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WIEN / Scala: DAS VERSPRECHEN

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Foto: Bettina Frenzel

WIEN / Scala:
DAS VERSPRECHEN
Requiem auf einen Kriminalroman von Friedrich Dürrenmatt
Für die Bühne adaptiert und inszeniert von Claus Tröger
Premiere: 13. Februar 2020

Vielleicht hat man sich zu sehr darauf verlassen, dass der Spielfilm „Es geschah am hellichten Tag“ aus dem Jahr 1958 einen besonderen Ruf hat – da war die überaus große Besetzung mit Heinz Rühmann, Gert Fröbe, Siegfried Lowitz, Ewald Balser, Berta Drews. Und natürlich die Tatsache, dass Friedrich Dürrenmatt als Autor galt. Der nur unzufrieden war, dass die Geschichte des Kindsmörders auf der Leinwand quasi ein Happyend haben musste. Folglich machte er den Roman „Das Versprechen“ daraus. Diesen hat nun Claus Tröger für die Bühne adaptiert und inszeniert – und es stellt sich schnell heraus, dass diese düstere Geschichte auf dem Theater wenig Reiz hat.

Kleine Mädchen werden ermordet, Dorfbewohner sind schnell bereit, den Mann, der die Leiche gefunden hat, auch als Täter abzustempeln. Als dieser sich umbringt, möchte die Behörde den Fall so schnell wie möglich schließen – aber Kommissar Matthäi (Klaus Rohrmoser, ein seelisch ausgelaugter Mann) hat der Mutter das Versprechen gegeben, den Täter zu finden. Und er weiß, dass dieser Mann es nicht war…

Das Publikum lernt den wahren Mörder kennen, ist erschüttert, wie dessen reiche Mutter (Bettina Soriat) bereit ist, dessen Verbrechen zu decken, und erlebt zum Finale des achtzigminütigen, pausenlosen Abends, warum der Kommissar trotz aller Bemühungen sein Versprechen nicht halten kann.

Das alles läuft extrem trocken, in düsteren Bildern über die Bühne, interessiert wenig, auch nur einzelne Schauspielerleistungen (Jörg Stelling, Christoph Prückner vor allem in der Angler-Szene) vermitteln das Profil ihrer Rollen.

Das ist kein echter Krimi, das ist kein Psychothriller, das ist keine Schweizer Kleinstadttragödie und auch nicht die Geschichte eines besessenen Polizisten. Das ist nur Düsternis, die nichts von der schönen Unheimlichkeit des Films hat.

Renate Wagner


BIEL/ SOLOTHURN: HERZOG BLAUBARTS BURG von Bela Bartok in der Bearbeitung von Eberhard Kloke. Uraufführung

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Béla Bartók/Eberhard Kloke: Herzog Blaubarts Burg, TOBS, Stadttheater Biel, Uraufführung: 14.02.2020

 

„Regisseure müssen mehr ans Publikum denken.“

Mit der Uraufführung der Bearbeitung von Bela Bartoks «Herzog Blaubarts Burg» durch Eberhard Kloke (erst möglich, nachdem die Schutzfrist für Bartóks Oper Ende 2019 ausgelaufen ist) wird Theater Orchester Biel Solothurn seinem Ruf als innovatives Haus einmal mehr voll und ganz gerecht.

In einem Interview mit der Berner Zeitung „Der Bund“ auf die guten Zahlen seines Hauses angesprochen, erwähnt Intendant Dieter Kägi das Vertrauen des Publikums in die Arbeit des Hauses. Auf die Arbeit des Regisseurs angesprochen, der im Zwiespalt zwischen konventioneller und moderner Inszenierung ja doch nur verlieren könne, erwähnt er, dass die Geschichten für das Publikum, ob jung oder alt nachvollziehbar bleiben müssen, die Originale nicht vorausgesetzt werden können. Oft werde das Naheliegendste vergessen: Regisseure müssten mehr ans Publikum denken. «Ein Regisseur muss genau wissen, was er tut, wenn er dem Gesang seine eigenen Ideen überstülpt.»

Die Aufführung ist ein Herzensprojekt von Dieter Kägi und so hat der Hausherr gleich selbst Regie geführt. Gespielt wird die neue, für kleinere Theater reduzierte Orchester-Fassung. Blaubart steht als Massenmörder (Miteinbezug von Marschall Gilles de Rais, dem historischen Vorbild für Blaubart) im Fokus von Kägis Inszenierung. Francis O’Connor (Bühnenbild und Kostüme) hat Kägi dafür ein Kellerverlies geschaffen, in dem Blaubart Judit gefangen hält. Die Kinderzeichnungen an den Wänden, der heruntergekommene Eindruck der Örtlichkeit wie auch die Video-Sequenzen (Video: Fintan O’Connor) zu Anfang und Ende der Aufführung legen nahe, dass Judit längst nicht Blaubarts erstes Opfer ist.


Foto: Konstantin Nazlamov

Kägi erzählt, soweit man bei den Freiheiten die das Libretto lässt, überhaupt davon sprechen kann, die Geschichte eng am Libretto: Der Sprecher ist bei ihm, als Element der Verfremdung, Blaubart in jungen Jahren, der hier schon einen Teil jener Aufnahmen erstellt hat, mit dem er Judit dann missbrauchen beziehungsweise erpressen wird.


Foto: Konstantin Nazlamov

Christian Manuel Oliveira, schon vor Beginn der Aufführung auf der Bühne, spricht den Prolog gut verständlich und bleibt im Verlauf des Stücks (mit Unterbrüchen) als Beobachter auf der Bühne. Katerina Hebelkova gibt eine überragende Judith. Als starke Frau folgt sie Blaubart in seine Burg und muss dann die Enttäuschungen erdulden. Eindrücklich gestaltet Hebelkova eine erwachende Zuneigung und den Zwiespalt zwischen dem Opfer, das Blaubart nicht entfliehen kann, und der Liebenden, die Blaubart willentlich folgt. Mischa Schelomianski singt einen im ersten Moment recht blassen Blaubart, der dann aber gerade durch das Verhaltene in der Gestaltung seine Bösartigkeit gewinnt. Shirin Patwa, Marion Noëlle und Trudi Ryser-Marti (Statisterie TOBS) spielen Blaubarts frühere Frauen.

Das Sinfonie Orchester Biel Solothurn unter Kaspar Zehnder hat einen weiteren grossen Abend und bringt die ihm gewissermassen massgeschneiderte Bearbeitung farbig und nuancenreich zur Aufführung.

Ein eindrücklicher Abend!

Jan Krobot

Aufführungsdaten Biel:

So. 16.02.20, 19:00; Di. 03.03.20, 19:30; Fr. 06.03.20, 19:30; Di. 24.03.20, 19:30;

Mi. 01.04.20, 19:30; Fr. 03.04.20, 19:30.

Aufführungsdaten Solothurn:

Do. 20.02.20, 19:30; Mi. 26.02.20, 19:30; Fr. 13.03.20, 19:30; Sa. 14.03.20, 19:00.

 

WIEN/ Volksoper: GYPSY – Musical von Jule Styne und Stephen Sondheim. Derniere

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GYPSY – Musical von Jule Styne und Stephen Sondheim – Wiener Volksoper, 15.2.2020

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Da ich seinerzeit bei der Premiere leider verhindert war, die Berichte darüber aber mehr als erfreulich waren, habe ich nun die letzte Vorstellung der heurigen Serie besucht und einen durchaus positiven Abend im Haus am Währinger Gürtel erlebt.

Das 1959 uraufgeführte Stück mit Texten von Stephen Sondheim (Lieder) und Arthur Laurents (Dialoge) sowie der Musik von Jule Styne ist ein  Musical nach der guten alten Broadway-Tradition mit einer vielfältigen und sehr schwungvollen Musik sowie einer humorvollen, aber auch von tiefen Gefühlen geprägten Handlung.  

Im Grunde wird die Geschichte einer ehrgeizigen Mutter erzählt, die selbst vergeblich von einer Künstler-Karriere geträumt hat und das nun ihren Töchtern mit einer Vaudeville-Nummer ermöglichen möchte. Aber natürlich läuft es nicht so. Die eine – talentiertere – Tochter springt ab und wird Schauspielerin. Die andere Tochter wird zwar zum Star, aber nicht so, wie die Mutter sich das vorgestellt hat. Sie ist eine Stripperin geworden.

Die Aufführung in der Regie von Werner Sobotka und der Austattung von Stephan Prattes (Bühnenbilder) und Elisabeth Gressel (Kostüme) hat viel Schwung und viel dezenten Hunor. Als leise Kritik sei angemerkt, dass man die Dialoge hätte etwas straffen können.

Im Zentrum der Handlung steht natürlich Mama Rose und diese wird von Maria Happel grossartig dargestellt. Dank ihrer grossen Persönlichkeit und ihrer Bühnenpäsenz trägt sie ohne Zweifel diesen Abend. Auch die Songs gelingen ihr sehr gut. Lisa Habermann spielt und singt die weniger talentierte Tochter Louise sehr berührend und stellt die Verwandlung zum Star sehr glaubhaft dar. Marianne Curn als die andere Tochter June ist in erster Linie eine großartige Tänzerin und Sängerin. Toni Slama ist als getreuer Freund Herbie die vielleicht berührendste Figur des Abends. Peter Lesiak spielt und singt den Tulsa durchaus imponierend. Eine ausgezeichnete Leistng bietet wieder einmal der großartuge Christian Graf als Tranvestit Tessie Tura. Allen übrigen Mitwirkenden sei ein Pauschallob ausgesprochen.

Das Orchester unter Lorenz C. Aichner spielte mit viel Schwung und Elan.

Am Ende gab es viel Applaus für alle Mitwirkenden.

Heinrich Schramm-Schiessl

WIEN/ Staatsoper: ELEKTRA

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Simone Schneider (Chrysothemis). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN/ Staatsoper: ELEKTRA am  15.2. 2020

Das Merker-Amt sieht sich bisweilen mit einer gewissen Befangenheit konfrontiert, immer dann nämlich, wenn zu unmittelbar zurückliegenden Vorstellungen aus dem Kollegenkreis bereits überaus positive, ja beinahe euphorische Kommentare vorliegen, und wenn trotzdem nach wenigen Minuten eigenen Erlebens klar wird, dass sich diese Euphorie bei einem selbst nicht vorbehaltlos einstellen wird.

Das wird zunächst an der musikalischen Auffassung von Semyon Bychkov gelegen haben, der den umfangreichen Apparat aus Orchester und Chor der Wiener Staatsoper (letzterer einstudiert von Martin Schebesta) sowie die Schar der Solisten über die Subtilität der Partitur hinweg, dynamisch wenig differenziert in einer Lautstärke, die niemals unter das Mezzoforte ging, durch den Abend führte. Unwillkürlich wurde man das „Gänsebraten“-Bonmot erinnert, das Christian Thielemann im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der „Frau ohne Schatten“ geprägt hat, und das sich wohl auch auf diese „Elektra“ anwenden ließe …


Christine Goerke. Garderobenselfie auf Instagram

Am meisten durch den ungezähmten Einheitsklang in Bedrängnis gebracht wurde die Elektra von Christine Goerke, die trotz unüberhörbarem Kraftaufwand phasenweise unhörbar blieb. Überhaupt konnte die amerikanische Sopranistin die in sie gesetzten Erwartungen (zumindest an diesem Abend) nicht erfüllen. Denn selbst wenn man die Beeinträchtigung, welche ihre Bühnenerscheinung durch das unvorteilhafte Kostüm erfuhr, in Rechnung stellt, bleibt ihre Atriden-Tochter verhalten und auch im großen Ausbruch seltsam temperamentlos. Stimmlich lässt sie gelegentlich in der Tiefe und der unteren Mittellage wuchtige Töne hören, die sie als Klytämnestra gut gebrauchen könnte. Ansonsten ist vieles unsauber intoniert, mal kehlig, mal scharf, die Höhen in der Attacke kommen unfrei und stumpf, die Sprache, in der gesungen wird, kann man nur erraten. Mit den großen Interpretinnen, die man in Wien in dieser Produktion zu Gesicht bekam, wie Stemme oder Herlitzius, kann sie so jedenfalls nicht mithalten (schon gar nicht, wenn man den Betrachungshorizont noch weiter, über Marton und Jones hinweg zurück bis zu Nilsson, spannt).

Wesentlich Erfreulicheres ließen dafür Elektras Geschwister von sich hören. So ist Simone Schneider eine souveräne, höhensichere Chrysothemis, wie man sie am Ring tatsächlich lange nicht erlebt hat, und Michael Volle gestaltet die Rolle ihres Bruders mit einem kräftigen, maskulinen Bariton, von dem man gerne einen Holländer oder Ähnliches hören würde.

Waltraud Meiers steht mit ihrer Klytämnestra unterdessen in der Tradition vieler namhafter Kolleginnen, denen diese Rolle noch die Möglichkeit bot, sich am Ende einer großen Karriere  ihrem Publikum zu präsentieren. Dabei ist es wirklich bemerkenswert, wie es ihr noch immer gelingt, durch intelligentesten Einsatz der begrenzten stimmlichen Mittel, vor allem aber durch prägnanteste Artikulation und eine ungeheure Körpersprache das packende Profil einer alten, von ihren Alpträumen geplagten, keinesfalls aber ihrer hoheitlichen Würde beraubten Königin von Mykene zu zeichnen. Respekt. Norbert Ernst war ihr ein stimmlich solider „Buhle“ und Usurpator des Thrones ihres ermordeten Gatten. Bei den zahlreichen kleinen und kleineren, wenngleich im Detail ebenfalls sehr anspruchsvollen Partien zeigte das Haus, auf welchem vermutlich beispiellosen Niveau es solche Rollen besetzen kann.

Ein ordentlicher Repertoire-Abend also, kein Anlass für ausufernde Begeisterung (außer vielleicht über die Tatsache, dass es für die Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg  wenigstens gerüchteweise die letzte Reprise war), für die zahlreich – teilweise sogar mit ihren halbwüchsigen und noch kleineren Kindern – erschienenen Touristen aber möglicherweise die längsten anderthalb Stunden ihres Lebens.

Valentino Hribernig-Körber

WIEN/MuTh: THE BENNY GOODMAN-STORY im Zyklus „Schorny in the Muth

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Foto: Moritz Schell

WIEN/MuTh: „The Benny Goodman Story“ im Zyklus „Schorny in the Muth“

Ein weit gesteckter musikalischer Rahmen

15.2. 2020 – Karl Masek

Benny Goodman (1909-1986) war ohne Zweifel einer der erfolg- und einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts. In Chicago als Sohn armer jüdischer Emigranten geboren, bestritt er seinen Lebensunterhalt bereits mit 12 Jahren als Jazzmusiker. Er gilt bis heute als Mitbegründer des Swing,  prägte früh mit seiner legendären Bigband die amerikanische Musikszene. Er eroberte als erster Jazzer 1938 die bis dahin den Größen der klassischen Musikszene vorbehaltene Carnegie Hall in New York. Perfektionist, zugleich ausgestattet mit  absoluter Hingabe an die Musik und dem Wissen um ihre emotionale Wirkung auf das Publikum, machte er rasch Weltkarriere. Sein Einsatz für die Gleichberechtigung schwarzer und weißer Musiker machte ihn gleichzeitig zu einem Vermittler zwischen Stilen und Kulturen. Komponisten der Klassikszene wie Aaron Copland und Béla Bartók sowie der Komponist zwischen beiden Welten, Morton Gould (1913-1996) widmeten Benny Goodman Kompositionen, die zum Schwierigsten zählen, was für Klarinette geschrieben wurde…

Der weit gesteckte musikalische Rahmen dieses Konzerts begann mit Morton Gould und  Benny’s Jig für Klarinette und Kontrabass, 8 kleinteiligen Piecen, die klangliche und rhythmische Bausteine wie in einem musikalischen Setzkasten wunderbar zusammenfügen. Bei Aaron Copland bestellte Goodman, der auch mit Mozarts Klarinettenquintett KV 581 und dem Klarinettenkonzert KV 622 brillierte, ein Klarinettenkonzert. Aber auch das Sextett für Klarinette, Streichquartett und Klavier aus dem Jahr 1937 stammt von Copland. Eine Art „Apotheose des Rhythmus“ im Kopfsatz (Allegro vivace) und im Finale (Precise and rhythmic). Extra dry die Machart, pfiffig gesetzt, sehr spitz, sehr staccato, voll witziger Einfälle und schräger Überraschungen. Darin eingebettet ein klangflächiges Lento, ein bewusster Ruhepunkt zwischen dauernden Taktwechseln, Staccato-Gewittern und Synkopen in Permanenz.

Die Virtuosität des King of Swing  brach sich vor allem in 2 hinreißend swingenden Stücken nach der Pause Bahn: Clarinade und Rachel’s Dream, eine Gemeinschaftsproduktion mit Mel Powell (1923-1998). Das letztere Stück wurde von Goodman anlässlich der Geburt seiner Tochter komponiert.

Höhepunkt des Abends aber waren die Kontraste für Klarinette, Violine und Klavier, die Béla Bartók in seinem letzten Lebensabschnitt schrieb, schon während der Emigration in Amerika, von Benny Goodman inspiriert.

Auch Bártóks Kontraste leben von Tempowechseln. Der erste Satz, Verbunkos, ist der Tanz, den Rekruten zu ihrer Vereidigung zelebrieren. Bei Bártók klingt jedoch kontrastreich beides an: jazzige Rhythmen und Volksmelodien, schräg gebrochen, aus der alten Heimat. Auch hier ist der Mittelsatz, Pihenö (was so viel heißt wie „Entspannung“) ein subtil gearbeiteter Ruhepunkt – um mit dem schnellen Tanz Sebes entfesselt zu schließen.

Iren Seleljo (Klavier), Fedor Rudin (Violine), Matthias Schorn (Klarinette), August Zirner (Lesung) C: Andrea Masek

Der philharmonische Meisterklarinettist Matthias Schorn (der „Schorny“) war in allen diesen Stücken inspiriertes Kraftzentrum und musikalisch mitreißendes Energiebündel. Für diesen Abend (den dritten im Zyklus 2019/20, „Schorny in the Muth“ mit seinen Wanderungen zwischen den Musikwelten Klassik und Jazz) tat er sich wieder einmal zusammen mit Lehrenden und Studierenden der Musik und Kunst Privatuniversität. Und es wurde wieder ein Musterbeispiel an Spielfreudigkeit, an hinreißender, beglückender Musizierlust. Fedor Rudin und Julia Turnovsky (Violine), Gabriel Iscuisatti (Viola), Clemens Boigner (Violoncello), Gustavo D’Ippolito (Kontrabass), Iren Seleljo und Arsenje Krstić (Klavier), sie alle verdienen eine Ovation!

Die Texte zur Benny Goodman-Story stammen vom Kulturjournalisten Michael Laages. Sie gehen ein auf die Kindheit des Emigrantenkindes  Benny, auf sein Naturtalent und auf die Zufälle, die ein Leben mit unverhofften Wegen, Ecken und Kreuzungen beeinflussen. „Hätte ich nicht die Begegnung mit der Klarinette gehabt, wer weiß, vielleicht wäre ich ein Gangster geworden…“ lässt er Goodman „sagen“. Aber auch darum, was ist eigentlich Jazz? Ist das überhaupt Musik? geht es. So lässt Laages so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Wilhelm Furtwängler oder den sich mit apodiktischen Meinungen sakrosankt dünkenden Theodor „Wiesengrund“ Adorno räsonieren. August Zirner serviert diese Texte mit emotionaler Beteiligung, aber auch lakonisch und mit subtiler Ironie.

Das Benny Goodman Orchestra spielte immer mit großem Sentiment die tieftraurige Nummer „Goodbye“ von Gordon Jenkins zum Ende ihrer Konzerte. So war es auch im MuTh: In der Bearbeitung für ein Sextett (im Arrangement von Jarkko Riihimäki). Gab’s die eine oder andere verstohlen zerdrückte Träne? Sogar eine kleine Überraschung bei der Zugabe: Bis auf den Pianisten hörten auch auf dem Podium alle gebannt zu, als August Zirner mit einer Miles-Divies-Improvisation zeigte, dass er (nicht an der Trompete, aber an der Querflöte!) ein begeisterter Jazzer ist!

Starke Akklamation für einen besonderen Abend.

Karl Masek

SAALFELD/ Meininger Hof/Lyric Opera Studio Weimar: DON GIOVANNI. Premiere

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Costas Tsourakis (Don Giovanni), Dennis Ryan (Komtur). Foto: Anke Neugebauer /Theater Rudolsstadt

Saalfeld Meininger Hof/ Lyric Opera Studio Weimar/ „Don Giovanni“- Premiere 15.02.2020

 Don Giovanni als Lebemann der „Goldenen zwanziger Jahre“

Wie würde Damon Nestor Ploumis, Gründer und Leiter des Lyric Opera Studios Weimar, die Geschichte von Affekten und Leidenschaften, das Hell und Dunkel dieser Story aus dem Spanien des 16. Jahrhunderts auf die Bühne des „Meininger Hofes“ im 21. Jahrhundert bringen? Den Zuschauern des Theaters Rudolstadt sind die Aufführungen des Weimarer Opernstudios gut bekannt. Erfolge in den vergangenen Jahren wie: „Die lustigen Weiber von Windsor“, „Così fan tutte“ oder „La Cenerentola“ sind den Besuchern noch in lebhafter Erinnerung.

 

Die Regie

Damon Nestor Ploumis versetzt die Operngeschichte in die „Goldenen zwanziger Jahre“ in Deutschland. Für ihn ist das eine Zeit des Umbruchs, eine Umwertung bisheriger Werte und die Schaffung neuer Formen. „Das alte Morsche ist zusammengebrochen…“ (Scheidemann zur Gründung der 1. Republik)  es ist schon Geschichte und doch gibt es immer noch Vertreter dieses Ancien Régime im Sinne einer vergangenen Welt. Ploumis fokussiert die Inszenierung auf den Gegensatz von alter Welt und noch nicht entwickelter neuer Zeit. Für ihn ist Don Giovanni ein Mann, der die alte Welt verneint, aber neue Sinn-Formen nicht findet. Dafür verlegt er sich allerdings auf Stimulation durch immer neue Genüsse. Seine immer neuen Abenteuer bedeuten seine Lebensenergie. Dass er sich gerade nicht beschränken lässt, daraus schöpft er immer wieder neue Lebens-Impulse. Das Spiel mit Amouren und Gefahren wird sein Elixier. Doch die Dosis muss immer wieder gesteigert werden. Und so sucht Don Giovanni den ganz großen Kampf, nämlich den mit dem Göttlichen. Bei Ploumis schlittert er nicht irgendwie hinein in die Katastrophe, nein, er will die direkte Konfrontation. Denn die normal-menschlichen Gegner sind ihm schon „fad“. Ganz im mozartischen Sinne des „drama giocoso“ verbindet Ploumis Dämonie und Leichtsinn, Tiefsinn und Heiterkeit zu einer mitreißenden Tragikomödie, die allen Zuschauern verständlich wird, weil sie ins Allgemeingültige hineinwächst. Auf der Klaviatur einer künstlerischen Universalsprache spielt die Ploumis-Inszenierung verschiedenste Töne beim Publikum an. Dabei ist sein Regiestil temporeich und expressiv, eben wie die „Zwanziger Jahre“ es gewesen sind. Bei den Akteuren auf der Bühne schafft er Gegensatzpaare nicht nur zwischen Don Giovanni und dem Komtur, sondern auch zwischen ihm und seinen Opfern, aber auch zwischen einzelnen Protagonisten insgesamt. Meisterlich spielt er dabei mit den Ausdrucksformen der Commedia dell’arte und verbindet allerdings Typentheater mit sehr individuellen Charakteren. Dieses überzeugende Spiel ermuntert die Zuschauer immer wieder zu Szenenapplaus und lässt sie jede Sekunde mitfiebern.

 

Die Bühnengestaltung und Kostüme

hat Monika Maria Cleres entworfen. Sie erschafft auf einer relativ kleinen Bühne ein Kaleidoskop der „Goldenen Zwanziger“. Die Damen tragen den typischen Pagenschnitt und die Kleider dieser Zeit. Auch bei den Herren passt alles. Typische Anzüge und Mützen, Hüte und Schuhe ist ihre perfekte Ausstattung. Nur der Komtur ist „old-fashioned“ und kommt in einer älteren preußischen Uniform daher.

 

Die Sänger des Lyric Opera Studios Weimar

sind an diesem Premierenabend alle sehr gut. Costas Tsourakis als Don Giovanni parliert mit seinem griechischen Temperament. Exzentrisch und aus einer unendlichen Lebensfülle schöpfend, überschüttet er das Publikum mit seiner Spielfreude. Aber auch als tragischer Verlierer bleibt er glaubhaft. Er verbindet feinsinnigen Witz mit kraftvoll überschäumender Sinnenfreude. Assistiert wird ihm von Tim Bagley als Leporello, ein Bass-Bariton mit schönem Timbre und viel Volumen in der Stimme. Er spielt mal witzig süffisant und mal den trottlig Unterlegenen. Schon nach den ersten Tönen hat er die Gunst des Publikums gewonnen. Ebenso gelingt das Stéphanie Guérin als Zerlina. Mit ihrem Mezzosopran verzaubert sie schnell das Publikum und dazu gibt es von ihr noch erotischen Esprit, da schlagen die Männerherzen höher, nicht nur im Stück. Auch Meagan Reimer Larios gelingt es als Donna Elvira sich in die Gunst der Zuhörer mit ihrem Mezzo zu singen. James Hogan als Don Ottavio zeigt sich als drahtiger Tenor. Scott Hetz Clark brilliert in seiner Rolle als Masetto und legt auch einen kleinen Stunt hin, als ihn Don Giovanni reinlegt und hinschubst. Alyson Spina spielt die Rolle der Donna Anna mit viel innerer Überzeugung und treffendem Ausdruck. Pointiert charakterisiert sie damit die liebende Tochter des Komturs. Dennis Ryan lässt das Publikum mit seinem kräftigen Bass erzittern und erschauern. Besonders in der Szene, wo er Don Giovanni in die Hölle befördert, vermag er die Dramatik unglaublich zu steigern. Das erreicht er mit seiner puren Anwesenheit und seiner erschütternden Stimme. In diesem Moment gab es im Saal wohl niemanden, der keine Gänsehaut bekam. Verstärkt wurde der Auftritt durch Verdunkelung und Nebelschwaden auf der Bühne und entsprechendes Licht. Den Schluss rundete ein wirklich gelungenes Sextett ab. Auch der Chor, bestehend aus allen Teilnehmern des Kurses, ließ durch passende Spieleinlagen und sängerisches Können die Premiere zum Erfolg werden. Zum Prinzip des Opernstudios gehört es übrigens, die Hauptrollen in den weiteren Vorstellungen zu tauschen, damit alle Teilnehmer einmal eine geeignete Solo-Partie singen können. Die Solisten wiederum dürfen Chorerfahrung sammeln. So entsteht eine echte Gemeinschaftsarbeit.


Scott Hetz Clark (Massetto), Stéphanie Guérin (Zerlina). Foto: 

Orchester und Dirigent

Die musikalische Leitung des Abends liegt in den Händen von Oliver Weder. Er zeigt vor allem bei den dramatischen Szenen die Fähigkeit, die Spannung ständig zu steigern und dabei ein präzises Wechselspiel mit den Sängern herzustellen. Auch bei den Arien können sich die Sänger immer auf ihn verlassen. Die Einsätze sind auf den Punkt genau. Die Thüringer Symphoniker Saalfeld-Rudolstadt geben dieser Premiere nicht nur einen wohltemperierten Musikfluss, sondern die dramatische Kraft, die für dieses Mozart Werk nötig ist. Gemeinsam mit dem Regisseur hat sich Weder für die längere „Wiener-Fassung“ entschieden, weil diese zusätzlich viele schöne Arien wie „Mi tradi“ bietet.

 Die Probenarbeit zur Inszenierung wurde durch die Klavierbegleitung von: Cheuky Chan, Tackyoung Chung, Soojeong Kwon und Ka Man Tsang unterstützt. Einstudierung und Regieassistenz hatte Matthew Jack Knight übernommen.

Fazit: Diese Inszenierung ist sehens- und hörenswert, denn dem Charme dieser jugendlich frischen Spielweise kann sich niemand entziehen. Die unterhaltsame und spritzige Regie von Damon Nestor Ploumis wird zu einem neuen Höhepunkt im Spielplan des Theaters Rudolstadt. In der Spielstätte „Meininger Hof“ werden viele Nachmittagstermine angeboten, so dass Senioren, aber auch Schulklassen gute Chancen haben, eine richtig frische Mozart-Aufführung zu sehen. Die ausgesprochen freundliche Atmosphäre, die vom Personal des Hauses ausgeht, lädt zusätzlich in diese gastliche Spielstätte ein.

Larissa Gawritschenko und Thomas Janda

MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: TOSCA. Ein spektakulärer Opernabend!

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Anja Harteros in der Titelrolle. Foto: Wilfried Hösl/ Bayerische Staatsoper

München: Bayerische Staatsoper: „TOSCA“, 15.02.2020:

Ein spektakulärer Opernabend!

In den letzten Wochen erweist die Bayerische Staatsoper Giacomo Puccini mit spektakulär besetzten Aufführungen von „Turandot“ und „Tosca“ Reverenz. Ende Januar gab Anna Netrebko ihr fulminantes Debut als Turandot. Der Gesamteindruck dieser Vorstellungen litt jedoch ein wenig an der nicht ganz homogenen Ensembleleistung. Anders in der „Tosca“-Aufführung am 15.02. Alle drei Hauptpartien waren so hochkarätig besetzt, wie man es sich besser kaum vorstellen kann, und das Publikum erlebte mit diesen außergewöhnlichen Künstlern einen spannenden und mitreißenden Opernabend wie er nicht alle Tage vorkommt.  

Im Zentrum stand Erwin Schrott als eleganter, aristokratischer Scarpia, der trotz aller Contenance seine Leidenschaft für Tosca nur schwer unterdrücken kann. Dabei behält dieser zynische, machtbewusste Mann gerade noch so viel Selbstbeherrschung, dass er zu jeder Zeit die Oberhand im Kampf der Emotionen behält und sein grausames Spiel mit Tosca und Cavaradossi bis zum bitteren Ende durchziehen kann. Erwin Schrott schuf diesen faszinierenden Charakter sowohl mit seiner bühnenbeherrschenden Persönlichkeit und nuancierten Schauspiel, als auch mit seiner kraftvollen, aber dennoch flexiblen, warmen und weichen Stimme. Mit diesem Scarpia zog er nicht nur die Zuschauer in seinen Bann, sondern inspirierte auch seine Kollegen zu selbst für ihre Verhältnisse außergewöhnlichen Leistungen. Gerade der zweite Akt wurde so zu einem Psychothriller, der dem Publikum den Atem raubte. Anja Harteros war eine selbstbewusste, verführerische und leidenschaftliche Tosca, die die romantische Liebe zu Cavaradossi genießt und sie mit aller Macht, großem Mut und in wilder Verzweiflung zu retten versucht. Dabei verliert sie auch im größten Kampf mit Scarpia nie ihre Würde und geht aus dem Duell letztlich als Siegerin hervor. Zu Beginn des ersten Aktes sang Anja Harteros einige Passagen nicht ganz so unangestrengt und mühelos wie man es sonst von ihr kennt. Sie fand jedoch schnell zu ihrer gewohnten Form und begeisterte das Publikum mit ihrer feinen, in der Höhe wunderbar aufblühenden Stimme sowie ihrer gefühlvollen musikalischen Gestaltung.


Joseph Calleja. Foto: Wilfried Hösl/ Bayerische Staatsoper

Dritter im Bunde der herausragenden Protagonisten war Joseph Calleja als Cavaradossi. Er sang die Partie mit seinem wunderbar klangvollen, raumfüllenden, weich fließenden Tenor, der frei von jeglichen Schärfen ist. Wie immer wirkte seine wohldurchdachte Phrasierung völlig natürlich ohne Manierismen oder Effekthascherei und lag im natürlichen Fluss der Musik. Es war ein Genuss, ihm zuzuhören! Durch seine starke Bühnenpräsenz war er ein ernstzunehmender Gegner für Scarpia und trug so auch zur Spannung im zweiten Akt bei.

Andrea Battistoni leitete das Bayerische Staatsorchester. Zusammen mit den Musikern fand er im Lauf des Abends zu einer glutvollen und leidenschaftlichen musikalischen Gestaltung. Zu Anfang nahm er zum Teil sehr langsame Tempi und schuf zu starke dynamische Kontraste, was allzu pathetisch wirkte. Dies legte sich jedoch im Verlauf des ersten Aktes. Die kleinen Unstimmigkeiten zwischen Orchester und Sängern werden in den folgenden drei Aufführungen sicher auch noch verschwinden. Die Nebenrollen waren mit Bálint Szabó als Angelotti, Martin Snell als Mesner, Kevin Conners als Spoletta sowie Christian Rieger als Sciarrone angemessen besetzt. Das Publikum, das der Vorstellung fasziniert und atemlos gefolgt war, machte seiner Begeisterung am Ende durch jubelnden Applaus Luft. Ein spektakulärer Opernabend, den man so schnell nicht vergessen wird!

Gisela Schmöger  

ST. GALLEN/ Theater: LA BELLE HÉLÈNE von Jaques Offenbach

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Jacques Offenbach: La Belle Hélène, Theater St. Gallen, Vorstellung: 16.02.2020

 (12. Vorstellung seit der Premiere am 07.12.2019)

 «Ein Apfel ist ein Apfel. Und eine Birne ist eine Birne»

 «Und Champagner ist Champagner», ist man geneigt die Unterhaltung der beiden Ajaxe zu Beginn des 3. Aktes fortzuführen, «und der perlt so, wie der Offenbach des Sinfonieorchester St.Gallen.» Dirigent Nicolas André entlockt dem in kleiner Besatzung, im Graben fast etwas verloren wirkenden Orchester einen schlichtweg phantastischen Offenbach. Immer leicht, rhythmisch pointiert und perfekt ausgewogen ohne auch nur je einen Augenblick uninspiriert oder akademisch-blutleer zu wirken. Ein besonderes Lob geht an die Solisten der einzelnen Instrumentengruppen.

Die beiden weiteren Kollektive sind ebenfalls zu loben. Sabine Arthold hat den Chor des Theaters St.Gallen (Choreinstudierung: Michael Vogel) und die Tanzkompanie des Theaters St.Gallen absolut stimmig und werkgerecht choreographiert. Die mal mehr, mal weniger bewegten tänzerischen Einlagen passen jeweils bestens zur Musik ohne einstudiert oder übertrieben zu wirken.

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Bild: Andreas J. Etter

Die Mezzosopranistin Marie-Claude Chappuis gibt mit samtenen, vollen Tiefen, bestens sitzenden Höhen und tadelloser Diktion in beiden Sprachen (gesungenes Französisch, gesprochenes Deutsch) eine hervorragende Helena. Gustavo Quaresma hat als Paris einen traumhaften Nachmittag erwischt. Mit seinem technisch bestens ausgebildeten, farbenreichen Tenor braucht er mit strahlenden, kräftigen Höhen nie zu geizen. Riccardo Botta singt den perfekten Menelaos: obwohl er zu weit mehr fähig wäre, ist er, wie vom Libretto intendiert, auch stimmlich ein Waschlappen. Kraftvoll heldisches Singen wäre hier völlig fehl am Platz. Carine Séchaye ist ein sehr jugendlicher Orest und überzeugt mit ausserordentlich lebendigem Spiel. David Maze ist als Kalchas annähernd omnipräsent und eine feste Bank im Ensemble des Theaters St.Gallen.

Das Ensemble, das sich an diesem Nachmittag gegenseitig zu Höchstleistungen antreibt, wird ergänzt durch Shea Owens als Agamemnon, Nik Kevin Koch als Achilles, Eva Zalenga als Leaena, Tatjana Schneider als Parthenis, Anton Leiss-Huber und Bruno Riedl als Ajax Eins und Ajax Zwei und Pascale Pfeuti als Bacchis.

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Bild: Andreas J. Etter

Die Inszenierung von Ansgar Weigner überzeugt auch beim Wiedersehen in ihrer harmonischen Ausgewogenheit. Mit wenigen Versatzstücken auf der Bühne (Jürgen Kirner) und vieldeutigen Kostümen (Kristopher Kempf) erhält der Zuschauer reichlich Freiraum für eigene Assoziationen. Die satirischen Einfälle sind weder schenkelklopferisch-banal noch überdreht.

Weitere Aufführungen:

Montag, 24. Februar 2020, 19:30-22:00; Mittwoch, 26. Februar 2020, 19:30-22:00;

Mittwoch, 4. März, 19:30-22:00; Sonntag, 15. März, 19:00-21:30; Freitag, 22. Mai 2020, 19:30-22:00.

 

16.02.2020, Jan Krobot/Zürich


LINZ / Brucknerhaus / Großer Saal: Sonntagsmatinee mit Michi GAIGG, Midori SEILER  & dem L’ORFEO BAROCKORCHESTER

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L’Orfeo-Barockorchester. Copyright: Waltraud Dandler

LINZ / Brucknerhaus / Großer Saal: Sonntagsmatinee mit Michi GAIGG, Midori SEILER  & dem L’ORFEO BAROCKORCHESTER

Von der Essenz der Musik

16.2. 2020 – Karl Masek

Die Sonntagsmatineen im Brucknerhaus Linz kommen, so scheint es, besonders gut an beim Linzer Publikum. Der Große Saal war brechend voll, das 1996 von Michi Gaigg gegründete oberösterreichische  L’Orfeo Barockorchester bestritt ein Heimspiel, das herzlich akklamiert wurde. Auf dem Programm: Mozart, Beethoven, Schubert. Und doch ging es nicht um ein bloßes Wunschkonzert-Programm, das mit applaustreibenden  „Glitzer-&-Glamour“-Effekten abgespult wurde. Ganz im Gegenteil! Von der Essenz der Musik erfuhr man sehr, sehr viel an diesem Vormittag!

Was natürlich erwartbar war, wenn auf dem Programmzettel neben dem vielfach ausgezeichneten Orchester die Namen Michi Gaigg und Midori Seiler stehen!

Die Dirigentin Michi Gaigg: geboren in Schörfling am Attersee, mit prägender Ausbildung in der Hochschule Mozarteum Salzburg (v.a. Barockvioline), entscheidende Impulse kamen von Nikolaus Harnoncourt. Zwei Orchestergründungen. Langjährige Professur für Alte Musik und Historische Aufführungspraxis an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz (1994-2017). Intendanz der „donauFESTWOCHEN“, vielfältige CD- und DVD-Aufnahmen. Gastspiele u.a. bei den Salzburger Festspielen, zuletzt ein viel beachtetes Debüt in der Elbphilharmonie Hamburg…

Die Violinistin Midori Seiler: in Osaka in eine Musikerfamilie hineingeboren – beide Eltern Pianisten, die Mutter Japanerin, der Vater aus Bayern. Kosmopolitisch aufgewachsen und ausgebildet in Salzburg, schlussendlich in  Basel, London, Berlin. Neben der solistischen Laufbahn ist sie eine besonders geschätzte Pädagogin, um die sich Student/innen in den Hochschulen  Mozarteum Salzburg und Weimar geradezu reißen. Künstlerische Leiterin des „BachCollektivs der Köthener Bachfesttage“…

Das Programm im Detail: Es begann mit Wolfgang Amadeus Mozart und seiner Sinfonie Nr. 33, B-Dur,  KV 319. Vom ersten Einsatz an: Klarheit und Durchsichtigkeit des Klanges. Alles schlank, von federndem Schwung.  Sachbetont, zugleich mit menschlichem Puls. Mit der Rhetorik musikalischer Klangrede, von Harnoncourts Intentionen gestreift. Akzente kommen allerdings nicht mit der Schroffheit des charismatischen Mentors, sondern mit subtilem Sforzato oder angetipptem Fortepiano.  In der Tempowahl betont Michi Gaigg jeweils das zweite Wort. Ein Andante moderato wird nie zu einem quasi Adagio verschleppt. Allegro assai wird tatsächlich ziemlich rasch und hurtig genommen. Die Musik hat Rundung, sie fließt mäandernd, klingt apart und zart, aber nicht verzärtelt.  Gaigg hat es keinen Augenblick lang nötig,  dirigentische Selbstdarstellung walten zu lassen, auf die „Gefühligkeitstube“ zu drücken oder sich auf einem  Akzent „auszuruhen“. Sie hält permanenten Kontakt zu jedem Orchestermitglied, und ihre Zeichen scheinen von den Fingerspitzen die Direttissima zu den Streicherbögen, zur Lippenspannung bei den Bläsern zu nehmen. Folge: perfekte Klangrede, gelöstes Spiel. Schade nur, dass die Hörner sich eine Matinee lang nicht so recht von einer ungünstigen Vormittagsdisposition (mit etlichen  heiseren Ansätzen) befreien konnten…

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Midori Seiler. Foto: Maike Helbig

Midori Seiler verlieh dem Konzert für Violine und Orchester Nr. 3, G-Dur, KV 216 aus dem Jahr 1775 galante Eleganz, eine Leichtfüßigkeit, die an Spitzentanz gemahnte, tief empfundene Dialogbereitschaft mit dem Orchester (man spielte ohne Dirigentin!), rhythmische Prägnanz und betörende Melodik. Als Zugabe schließlich: Joseph Haydn, mit dem schwebenden Mittelsatz aus seinem Violinkonzert C-Dur, zu dem das Orchester kaum mehr als tropfende pizzicati beizusteuern brauchte. Eine zauberhafte Coda vor der Pause!

Ludwig van Beethoven durfte im Jubiläumsjahr nicht fehlen. 8 Ausschnitte aus den Zwölf Contretänzen für Orchester, WoO 14 (aus den Jahren 1791-1801) wiesen den jungen Wahlwiener aus Bonn als fabelhaften Unterhaltungsmusiker der damaligen Zeit aus.

Schließlich die 5. Sinfonie, B-Dur, D 485 des 19-jährigen Franz Schubert – schon mit vielem aus den Kleinodien seiner „unendlichen Melodien“. Ganz ohne das Pathos der vorangegangenen 4. Sinfonie, der „Tragischen“, und mit harmonischen Wendungen, die sich bereits deutlich von klassischen Vorbildern abgrenzen. In diesen Schubert-Klangkosmos sind Michi Gaigg und ihr Ensemble zurzeit besonders tief eingedrungen, hat man sich für CD-Aufnahmen zuletzt intensiv mit dem gesamten sinfonischen Werk Schuberts beschäftigt. Auch hier kommt die Essenz dieser Musik, mit aller Durchhörbarkeit und den idealen Valeurs zum Tragen.

Gelöste Stimmung am Ende, sowohl auf dem Podium, als auch im Auditorium. Starker Applaus, Bravorufe.

Karl Masek

WIEN / Belvedere: INTO THE NIGHT

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WIEN / Unteres Belvedere und Orangerie:
INTO THE NIGHT. DIE AVANTGARDE IM NACHTCAFÉ
Vom 14. Februar bis zum 1. Juni 2020

Im Wirbelwind der Künste

„Nachtleben“ bedeutet nicht nur Alkohol und Sex, es ist eine „Szene“, die sich alternativ zu jener des „Tages“ ausbreitet. Und in diesem Sinne bunter, schriller, extremer, verrückter und natürlich auch liberaler ist, kurz: ein politisches Phänomen. Das Belvedere hat, in Zusammenarbeit mit dem Barbican Center in London, das auch die Kuratorin Florence Ostende stellte, die Ausstellung „Into the Night“ gestaltet, und dieser Blick auf „Die Avantgarde im Nachtcafé“ ist durch die Vielfalt der Schauplätze und Objekte so opulent ausgefallen, dass sie nicht nur das Untere Belvedere, sondern auch noch die daneben liegende Orangerie füllt. Eintauchen in die alternative Welt der Künste ist angesagt.

Von Heiner Wesemann

In Kellern wuchs das Neue     Nicht alle, aber viele der Kabaretts, Theater, Varietés und Bars, die in den Großstädten nachts zum Leben erwachten, waren Orte, wo man Neues ausprobierte. Vieles, was heute unter dem Begriff „Avantgarde“ läuft, wurde dort geboren. Dabei streckt die Ausstellung den zeitlichen Radius weit – von den 1880er Jahren, wo man sich in Paris noch in der Welt des Toulouse-Lautrec befindet, bis zu dem 1960er Jahren, wo man in Teheran einen Privatclub eröffnete, der noch zu Zeiten des Schah, die damalige Kunstszene des Landes reflektierte.

Die Vereinigung der Künste      Nie war man dem Gesamtkunstwerk näher als in diesen Clubs, die schon von der architektonischen Gestaltung her als Kunstwerke gedacht waren, gleichfalls im Design des Raums und des Mobiliars, ebenso in den Performances, die Literatur, Musik und Tanz vereinigen. Hier schuf man dann auch Neues – im Pariser „Chat Noir“ etwa ein Schattentheater, das das Kino voraus zu ahnen scheint. Und wo hätte „Dada“ aufblühen können wenn nicht in einer dieser alternativen Szenen, dem Züricher Cabaret Coltaire.

Der Freiraum der „anderen“   Nicht erst im Berlin der Zwanziger Jahre explodierte eine Schwulen-, Lesben und Transgender-Szene, in den Clubs konnte man Anders-Sein nicht nur ausleben, sondern zelebrieren.

Dieses Berlin, das in Künstlern wie Otto Dix vor allem einen Chronisten ohnegleichen fand, ist nur ein Fixpunkt für die „Modernen“, die sich im Zusammenhang mit der „Nacht-Szene“ entwickelten. Hier wirbelten, wie die Ausstellung zeigt, Secession und Expression, Abstraktes und Futuristisches bunt durcheinander. Alles war erlaubt, alles hat Platz im Rahmen dieser Welt, die selbstverständlich das Bürgertum aller Städte, die damit konfrontiert waren, empörte….

Blick auf Europa   Paris, Wien, London, Zürich. Moskau, Rom (wo der Club sich „Göttliche Komödie“ nannte und Himmel, Fegefeuer und Erde bot), Straßburg (dessen „geometrischer“ Künstlerclub L’Aubette andeutungsweise nachgebaut wurde) und Berlin sind die Städte-Schwerpunkte der Ausstellung, die sich dann jeweils auf signifikante Zeitpunkte konzentrieren – beim Pariser Chat Noir auf die 80er, 90er Jahre des 19. Jahrhunderts, in Berlin auf die zwanziger Jahre. Das künstlerische Ergebnis ist stets reich, im Wirbelwind der Künste und Kunstformen, die heute natürlich den einstigen (und damals so wichtigen) Schockeffekt verloren haben. Für den heutigen Besucher ist es Kunst und Kulturgeschichte in hohem Ausmaß.

Nicht nur die „weiße Welt“   Möglicherweise hätte man sich noch vor zwei Jahren nicht den Kopf darüber zerbrochen, eine Ausstellung wie diese einzig an Schauplätzen in Europa und den USA zu lokalisieren. Da hat sich Entscheidendes geändert. Nun ist auch Schwarzafrika vertreten (wer hätte je von einer Nachtclubszene in Nigeria gewusst?), Lateinamerika mit Mexiko City, Asien mit Teheran, was ein Kapitel für sich ist. In Harlem rüttelten die New Yorker Jazz Clubs an der Rassenfrage, und in Nigeria schloß sich ein Mbari Artists and Writers Club den internationalen intellektuellen Bewegungen an. Und im Cafe de Nadie in Mexiko City trafen sich Schriftsteller mit der Ambition, gänzlich neue Formen für eine neue Welt zu finden, was sich auch gestalterisch in ihren Manifesten ausdrückte.

Eine Ahnung, wie es damals war  Schließlich vermittelt die Ausstellung den Eindruck, dass man sich direkt im Cabaret Fledermaus befände, einst Ecke Kärntnerstraße / Johannesgasse, heute ist nichts mehr davon zu sehen. Aber man hat sich für die Ausstellung die Mühe gemacht, in Zusammenarbeit mit der Universität für angewandte Kunst viele der berühmte Majolika-Fliesen neu zu gestalten und damit einen Eindruck zu geben, wie es dort aussah. Die Wiener Werkstätte hatte dort ein Gesamtkunstwerk geplant und auch gestaltet. Einst wurde viel darum herum gekrittelt, und heute gäbe man etwas darum, wenn Wien dergleichen noch hätte…

„Into the Night. Die Avantgarde im Nachtcafé“,
Unteres Belvedere und Orangerie,
Bis 1. Juni, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr,
Freitag bis 21.00 Uhr

WIEN / Staatsoper: L’ELISIR D’AMORE

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WIEN / Staatsoper:
L’ELISIR D’AMORE von Gaetano Donizetti
253. Aufführung in dieser Inszenierung
16. Februar 2020

Man weiß ja nie, woher die Gerüchte kommen, aber es heißt jedenfalls, dass die Schweizer Sopranistin Regula Mühlemann in der nächsten Staatsopern-Ära eine große Rolle spielen wird. Als Exklusivkünstlerin von SONY CLASSICAL scheint da ja eine gewisse Nähe gegeben. Ihr Staatsopern-Debut, noch in der „alten“ Direktion, wurde von ihrem Management jedenfalls gehörig gepuscht. Und als Opernfreund ist man neugierig. Geht also zum gefühlten hundertsten Male in „L’elisir d’amore“, um das Hausdebut der Sängerin, das gleichzeitig ihr Rollendebut in dieser Rolle ist, zu erleben. Sonst ist sie ja meist für Mozart unterwegs – nächsten Salzburger Festspielsommer wird sie die Pamina sein.

Die Optik auf den ersten Blick entzückt – schmal und sehr hübsch, so sehen die idealen Soubretten aus. Bloß: auch die Stimme ist soubrettenhaft, sprich: klein, eigentlich zu klein für die Staatsoper. Sie muss selbst gemerkt haben, dass sie anfangs längere Zeit fast unhörbar war, versuchte dann die paar Dezibel zuzulegen, um mit den anderen Kollegen mitzuhalten. Die Stimme ist schlank und leicht, wenn auch ohne besondere Kennzeichen, und wirkt in der Höhe oder auch bei Kehlkopfkunststücken eher überfordert. Dass sie ihre Rolle schön und liebenswert spielt (keinesfalls ist sie anfangs eine „Bitch“, was manche Kolleginnen bevorzugen, um die Figur und die Wandlung interessanter zu machen), ist erfreulich. Was man gesehen hat, ist ein sympathisches Debut – den Star von morgen ahnt man noch nicht.

Und außerdem, wem sagt man es, macht ein „Liebestrank“ eigentlich nur Sinn, wenn man Startheater bieten kann und nicht Repertoire, das sich in der Provinz besser ausmachen würde als an einem ersten Opernhaus. Natürlich kann Jinxu Xiahou, vielfach bewährt, den Nemorino singen, aber reicht das, zumal wenn „Una furtiva lagrima“ – gestatten schon – alles andere als schön klingt? Diese Oper verdient Battle / Pavarotti, Netrebko / Villazon, wir haben’s gehabt, es ist fast ein wenig ärgerlich, dass man es immer billig geben (oder nehmen) soll…

Nun ist es im „Liebestrank“ ja oft so, dass die erste halbe Stunde etwas fad dahinplätschert (und wie fad es war!), aber dann mit dem Auftritt des Doktor Dulcamara Leben in die Bude kommt. (Der hauseigene Paolo Rumetz garantiert das immer.) Diesmal hatte man wieder einen Star, der (wie einst Bryn Terfel) gar keine Lust auf die Rolle zu haben schien. Ambrogio Maestri (immerhin! Der Falstaff der gesamten Opernwelt an allen ersten Häusern!!!) fuhrt auf Schmalspur. Vielleicht machten ihm Wetter oder Bazillen zu schaffen, jedenfalls gab es nur ein Minimum an Stimme, an Komik, an Präsenz (und an sich hat er alles so reichlich). Man konnte sich nur wundern.

Auf diese Art trat Rafael Fingerlos, der seinen ersten Belcore sang, in den Vordergrund. Die „Rauheit“ seines Baritons ist gerade noch so, dass man es als interessantes Timbre und nicht als Schnarren verbucht. Auch er gelegentlich ein bisschen angestrengt, steckte er doch alle anderen in die Tasche. Sehr schön auch, dass er sich in der Szene, wo er Nemorino wirklich schlecht behandelt, sympathisch zurückhielt – das muss, obwohl Soldat, ja nicht unbedingt ein grauslicher Kerl sein.

Dazu kam dann noch die Giannetta von Mariam Battistelli, die sich offenbar vorgenommen hatte, ihren Sopran genau so schmal einzusetzen wie ihre Herrin und unauffällig zu bleiben…

Was war nur mit Evelino Pidò los, den man ja als großen Maestro und souveränen Stabführer kennt? An diesem Abend war er müde, der „Funken“ sprang nicht über, eine Oper, die vor Temperament sprühen kann, wälzte sich mühselig dahin. Natürlich klatscht das Publikum beim „Liebestrank“ immer. Aber man den Wein der Königin Isotta schon viel, viel süffiger, fülliger, geschmackssicherer vorgesetzt bekommen…

Renate Wagner

LUDWIGSBURG/ Forum Schlosspark: LA CENERENTOLA mit dem Theater Chemnitz

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Copyright: Dieter Wuschanski

Gioachino Rossinis „La Cenerentola“ mit dem Theater Chemnitz am 16.2.2020 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG

Viele satirische Zuspitzungen

 Der Melodienreichtum von Rossinis „La Cenerentola“ („Aschenputtel“) ist unübertroffen. Hier gewinnt Aschenputtel durch ihre Herzensgüte die Liebe eines Prinzen, während ihre beiden bösen Stiefschwestern leer ausgehen. Das aufgeklärte 18. Jahrhundert kommt auch in der gelungenen Inszenierung von Kobie von Rensburg voll zu seinem Recht. Die Bühne von Steven Koop und die Kostüme von Christopher Kempf (Choreografie: Sabrina Sadowska) passen sich dem Zeitgeist des 18. Jahrhunderts durchaus an.

Die Vernunft des Philosophen Alidoro weist hier mit List den Weg zur Erkenntnis. Als Prinzessin verzeiht Angelina nämlich großmütig ihren beiden garstigen Stiefschwestern Tisbe und Clorinda sowie ihrem bösartigen Stiefvater Don Magnifico. Angelina wird dann selbst einer Probe ausgesetzt, doch durch ihre Liebe kann sie den verkleideten Prinzen Don Ramiro erkennen und die beiden werden ein glückliches Hochzeitspaar: „Ende gut, alles gut!“

Diese Inszenierung sprüht nur so von Einfallsreichtum und satirischen Zuspitzungen, die die Ironie des „Schwans von Pesaro“ unterstreichen. So steht die bunte Welt der Kirchen und Paläste wieder auf, doch die Protagonisten schwirren auch als Bienen durch die Lüfte und huschen als Mäuse über die Bühne. Der Philosoph Alidoro zaubert zahlreiche Buchstaben und Ereignisse auf die Bühne, die sich immer wieder kunstreich verwandelt. So sieht man die Protagonisten sogar in Bilderrahmen stehen: „Ruhe jetzt, sonst gibt’s einen Skandal!“ Die zahlreichen männlichen Bewerber um die Hand der drei so unterschiedlichen Schwestern werden mit sarkastischer Schärfe überzeichnet. Sie liegen zuletzt betrunken auf dem Boden – und ein riesiger Spiegel vergrößert die Räumlichkeiten in ungeheure Dimensionen. Das sind glänzende szenische Einfälle, die sich hier tief ins Gedächtnis eingraben. Das gleiche gilt für die einzelnen Buchstaben, die sich wie bei einem Mosaik zusammensetzen. Die Insekten haben bei dieser Inszenierung ebenfalls starke Auftritte. Sie verwandeln sich plötzlich in Hubschrauber und Flugzeuge mit Propeller, die den Himmelsstürmen trotzen. Beim großen Festbankett wird sogar noch ein raffiniertes Feuerwerk gezündet.

Die szenische Leitung der Wiederaufnahme von Jasna Zaric ist absolut geglückt. Und auch das musikalische Niveau der Aufführung unter der kompetenten Leitung von Jakob Brenner ist sehr beachtlich. So zeichnet die sehr präzis musizierende Robert-Schumann-Philharmonie die zahlreichen Ostinato-Passagen und Crescendo-Steigerungen facettenreich nach. Die Sängerinnen und Sänger sind dem Charakter der Commedia dell’arte verpflichtet. Virtuose Soli und glanzvolle Ensemblesätze werden nuancenreich herausgearbeitet. Und auch die lyrische Empfindung kommt nicht zu kurz. Sylvia Rena Ziegler vermag ihren Koloraturen und rasanten Parlando-Arien große innere Leuchtkraft zu geben, während Niamh O’Sullivan als Tisbe sowie Franziska Krötenheerdt als Clorinda nicht nur mit witzigen lautmalerischen Wortspielen um die Gunst des Prinzen kämpfen. Mit strahlkräftigen Höhenflügen brilliert ferner der heißblütig agierende Tenor Matteo Roma als Prinz Don Ramiro. Und als echauffierter Vater überzeugt auch Noe Colin mit famosen Bassfluten, die zuweilen auch Bariton-Nähe besitzen. Ralf Lukas vermag dem Zauberer und Philosophen Alidoro ein erhabenes Charisma zu geben, während Andreas Beinhauer als intriganter Kammerdiener Dandini das reiche harmonische Geschehen mit figurativen Einschüben würzt. Die Herren des Opernchores der Theater Chemnitz in der famosen Einstudierung von Stefan Bilz überzeugen mit kraftvollen Kantilenen. Und auch die Mitglieder der Ballettschule der Theater Chemnitz zeigen einen facettenreichen Einsatz.

