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BERLIN/ Philharmonie: WÜRDEVOLLES GEDENKEN AN CLAUDIO ABBADO

Berlin/ Philharmonie: Würdevolles Gedenken an Claudio Abbado, 16.05.2014

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Abbado-Gedenken, Berliner Philharmoniker, Foto Monika Rittershaus

Würdevolles Abbado-Gedenken. Foto: Monika Rittershaus

 Eigentlich hätte Claudio Abbado dieses Konzert leiten sollen, kam er doch stets im Mai nach Berlin. Immer waren diese Konzerte besondere Höhepunkte für die Berliner Philharmoniker und das Publikum. Immer waren eine besondere Vertrautheit und ein freundschaftliches  Einverständnis zu spüren.

Noch im Vorjahr hatte Abbado Mendelssohns „Sommernachtstraum“ und danach die “Symphonie fantastique“ von Hector Berlioz mit solch einem Feuereifer dirigiert, dass ich  seine Kraftentfaltung nur bestaunen konnte. Mit der Musik, so hat er mal gesagt, hätte er seine Krebserkrankung überwunden. Doch geschont hat er sich nie. 

Ebenfalls unvergessen ist mir sein überaus beeindruckendes Mahler-Gedenken am 18. Mai 2011 zu dessen 100. Todestag. Am 20. Januar ist er nun selbst der Welt abhanden gekommen, leider für immer. Nun gilt ihm dieses Gedenkkonzert.

Beim ersten Werk, Franz SchubertsBühnenmusik zum Schauspiel Rosamunde, Fürstin von Zypern D 797“ und der daraus entnommenen „Nr. 5 Entr’acte nach dem 3. Aufzug“,  bleibt das Dirigentenpult leer. Wie in Trauer-Trance spielen die Berliner Philharmoniker dieses melodienreiche, von Melancholie umflorte Stück, das die komplett gescheiterte Oper überlebt hat. Unter Konzertmeister Daishin Kashimoto bringen sie Schuberts Musik zart, schwebend, mit innigem Ernst und berückenden Pianissimi. Eine Trauerarbeit voller Würde und Hingabe. Das Publikum hat es begriffen und erhebt sich danach zu „standing ovations“. Die Musiker, noch ganz in sich gekehrt, schauen nicht auf. 

Beim zweiten Werk, Mozarts „Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 G-Dur KV 216“ übernimmt der Solist Frank Peter Zimmermann als Primus inter pares das Dirigieren. Mit kräftigem Strich beginnt er seinen Part, entlockt seiner Stradivari von 1711 später viele feinste Piani und Pianissimi. Dennoch wirkt diese Mozart-Komposition eher beiläufig und stand – so ist im Programmheft zu lesen – lange Zeit im Schatten der beiden folgenden Violin-Konzerte. Eine Einschätzung der Zeitgenossen, die nicht verwundert.

Franz Schubert erblickte in Mozarts Musik, wie er in seinem Tagebuch nach einem Konzertbesuch notierte, „eine lichte, helle, schöne Ferne“. Ob er damit auch dieses Werk gemeint hat? Dessen Schluss, ein munteres „Rondeau“ mit folkloristischen Anspielungen,  wirkt – genau wie das gesamte recht leichtgewichtige Stück – an diesem Abend etwas fehlplatziert und überzeugt auch nicht in der Darbietung.

Doch danach macht Simon Rattle mit Anton BrucknersSymphonie Nr. 7 E-Dur“ alles mehr als wett. Anders als sonst setzt er nicht auf harte Kontraste und überzogene Tempi. Sensibel lässt er die Musik fließen und leuchten, gliedert einfühlsam und tonschön den ersten Satz (Allegro moderato) mit dem 21 Takte umspannenden Hauptthema, dem 2 weitere folgen, übrigens ähnlich wie in Schuberts „Unvollendeter“.

Immer wieder scheint in diesem rekordlangen Satz auch das Waldvöglein anzuklingen, ehe der zuletzt in ein urgewaltiges Crescendo mit Trommelwirbel und strahlendem Blech mündet. Selbst dabei hüten sich Rattle und die Philharmoniker vor Übertreibungen.   

Bruckners Wagner-Verehrung und seiner Erschütterung über Wagners Tod kommen vor allem im Adagio zum Tragen. „Sehr feierlich und sehr langsam“, so die Vorgabe des Komponisten, der sie selbst als Trauermusik bezeichnet hat. Besser könnte man auch nicht über Abbados ableben trauern.

Bruckner hat für die Siebte erstmalig die „Wagner-Tuben“ übernommen, und Rattle mit den Seinen folgt dem Komponisten aufs Wort. Den würdevollen Charakter dieses Satzes bringen auch die Streicher mit fabelhaftem Legato zum Ausdruck.

Selbst das Scherzo, das laut Bruckner „sehr schnell“ zu musizieren sei, dirigiert Rattle keineswegs hastig, arbeitet vielmehr die Passagen heraus, die auch hier an einen Trauermarsch erinnern. Im relativ kurzen Finale klingt schon die Hoffnung an, und wieder ist,  so scheint es mir, das Waldvöglein zu vernehmen.

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Claudio Abbado, Foto Cordula Groth

Claudio Abbado. Foto: Cordula Groth

Großartig und wie aus einem Guss verdeutlichen die Philharmoniker auch die zahlreichen Harmoniewechsel, lassen ähnlich wie Abbado Bruckners Musik singen bis zum pompösen Schluss. Eine Glanzleistung von Rattle und den Seinen für ihren verstorbenen Freund Claudio Abbado, der dabei Pate gestanden hat. Ein Gedenken nicht nur voller Trauer sondern auch mit Zuversicht. Abbado wird nicht vergessen werden.

Heftiger Beifall und auch der – dem Anlass entsprechend – in würdiger Form.  

Ursula Wiegand  
 

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