbau West“ zugute, ein 2006 gestartetes Bund-Länder-Förderprogramm, das dem demographischen und wirtschaftlichen Wandel begegnen soll und entsprechende Projekte unterstützt.
 

Duisburg, Wilhelm Lehmbrucks Der Gestürzte von 1915. Foto: Ursula Wiegand
 
Paradebeispiele für die Umstrukturierung sind insbesondere Duisburg und Essen, die kulturell Erstaunliches bieten. Siehe das Lehmbruck Museum in Duisburg, das Manfred Lehmbruck, ein Mies van der Rohe-Schüler, 1964 für seinen Vater, den Bildhauer Wilhelm Lehmbruck, errichten ließ. Den Blick fesselnd stehen die später von den Nazis verfemten Skulpturen in einem Glasvorbau.
 

Duisburg, Wilhelm Lehmbrucks Kniende von 1911. Foto: Ursula Wiegand
 
„Der Gestürzte“ von 1915 war ein früher künstlerischer Protest gegen Krieg und falsches Heldentum. Doch schon seine wunderschöne „Kniende“ von 1911, ein wegweisendes Werk, wurde von damaligen Frauen wegen ihrer gestreckten Zartheit als unnatürlich kritisiert.   Ebenso umstritten waren anfangs die ratternden Fantasiemaschinen von Jean Tinguely. Diese  und noch jüngere Beispiele moderner Kunst sind ebenfalls im Lehmbruck Museum ausgestellt. 
 

Duisburg, Museum DKM, Gruppe von 14 Fußsoldaten, Han-Dynastie, Ausschnitt. Foto: Ursula Wiegand
 
Intensive Eindrücke speziell für Liebhaber chinesischer und japanischer Kunst – geschaffen vor der Zeitenwende bis zu Ai Weiwei – zeigt das Museum DKM mit seinen „Linien stiller Schönheit“.
 
Duisburg, Innenhafen, Masterplan 1994 von Norman Foster. Foto: Ursula Wiegand
 
Entscheidendes hat sich am jahrelang ungenutzten Duisburger Innenhafen getan (nicht zu verwechseln mit dem Binnenhafen). Durch den 1994 von Norman Foster erstellten Masterplan erfuhr er eine Wiederbelebung und avancierte zur Top-Adresse für Geschäftsbauten.
 
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Duisburg, MK Museum Küppersmühle, Gerhard Richter, Courbet, 1986. Foto: Ursula Wiegand
Hier wurden die Baseler Architekten Herzog & de Meuron tätig. Von 1997-1999 verwandelten sie durch geschickten Innenumbau einen früheren Kornspeicher zum MK Museum Küppersmühle für moderne Kunst.
 

Duisburg, MK Museum Küppersmühle, Georg Baselitz, Der Fisch, 1987. Foto: Ursula Wiegand
 
Gemälde u.a. von Gerhard Richter, A.R. Peng und Anselm Kiefer sowie die Kopfstehenden Bilder von Georg Baselitz – er malt sie auch so! – faszinieren. die Besucher ebenso wie Anselm Kiefers poetisches Sternenlager.
 

Duisburg, MK Museum Küppersmühle, Anselm Kiefer, Sternenlager IV.1998.  Foto: Ursula Wiegand
 
Essen bekam 1988 – nach jahrelanger Verzögerung – mit dem Aalto-Theater, geplant von Alvar Aalto, eine Ikone.
 

Essen, Aalto-Theater von 1988. Foto: Ursula Wiegand
 
Der weiße Bau wirkt wie ein aufgeschlagenes Buch, während sich das Hundertwasserhaus von 2005 im weitläufigen Grugapark typisch bunt und verspielt präsentiert.
 
Essen, Hundertwasserhaus von 2005 im Grugapark. Foto: Ursula Wiegand
 
Dagegen gibt sich der in 2010 fertig gestellte, kubistisch-strenge Anbau an das Museum Folkwang, geplant von David Chipperfield, betont zurückhaltend und beweist britisches Understatement.
Zum Synonym für die Modernisierung Essens und der Region wurde jedoch die Umgestaltung der still gelegten Zeche Zollverein. Seit 2001 zählt sie zum Weltkulturerbe.
 

Essen, Zeche Zollverein, Doppelbock von Schacht 12. Weltkulturerbe. Foto: Ursula Wiegand
 
Führungen erschließen dieses riesige Industriedenkmal, das auch Raum für Ausstellungen und „Events“ bietet. Dort an weiß gedeckten Tischen – mit noch etwas Kohlegeruch in der Nase – zu speisen, ist ein fast surreales Erlebnis.
Alle diese Umstrukturierungsanstrengungen wurden mit der Wahl Essens zur Kulturhauptstadt Europas 2010 belohnt. Der offizielle Titel „RUHR 2010“ war mit Bedacht gewählt. Die ganze Region ist im Wandel und wagt die Moderne in Kunst, Kultur und Architektur.

Infos
unter www.krefeld.de, zum Mies van der Rohe-Modell unter www.projekt.mik.com. Weiteres unter www.duisburg.de, www.essen.de, www.ruhr-tourismus.de und Generelles zu Nordrhein-Westfalen unter www.dein-nrw.de.

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