Rossinis Oper hat übrigens den Untertitel „La bonta in trionfo“ („die triumphierende Güte“). Cenerentolas trauriges Moll-Volkslied gelingt Sylvia Rena Ziegler jedenfalls ausgezeichnet. Cenerentolas samtweiches Timbre tritt hier sehr deutllich hervor, während sich ihre quengeligen Sopran-Rivalinnen durchzusetzen versuchen. Sinkende Tonfolgen verdeutlichen bei dieser Aufführung auch klar Cenerentolas verwirrten Geisteszustand. Markant ist dann jene Szene, bei der Cenerentolas Stiefvater ihren Auftritt beim Ball verhindern will: „Signor, una parola“. Bei diesem Ensemblesatz in C-Dur sprüht die Formation vor Spielwitz. Beim Erscheinen von Ramiros Hauslehrer Alidoro macht sich ein facettenreiches Es-Dur bemerkbar, das Jakob Brenner mit der Robert-Schumann-Philharmonie überzeugend herausarbeitet. Ein Höhepunkt dieser Aufführung ist jene Szene, als Don Magnifico behauptet, Cenerentola sei tot. Die stoßweise Erschütterung im Orchester gelingt exzellent. Auch die anschließende Stretta in C-Dur zeigt Verve und Biss. Noe Colin kann zudem seiner Traum-Kavatine betörende und eindringliche Kantilenen entlocken. Die Probleme Don Magnificos mit dem durchtriebenen Diener Dandini werden in köstlicher Weise überzeichnet. Neben dem eindrucksvollen Schluss der Oper fesselt hier auch Cenerentolas Eintritt in das große Sextett des zweiten Aktes in Es-Dur: „Siete voi?“ Die körperlichen Verwandlungen und die Verschiebung des Gesangsstils erreichen bei dieser Vorstellung eine ungewöhnliche Intensität. Jubel, Begeisterung, viele Vorhänge.

Alexander Walther

BERLIN / Staatsoper Unter den Linden: DER ROSENKAVALIER; dritte Aufführung der Serie

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Foto: Ruth Walz

BERLIN / Staatsoper Unter den Linden: DER ROSENKAVALIER; dritte Aufführung der Serie, 16.2.

 

Die Staatskapelle Berlin und Günther Groissböck als die herausragenden Stars eines optisch in kunsthistorischem Kitsch badenden pseudowienerischen Welttheaters

 

André Heller hat, gemessen an seinen eigenen Worten, ein veritables Glück. Als solches sieht er nämlich ein Scheitern auf hohem oder zumindest gutem Niveau. Der neue Rosenkavalier Unter den Linden mit dem Leading Team André Heller, Wolfgang Schilly (Regie), Xenia Hauser, Nanna Neudeck (Bühnenbild) und Arthur Arbesser, Inka Allmayer Arbesser (Kostüme) machen aus der großen Parabel um Vergänglichkeit und das Schmetterlinghafte der Liebe eine Unterrichtsstunde in Kunstgeschichte. Nicht Rokoko steht auf dem Lehrplan, sondern eine Lektion des in goldener Geometrie und ostasiatischer Folklore so kühlen Wiener Jugendstils. Das geht so weit, dass Gustav Klimt und seine Geliebte Emilie Flöge im zweiten Akt bei der Rosenüberreichung mit dabei sind und kurz bevor es soweit ist, nach vorne an die Rampe treten und Sophie begrüßen. Was für ein protokollarischer Fauxpas. Nicht doch, hängt doch das Beethovenfries jetzt im Salon des Bagatelladeligen Faninal. 

 

Viele hübsche Tableaus sind zu bestaunen und bunte Kostüme, die einer Ausstellung zum Thema Sezession entsprungen sein können. Aber macht es wirklich Sinn, wenn der Tierhändler im ersten Akt auftritt wie ein thailändischer Pagodentänzer oder die Leitmetzerin in einer Art Zirkuskostüm mit hohem schwarzen Lackzylinder die Honneurs macht? Weiteres Beispiel gefällig? Der dritte Akt spielt nicht in einem anrüchigen wienerischen Vorstadtbeisl, sondern in einem Palmenhaus, wo zur Jahrhundertwende Adel und Großbürgertum opulente orientalische Kostümfeste gefeiert haben. Natürlich dürfen da auch Utensilien aus Marokko nicht fehlen. Der Ochs von Lerchenau ist aber ein finanziell ganz und gar abgebrannter Landjunker und schmieriger Don Giovanni, ein “Weiberer, eine Mischung aus Casanova, Falstaff, und Frauenflüsterer”, der mit einer vermeintlichen Dienstbotin eine schnelle Nummer schieben will. Warum sollte so einer die Mühe auf sich nehmen, einen derartigen Aufwand für das rasche, morgen schon wieder vergessene Abenteuer zu treiben? Das mordsmäßig große Bett steht nämlich nebenan schon bereit. 

 

Es gibt auch handwerkliche Fehler, wie etwa, dass beim “Abtreten die Leut’ der Marschallin im ersten Akt alle außer den Dienstboten schon draußen sind. Oder dass der Text im dritten Akt einmal auf Palmhäusl geändert wurde, kurz danach es wieder Beisl heißen darf.

 

Die Stärke der Aufführung liegt in dem trotz emotionaler Distanzen gut herausgearbeiteten Beziehungsreigen zwischen den vier Protagonisten Feldmarschallin Fürstin Werdenberg, Baron Ochs von Lerchenau, Octavian und Sophie. Wunderbar plastisch wird dieses qui pro quo etwa im Schlussterzett, wo alle drei sich im Kreis bewegen, die anderen und sich selber belauern und so alles für die Zukunft offen lassen. Das große Atout ist schließlich die in dieser Regiearbeit immens lebensechte Figur des Ochs: Der darf sogar die sonst gestrichene großartige “Mägde-Erzählung” im erste Akt singen, ein literarisch-musikalisches Juwel ähnlich wie die Registerarie des Leporello. Diese Entscheidung wiederum verschiebt auch dramaturgisch den Schwerpunkt hin zum Ochs. So wird auch verständlich, dass es unter den Erfindern der Oper Harry Graf Kessler, Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss ausgedehnte Diskussionen über den Titel der Oper gab. Ursprünglich wollte Strauss die Oper “Der Ochs von Lerchenau und die silberne Rose” nennen. Kessler war für “Die galanten Abenteuer des Barons von Lerchenau.” 


Foto: Ruth Walz

 

Womit wir zur Besetzung kommen. Wenn ein Theater über Günther Groissböck als wienerische Variante des Molièreschen Monsieur de Pourceaugnac verfügt, dann steht fest, wer hier abledert. Günther Groissböck steht in bester Tradition großer “Ochsen” wie Manfred Jungwirth, Karl Ridderbusch oder Kurt Moll. Sein Bassbariton, der auch in jeder Extremlage noch satt klingt und frei ausschwingt, ist ein wahres Wunder an großen Tönen, feinen Zwischentönen, viriler Kraftmeierei und verführerischer Eleganz. Er ist der einzige der Aufführung, der sprachlich alle Nuancen mitbringt, die für den herrlich kunstvoll gedrechselten Dialekt aus der Feder Hofmannsthals nötig sind. Darüber hinaus reißt Günther Groissböck das Publikum auch mit seiner unbedingten Spielfreude und starken Bühnenpräsenz mit. Wie er einen brutal-wehleidigen von der eigenen Potenz besoffenen Macho mimt, ist zudem schauspielerisch bravourös. 

 

Das von ihm begehrte Mariandl, alias Octavian, liegt bei Michèle Losier in sehr guten Händen. Die gertenschlanke, androgyn wirkende Kanadierin ist ebenso eine Akteurin von Gnaden. Ihr in der Höhe ungemein schön aufblühender Mezzo gibt den so hinreißend emotionalen, hormongesteuerten Ausbrüchen genau die Authentizität, die eine Figur aus Fleisch und Blut glaubhaft machen. Die Stimme müsste allerdings in der Mittellage geschmeidiger und sämiger klingen, dann wäre auch sie in einer Reihe mit großen Vorgängerinnen zu nennen. Losier sind ganz wunderbare Momente des Abends zu verdanken, sogar als Mariandl wirkt sie natürlich und charmant. Der mutige junge Herr aus gutem Haus wurde von der Personenregie offenbar mit viel Aufmerksamkeit bedacht. Und das mit Gewinn.

 

Zu Beginn der Oper darf der noch ungelenke Octavian ja mit der Marschallin die morgendlichen Nachwehen einer Liebesnacht durchleben. Camilla Nylund singt die Partie der sich final im Verzicht übenden Frau hinreißend schön. Vielleicht könnten die Höhen noch etwas freier und räumlicher rüberkommen. Sie sieht auch ebenso fantastisch aus. Allerdings liegt über der Figur zumindest im ersten Akt ein Schleier des Kühlen, Sachlichen, ja beinahe Kalkulierten. Das ergibt eine seltsame Distanz zu Octavian, auch die beiden Monologe wirken trotz aller vokalen Pracht wie ferngesteuert. Im dritten Akt zieht sie stolz und mit Autorität die Fäden. Der Hallodri Octavian wird vermutlich nicht mehr zurückkommen. Dafür ist in der Heller-Inszenierung Mohammed ein erwachsener fescher Mann, der mit Hingabe am Taschentuch schnuppert. Vielleicht ist ja er der nächste Lover der Marschallin?

 

Nadine Sierra gibt eine selbstbewusste Sophie, eine junge Frau, die ihren Wert kennt, sich nicht darunter hergibt und weiß was sie will. Leider dürfte Octavian nicht der Richtige für sie sein, so schön und innig auch das Liebesduett am Ende der Oper Zweisamkeit suggeriert. Ihr präzise und intonationssicher geführte lyrische Sopran klingt in manchen Höhen eng und spitz, ist aber insgesamt mit der individuellen Färbung und der Akkuratesse im Ausdruck ein Gewinn für die Aufführung. Das kann von Roman Trekel als Herr von Faninal nicht behauptet werden. Allzu brüchig und nur noch wenig tragfähig ist sein Bariton. Im grässlichen Goldlook ist der neureiche Waffenschieber und Parvenü von der Wieden auch ein Opfer des Kostümbildners.

 

Uneingeschränkte Freuden bereiten der höhensichere Sänger des Atalla Ayan, der als Typ hervorragende Wirt des Andrés Moreno Garcia (wahrscheinlich hätte sogar Karl Terkal die Interpretation als gelungen goutiert), die wendige Annina der Katharina Kammerloher und der junge fesche Haushofmeister bei Faninal mit seinem frischen Bariton Linard Vrielink. 

 

Leider ist über die übrigen kleineren Partien nicht viel Erfreuliches zu berichten. Eine allzu schrille Anna Samuil als Jungfer Marianne Leitmetzerin, der stimmlich völlig überforderte Polizeikommissar Erik Rosenius (in Wien hat das u.a. Peter Wimberger zu der Zeit gesungen, wo er noch als Wotan in der Walküre auftrat) und als vokale Tiefpunkte der Tierhändler des Motoki Kinoshita und der Valzacchi des Karl-Michael Ebner. Die drei adeligen Waisen Olga Vilenskaia, Anna Woldt und Verena Allertz hingegen machen ihre Sache gut. 

 

Die Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Zubin Mehta verströmt Strauss’sches Silber im Übermaß. Im Orchestergraben wenigstens kommt das pralle Wiener Welttheater zu seinem vollen Recht. Das tuscht und kracht wie im wirklichen Beisl, wienert und walzert salonhaft, rührt in aller wunderbar ausgekosteten Sentimentalität zu Tränen. Auch wenn Mehta die Tempi eher breit fließen lässt, stimmt die Atmosphäre, zaubert das Orchester aus der Partitur alles irisierend Sinnliche und bodenständig Derbe. Am Schluss Jubel, Glanz und Gloria.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

WIEN/ Musikverein: MESSA DA REQUIEM von. G. Verdi/ NÖ-Tonkünster; Yutaka Sado

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Wiener Musikverein, Großer Saal: „Messa da Requiem“ (G. Verdi), 16. Februar 2020

Ein ganz hervorragendes Solistenquartett hörte man in  der Aufführung von Verdis Requiem durch die Tonkünstler unter ihrem Chefdirigenten Yutaka Sado, der zu den bedeutendsten, populärsten Dirigenten Japans gehört, und  der sein Orchester zu einer Spitzenleistung inspirierte.

Yasushi Hirano, mit seiner balsamischen und großen Bassstimme, sang das Confutatis maledictis äußerst eindrucksvoll. Auch  Wookyung Kim, der bereits international sehr erfolgreich ist und an den bedeutendsten Theatern bis zur Met auftritt, hinterließ mit seinem starken, wohlklingenden, eher baritonalen Tenor einen sehr guten Eindruck. Besonders das Hostias  sang er mit einem wunderbaren Piano.

Elena Zhidkova, die in Bayreuth als Venus Triumphe gefeiert hatte, hat eine ganz außergewöhnlich schöne und große Altstimme. Und auch Emily Magee ließ im Sopranpart kaum etwas zu wünschen übrig.

Der von Johannes Prinz studierte Wiener Singverein brachte nach den bejubelten Konzerten des Requiems unter Riccardo Muti, auch diesmal eine Leistung von Weltformat. Man merkt, dass  hier nicht nur hervorragende Künstler, sondern auch Menschen, die mit dem Herzen dabei sind, musizieren.

Christoph Karner

FRANKFURT/ Alte Oper: „NEMANJA RADULOVIC-STAATLICHES SYMPHONIEORCHESTER RUSSLAND- ANDREY BOREYKO 

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Frankfurt / Alte Oper: „NEMANJA RADULOVIC-STAATLICHES SYMPHONIEORCHESTER RUSSLAND- ANDREY BOREYKO  –  16.02.2020

Ein interessantes umjubeltes Konzert-Highlight bot Pro Arte in der Alten Oper mit dem charismatischen Violin-Solisten Nemanja Radulovic sowie dem Staatlichen Symphonie Orchester Russland unter der Leitung von Andrey Boreyko.

Werke russischer Komponisten des 19./20. Jahrhunderts standen auf dem Programm welches mit dem „Violinkonzert“ von Peter Iljitsch Tschaikowsky eröffnet wurde. Bereits im Jahre 2017 begegnete mir der frisch gekürte Echo-Preisträger Nemanja Radulovic in Begleitung eines russischen Orchesters beim Pro Arte-Konzert in Mannheim mit demselben Werk.

Heute erschien mir der Enfant terrible mit der inzwischen gebändigten und hochgesteckten Löwenmähne gereifter obwohl sein exzentrisches Outfit,  seine Glut-Augen nach wie vor die Phantasien der Damenwelt beflügeln. Formidabel präsentierte der smarte Solist eines der schönsten Exponate der Konzertliteratur in brillanter Virtuosität. Seine Tschaikowsky-Interpretation lebte von der Kunst des akribischen Nuancierens, von höchst differenzierter Instrumentalkunst,vom hellen satten alles überstrahlenden Geigenton, der technisch-versierten Perfektion zur thematischen Variation des Allegro moderato. Rasant, atemberaubend einfach hinreißend erklang die Kadenz in dynamischem Zugriff.

Lyrisch, in atmosphärischer Passion zelebrierte der serbische Geiger die Canzonetta, spielte die schlichte, elegische Weise des Andante in zarten Nuancen, der Geigenbogen schien die Saiten zuweilen nur zärtlich zu berühren, zauberte elegische Pianissimo, um sich sodann in furiose Valeurs zu steigern.

Andrey Boreyko erwies sich mit dem präzise und akkurat musizierenden Staatlichen Symphonie Orchester Russland als sympathetischer Partner des Einvernehmens, hier begegneten sich zwei seelenverwandte Naturelle, musizierten auf höchster Ebene, nicht nur während der  innigen Momente, gleichwohl setzte Boreyko temperamentvolle Sequenzen zu   idealen Tempi-Akzenten dagegen.

Geradezu superlativische Klangökonomie schenkte Radulovic dem  Allegro, entlockte seinem Instrument zu den höllisch schnell gespielten Rhythmen feinstes Kolorit und gewährte dem finalen Ausklang prägnante Dynamik von faszinierender Expressivität.

Ein Aufschrei aus Zweitausend Kehlen, prasselnder Beifall bedankte die lobenswerte Interpretation und der sehr bescheiden wirkende Solist bedankte sich mit der innig, betörend gespielten „Partita d-Moll“ von J.S. Bach, kein Laut war zu vernehmen, das Publikum hielt ergriffen den Atem an.

Umrahmt wurde das Violinkonzert von zwei orchestralen Miniaturen aus der Feder von Anatol Ljadow und zwar „Der verzauberte See“ die symphonischen naturalistischen eines verwunschenen Sees, bar derart in feinstem Sentiment musiziert, in welchem tatsächlich Ätherisches orchestral beschworen wurde, erhielt dieses musikalische „Natur-Schauspiel“ einen ganz besonderen Reiz.

 Konträr dagegen die musikalischen Abläufe des Geschehens um den skurrilen weiblichen Poltergeist „Kikimora“. Boreyko entlockte seinem fabelhaft musizierenden Klangkörper ein instrumentales Muliplex voll illustrer impressionistischer Farbnuancen, phantastisch sphärische Momente, exotischen Klangzauber und beleuchtete die musikalische Episode auf bezaubernde Weise.

Zum Finale boten die russischen Gäste eine der klangschönsten Kompositionen Igor Stravinsky´s die Suite „L´Oiseau de feu“. Fernab dynamischer Schroffheit musizierte das Orchester in differenzierter Konzeption, steigerte sich animiert vom Dirigenten in eine virtuose Spielkultur deren Timing bestach, ja überwältigte. In wohldosierter Klang-Raffinesse entfalteten sich die Streichinstrumente zu fein ziselierten Couleurs, prächtig formierten sich Holz- und Blechbläser kontrastreich zu musikalischer Transparenz der Szenen Reigen-Wiegenlied u.a.,  um sodann in prächtiger Orchestrierung zur Schlusshymne instrumental regelrecht in Ekstase zu explodieren.

Ein Bravosturm fegte in Richtung Bühne und vehement feierte man den sympathischen Dirigenten und das Orchester. Sichtlich erfreut bedankte man sich mit dem temperamentvoll servierten Ungarischen Tanz (Tschaikowsky).

Gerhard Hoffmann


FRANKFURT/ Alte Oper: „STAATLICHES SINFONIEORCHESTER RUSSLAND EVGENY SVETLANOV“ (Ljadow, Tschaikowsky, Strawinsky)

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Copyright: Pro Arte Konzertdirektion / Michaela Brosi

Alte Oper Frankfurt, 16. Februar 2020

 Anatol Ljadow Der verzauberte See op. 62

Piotr Iljitsch Tschaikowsky Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35

Anatol Ljadow Kikimora op. 63

Igor Strawinsky „L’Oiseau de feu“ (Der Feuervogel), Ballett-Suite für Orchester (1945)

 Staatliches Sinfonieorchester Russland Evgeny Svetlanov

 Nemanja Radulović Violine
Andrey Boreyko Leitung

Sternstunde!

 Ein kontrastreiches Programm russischer Musik präsentierte das aktuelle Konzert der Pro Arte Konzertdirektion in der Frankfurter Alten Oper.

Im Mittelpunkt stand hierbei vor allem Musik der Märchen- und Sagenwelt. Besonders erfreulich war die Begegnung mit der Musik von Anatol Ljadow, Schüler von Nikolai Rimsky-Korsakoff, der sich einerseits dem musikalischen Impressionismus verschrieben hatte. Andererseits liebte er es, Naturschilderungen und Märchengestalten musikalisch zu portraitieren. Am Beginn stand seine Tondichtung „der verzauberte See“, ein Sinnbild der reinen, unberührten Natur, fern von der Begegnung der Menschen.

Das 1909 entstandene Werk zählt zu den bekanntesten Tondichtungen Ljadovs. Selten gelingt es einem Komponisten, in wenigen Sekunden ein klares Bild seiner imaginativen Vorstellung zu vermitteln. Ljadov verstand dies meisterhaft und so kann sich der Zuhörer an der bestechenden illustrativen Klarheit seiner Tonsprache leicht orientieren.

Mit schwebenden Streicherklängen, die durch die auf- und absteigenden Tonlagen geführt werden, entsteht ein fortwährendes Bild leicht wogender Wellenbewegung in glitzernd funkelnden Farben. Zauberhaft. Und doch zeigen die fortwährenden pulsierenden Schläge auf die große Trommel, dass dieses Naturbild doch nicht so heil erscheint…..

Mit dieser Preziose gelang es dem Staatlichen Sinfonieorchester Russland, seine besondere Spielqualität an allen Pulten zu demonstrieren. Das berühmte Orchester wurde maßgeblich von dem herausragenden Dirigenten und Komponisten Evgeny Svetlanov geprägt. Von keinem russischen Orchester gibt es derart viele Aufnahmen. In den letzten Jahren ist Vladimir Jurowsky der Chef dieses Klangkörpers.

Beim Konzert in der Alten Oper zeigte Gast-Dirigent Andrey Boreyko einen äußerst sensiblen Zugang zur Klangmalerei Ljadows. Er lies die Musik atmen und kümmerte sich genau um kleinste Details in der Farbgebung. Dazu ließ er die Streicher in feinsten Pianofärbungen bestechend sauber musizieren. Selten gelingt diese so besondere Komposition derart schlüssig. Ein hinreißender Beginn für einen besonders ereignisreichen Abend!

Mit dem Violinkonzert von Pjotr I. Tschaikowsky, entstanden 1878, erlebte das Publikum das bekannteste Werk seiner Gattung in der russischen Musik. Erkennbar ist der wieder gewonnene Optimismus des Komponisten, der sich in jener Zeit in einer tiefen Phase der Depression steckte und im Rahmen eines erfolgreichen Kuraufenthaltes wieder zu neuer Schaffenskraft fand.

Die Anforderungen für den Solisten sind außergewöhnlich und so ist es eines der schwersten Violinkonzerte. Leise Melancholie und warme Kantabilität stehen dynamischen Orchesterausbrüchen gegenüber, gesteigert in einem mitreißend virtuos komponierten Schlusssatz. Und doch ist es vor allem die poesievolle Canzonetta, die dieses Werk so unwiderstehlich macht.  Hier treffen Sehnsucht und Melancholie in diesem einzigartigen zweiten Satz aufeinander.

Im Mittelpunkt des Interesses stand der Solist des Abends: der Geiger Nemanja Radulović. Der vielfach ausgezeichnete Musiker hat bereits international stark auf sich aufmerksam gemacht. Radulović ist ein ganz besonderer Interpret, der sich zu keinem Zeitpunkt als Solist inszenierte. Selten gibt es eine derart offensive Interaktion zwischen Solist und Orchester zu erleben. Radulović suchte permanent den Kontakt zu Orchester und Dirigent. Fortwährend musizierte er in das Orchester hinein. Heraus kam dabei eine Sternstunde in der Interpretation dieses herrlichen Konzertes!

Nemanja Radulović hatte keinerlei technische Schwierigkeiten und spielte dieses so schwere Werk mit atemberaubender Lässigkeit. Wie leicht gelangen ihm die vielen Doppelgriffe und die hoch virtuos dargebotenen Läufe. Aber das Virtuosentum stand bei ihm nicht zentral im Vordergrund. Ungewöhnliche Rubati bekundeten immer wieder sein besonderes Interesse daran, die Musik auszubremsen, inne zu halten und musikalisch über den Verlauf zu reflektieren. Somit war es kein Wunder, dass er die Kadenz des ersten Satzes in Teilen sehr langsam musizierte, so als wolle er die Musik befragen. Dadurch gelangen ihm außergewöhnliche Momente, die besondere Spannung erzeugten und sehr berührten.

Seine Phrasierung war stets kantabel und erkennbar in die musikalische Struktur hinein hörend. Mit unendlicher Ruhe und weitem Atem verzauberte er mit einem innig dargebotenen zweiten Satz.

Überwältigend schnell sein rasantes Tempo im beschließenden Allegro vivacissimo. Es war ein Glück, einem solchen Ausnahmekünstler zu begegnen, der mit seiner überbordenden Energie Orchester und Publikum überreich beschenkte.

Dirigent Andrey Boreyko war an seiner Seite ein perfekte Partner. Mit klarer Geste gab er dem Solisten alle Freiräume. Dazu sorgte er aber auch dafür, dass die Qualitäten des Orchesters jederzeit hörbar wurden. Schneidige Trompeten im Hauptthema im ersten Satz gefielen sehr, ebenso die warm abgetönten Holzbläser, wie z.B. die weich abgetönte Klarinette im zweiten Satz. Große Klangpracht entfalteten die kultivierten Streicher. Ein sensibler Dialog, ein echtes Miteinander wurde zwischen Solisten und mit dem flexibel agierenden Orchester sehr gut realisiert.

Das Publikum zeigte völlig zurecht rasende Begeisterung und konnte sich kaum beruhigen! Radulović dankte seinerseits mit einer sehr gefassten, persönlichen „Sarabande“ aus Johann Sebastian Bachs Solosuite Nr. 2 d-Moll, BWV 1008.

Nach der Pause gab es abermals eine Komposition von Anatol Ljadow zu bestaunen. Seine 1905 entstandene Tondichtung „Kikimora“ beschreibt einen Poltergeist, der Menschen durch Geräusche und Lärm in den Wahnsinn treibt.

Die ungemein illustrative Musik mit einleitenden dräuenden Bässen wurde von Andrey Boreyko und dem Staatlichen Sinfonieorchester Russland sehr gut getroffen. Der Spannungsaufbau geriet mustergültig. Kecke, spitz tönende Holzbläser und ein flottes Allegro öffneten dann dem Erscheinen „Kikimora“ eindrucksvoll die Türe. Furios zugespitzt in Tempo und Dynamik begeisterten die Künstler mit großer Klangpracht.

Anatols Ljadows Faulheit stand im oft im Wege. Besonders prominentes Beispiel war der an ihn formulierte Auftrag, die Musik zu einem neuen Ballett „Der Feuervogel“ zu komponieren. Da Ljadow zu lange zögerte, entschied sich der berühmte Direktor des Russischen Balletts, Sergej Diaghilev, für Igor Stravinsky.

Und Igor Stravinsky schrieb mit dieser Musik sicherlich sein populärstes Werk, das 1910 in Paris uraufgeführt wurde. Der Komponist schrieb sodann noch drei Orchestersuiten. Die letzte große Orchestersuite stammt aus dem Jahr 1945. Andrey Boreyko entschied sich für diese finale Suite.

Und nun konnte das Staatliche Sinfonieorchester Russland seine ganze Meisterschaft und vor allem die hörbar intensive Erfahrung mit dieser Musik bestens ausspielen. In dieser Komposition gibt es zahlreiche Soli, z.B. in der Flöte, die den Feuervogel versinnbildlicht oder im Solo-Horn, das dass Werk mit einer herrlich friedvollen Melodie in eine grandiose Apotheose führt.

Sowohl die solistischen Leistungen im Orchester, als auch die einzelnen Orchestergruppen, boten superbe Leistungen. Mit unaufhörlicher Energie und auch großer Sensibilität bediente das Orchester alle Farben dieser Komposition. Auch hier überzeugte Dirigent Andrey Boreyko mit klarer Zeichengebung und viel Energie am Pult mit einer schlüssigen Interpretation. Klar arbeitete er die Lyrismen der Partitur heraus. Überwältigend die Wucht und der Klangreichtum im Höllentanz. Danach dann noch ein Höhepunkt mit einem tief bewegenden Wiegenlied, dass mit dem sehr weich intonierenden Solo-Horn in die grandiose Schlusshymne mündete. Was dieses Orchester hier noch einmal an überragender Klangkultur und perfektem Zusammenspiel bot, das zeigte, warum es vermutlich der beste Klangkörper seines Landes sein dürfte.

Das Publikum zeigte auch hier starke Begeisterung. Als Zugabe gab es dann noch eine schneidige Version des Trepaks aus dem Ballett „Der Nussknacker“ von P. Tschaikowsky.

Wahrlich eine Sternstunde in der Alten Oper Frankfurt!

Dirk Schauß

ATHEN/ Greek National Opera: DIE FLEDERMAUS

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Copyright: Greek National Opera

Greek National Opera, Athen: DIE FLEDERMAUS

Besuchte Vorstellung am 16. Februar 2020

Fledermaus im Kalten Krieg

Mit einer Inszenierung von Johann Strauss‘ Operette „Die Fledermaus“ begann am 5. Maerz 1940 die Geschichte der griechischen Nationaloper. Zu seinem 80. Geburtstag nimmt das Opernhaus eine Produktion des Werks aus dem Jahr 2014 wieder auf. Man hat den gesellschaftskritischen Ton, den das Werk durchaus erkennen laesst, verschiedentlich in zugespitzter Form auf der Buehne gesehen – erinnert sei an Inszenierungen von Herbert Wernicke in Basel, Hans Neuenfels in Salzburg oder Tilman Knabe in Stuttgart. In Athen laesst nun der Regisseur Alexandros Efklidis die Handlung vor dem Hintergrund des Militaerputsches von 1967 spielen.

In der Produktion der griechischen Nationaloper prallen die sich ankuendigende 68er Bewegung und die beginnende Militaerdiktatur aufeinander. Dies sorgt auf der Buehne fuer einige Bewegung mit musizierenden Hippies und Militaer. Zu sehen gibt es in den 60er Jahre-Buehnenbildern von Sotiris Stelios allerhand, was allerdings mit der eigentlichen Handlung meist nicht recht zusammengeht. Dass schon waehrend der Ouvertuere der Vorhang aufgeht und Hippies sowie ein Astronaut und ein Kosmonaut auf der Buehne agieren, sorgt lediglich fuer ein nettes Bild. Notwendig ist das Ganze nicht. Sicher, man kann die Geschichte von Eisenstein und Dr. Falke in eine andere Epoche verlegen, man kann, wie nun in Athen zu sehen, die Handlung in einem Luxusresort, der sowjetischen Botschaft in Athen und in einem Militaergefaengnis spielen lassen. Nur sollte man dann auch erkennen lassen, zu welchem Erkenntnisgewinn dies beitraegt. In Alexandros Efklidis‘ Inszenierung bleibt der Beginn der griechischen Diktatur 1967 im wahrsten Sinn des Wortes Buehnenbild, historische Staffage. Ein tieferer Sinn dieser Zeitverschiebung offenbart sich nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass diese „Fledermaus“ im Kalten Krieg so vollgestopft ist von tradierten Operettenklischees, dass von einer neuen Sicht auf das Werk nicht die Rede sein kann. Da war einfach im Gestischen zu viel des Altbekannten zu sehen. Die Personenfuehrung konzentriert sich vor allem auf Albernheiten. Das Resultat ist eine Auffuehrung, welche ermuedet und oftmals langweilt.

Der junge, in Krefeld engagierte Dirigent Yorgos Ziavras steht am Pult des durchschnittlich aufspielenden Orchesters. Musiker und Dirigent beweisen wenig Sinn fuer die musikalischen Feinheiten, die Details der Partitur. Das atmosphaerisch Wienerische will sich nicht einstellen – was vielleicht auch daran liegt, dass das Werk in griechischer Sprache gegeben wird. Schliesslich hapert es wiederholt bei der Koordination zwischen Graben und Buehne. Ja, Operette kann eine rechte Herausforderung sein. Der von Agathangelos Georgakatos einstudierte Chor singt ordentlich, die Studentinnen und Studenten der Ballettschule der Nationaloper machen ihre Sache gut. Die Gesangssolisten des Abends bewegen sich auf unterschiedlichem Niveau. Nikos Kotenidis weiss als Eisenstein mit wohltoenendem Bariton zu gefallen. Anna Stylianaki als Rosalinde fehlt es an Stimmfarben, um den Czardas wirkungsvoll zu praesentieren. Christos Kechris hat als Alfred wohl nicht den besten Tag. Seinen Tenor hat man schon stimmschoener erlebt. George Iatrou ist ein markanter Dr. Falke, waehrend es Marios Sarantidis als Frank an Durchschlagskraft mangeln laesst. Der Orlofsky von Taxiarchoula Kanati und die Adele von Marilena Striftobola klingen frisch und praezise. Ferner stehen Dionyssis Meloyannidis als Dr. Blind, Myrto Bocolini als Ida und – etwas unterbelichtet – Dimitris Nalbandis als Frosch auf den Brettern der Nationaloper.

Applaus und Anteilnahme des Publikum halten sich in Grenzen. Eine Geburtstagsparty klingt anders.

Ingo Starz (Athen)

WIEN/ Theater an der Wien: EGMONT von Christian Jost

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Foto: Monika Rittershaus

17.02.2020   Theater an der Wien   „Egmont“ von Christian Jost

Erstaunliches war bei dieser Welt-Uraufführung von „Egmont“ zu hören und zu sehen. Der Komponist Christian Jost schuf mit diesem Auftragswerk anlässlich der 250. Wiederkehr von Beethovens Geburtstag ein Werk, das man in die Kategorie „Volltreffer“ stellen muss. Das Libretto von Christoph Klimke (unter Mitwirkung des Komponisten) hält sich im Großen und Ganzen an Goethes Originalfassung. Der etwas naive Held der Niederländer, Egmont, vertraut vergeblich der Schwester Philipp II, Margarete von Parma, nach größerer Eigenständigkeit des Landes, auch wagt er gegen den Rat seiner Geliebten Clara, Herzog Alba entgegenzutreten, mit für ihn tödlichem Ausgang.

Regisseur Keith Warner zeigt das Geschehen in zwölf Bildern (Ausstattung Ashley Martin-Davies, Licht Wolfgang Göbbel), die bewährte Drehbühne sorgt für reibungslosen, straffen Handlungsablauf. Fünf Quader bilden einen passenden Rahmen für die Szenen, auch die Choreografie (Ran Arthur Braun) passt gut in diese Produktion. Besonders hervorzuheben ist die Musik des deutschen Komponisten, der schon unter anderem mit den Opern „Hamlet“ (2009) und „Mikropolis“ (2011) bekannt geworden ist. Man muss sich langsam in diese Musik einhören, dann ist sie packend, spannend und elektrisierend. Sanfte Streicherphrasen wechseln mit metallisch-lauten Klängen ab, zu den sehr anspruchsvollen Gesangspartien bietet er zur Steigerung der Spannung sehr dynamische Rhythmen.

Das musste nun von den ausgezeichneten Solisten bewältigt werden. Alle vier haben das bravourös geschafft: Der litauische Tenor Edgaras Montvidas sang die Titelrolle mit Kraft und sicherer Höhe. Der alte Haudegen Bo Skovhus sang den grimmigen Herzog von Alba mit martialischer Schärfe, nach kurzer Anlaufzeit eine beachtliche Leistung. Maria Bengtsson sang die Clara mit strahlender und durchschlagskräftiger Stimme, keinerlei Unsicherheit war bei dieser exponierten Partie zu hören. Angelika Kirchschlager war als Margarete von Parma in prächtiger Form. Ihr Mezzo wirkte auch in dieser schweren Rolle sehr souverän.

Das RSO spielte unter dem ausgezeichneten Dirigat von Michael Boder seine Klasse als Spezialist für moderne Werke aus, da gab es keine schwache Stelle. