Wiener Festwochen / Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien
DER MÖNCH AUS DER TANG-DYNASTIE von Tsai Ming-liang
Premiere: 16. Mai 2014
Es gibt Theaterabende, die fordern den Zuschauer bis zu letzten: Das muss sich gar nicht auf intellektuelle Kunststücke beziehen. Es kann auch die Bereitschaft gemeint sein, Geduld zu üben und sich selbst in einen nahezu Trance-Zustand fallen lassen. Wobei vorauszusetzen ist, dass Zuschauer, die zu einem „Mönch aus der Tang-Dynastie“ kommen, schon genug von asiatischer Mystik und Denkungsart infiziert sind, um dergleichen mitzubringen.
Außerdem wurde man gewarnt. Auf der Festwochen-Website heißt es: „Ich hoffe, Sie kommen ohne Erwartung in diesen Abend. Schenken Sie mir diesen Freiraum. Denn in dessen Stille und Langsamkeit können wir unsere Gefühle und Gewohnheiten überprüfen und so gemeinsam zu etwas Neuem vordringen.“
Die Festwochen haben diese Produktion des taiwanesischen Künstlers Tsai Ming-liang, der diese als konzeptionelles Gesamtkunstwerk gestaltete, in das Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien (früher bekannt als „Semper Depot“, hinter dem Theater an der Wien) gebracht. Dort gilt es zweidreiviertel pausenlose Stunden auszuharren, auch wenn fast „nichts“ geschieht. „Theater ist kein Entertainment“ hat die neue (und schon wieder geschiedene) Schauspielchefin Frie Leysen postuliert. In diesem Fall hat sie wirklich recht.
Thema ist die Pilgerreise des Mönches Xuanzang, der von Lee Kang-sheng rot gewandet nicht „gespielt“, sondern eigentlich nur verkörpert wird. Denn er liegt auf einem riesigen Stück Papier, und irgendwann beginnt Kao Jun-honn (in der Rolle des „Malers“) darauf zu zeichnen. Später „wandert“ der Mönch auch, er hat schließlich seine Pilgerreise zu vollziehen, absolviert Alltagstätigkeiten wie essen. So langsam, dass der Zuschauer auf sich selbst zurückgeworfen wird, weil er sich an kein Geschehen „anhalten“ kann. Gelegentlich wird die Stille durch Musik durchbrochen. Dann wieder die Stille – und man merkt als westlicher Mensch, wie schwer man sie erträgt.
Mit dieser Erkenntnis wird man entlassen. Wenn man es bis zum Ende ausgehalten hat… Für manche wird es eine Erfahrung sein. Für andere eine Nervenprobe, der sie nicht gewachsen sind. Der Publikumsschwund war bedeutend.
Heiner Wesemann