WIENER STAATSOPER: 14.05.2014 – Solistenkonzert Anja Harteros
Anja Harteros. Foto: Wiener Staatsoper/Pöhn
Liederabende in großen Räumen wie im goldenen Musikfreundesaal, im Großen Konzerthaussaal aber auch in der Staatsoper können leicht wegen mangelnder Intimität unbefriedigend verlaufen. Nur wirklich große Künstlerpersönlichkeiten können diese widrigen Umstände überwinden und ein berührendes Ereignis gestalten.
Anja Harteros ist so eine Ausnahmekünstlerin, die es versteht, die Zuhörer in kürzester Zeit gefangen zu nehmen. Die schlanke, aber dennoch große Stimme der eleganten, deutsch-griechischen Sopranistin trägt auch im Piano mit Leichtigkeit, erlaubt in der Höhe ohne Schärfe zu jubeln und klingt in allen Lagen einfach toll. Temperament, Sinnlichkeit und Dramatik in technisch perfekter Interpretation sowie herzergreifend schön gesungene Bögen und Linien strömen mit scheinbar nie endender Luft und beeindrucken zutiefst.
Wolfram Rieger war ein perfekter, einfühlsamer Klavierbegleiter, der in den kurzen Zwischenspielen seine Virtuosität aufblitzen ließ.
Das Programm begann mit Schubert-Liedern – basierend auf Gedichten von Johann Wolfgang von Goethe: „Rastlose Liebe“, „Lied der Mignon“ – aus dem Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre, „Ganymed“ – eine Widmung an Goethe und „An den Mond“.
Im zweiten Block hörten wir Schubert-Vertonungen verschiedener Autoren: „Nacht und Träume“ (von Collin), „Dass sie hier gewesen“ (Rückert), „Im Abendrot“ (Lappe), „Des Mädchens Klage“ (Schiller) und „Die junge Nonne“ (de Jachelutta).
Nach Schubert, der ja von manchen Musikhistorikern der Wiener Klassik zugeordnet wird, sicher aber in die Romantik übergeleitet hat, prägte Hugo Wolf, dem der nächste Block gewidmet war, die Spätromantik. Seine Lieder basieren auf Texten von Paul Heyse („Mein Liebster singt am Haus“ und „Wir haben beide lange Zeit geschwiegen“), Josef von Eichendorff („Verschwiegene Liebe“) und Eduard Möricke („Verborgenheit“ und „Er ist’s“) und verbreiteten – in dieser ausdrucksvollen Perfektion dargebracht – eine nachdenkliche Stimmung, der man sich nicht entziehen konnte.
Im letzten Block wurde Richard Strauss – der heurige Jahresregent – geehrt und die Erfahrung mit den großen Opernfrauen (Feldmarschallin, Arabella,…) kam Anja Harteros hörbar zugute. Sie meisterte sämtliche, von Strauss komponierten Gemeinheiten souverän und gestaltete diese musikalischen Kleiodien einzigartig. Die interessante Auswahl umfasste Lieder nach Texten von Hermann von Glim zu Rosenegg („Zueignung“), Gustav Falke („Meinem Kinde“), John Henry Mackay („Morgen“), Richard Dehmel („Waldseligkeit“), Betty Wehrli-Knobe („Malven“ – der allerletzte, erst 1985 entdeckte und von Kiri te Kanawa uraufgeführte Schwanengesang von Richard Strauss) sowie Heinrich Hart („Cäcilie“ – ein Hochzeitsgeschenk an seine Frau Pauline da Ahna).
Traurig stimmte, dass bei so einer wunderbaren Darbietung die Oper nur zu etwa zwei Drittel besetzt war – für die Touristen und die Konsumenten der Yellow-press dürfte die „ungehypte Primadonna“ nicht so anziehend gewirkt haben – schade! Höchst erfreulich hingegen war der extrem hohe Anteil von Jugendlichen auf der Galerie. Zum Teil französische Schüler auf Wienbesuch, die konzentriert und offensichtlich beeindruckt den Liedern in einer fremden Sprache lauschten.
Abschließend konnten noch drei Zugaben – unter anderem Schuberts „Du holde Kunst“ erklatscht werden – ich denke, dass mit diesem Abend die Sinnhaftigkeit von Liederabenden im großen Opernhaus bewiesen werden konnte.
Johann Jahnas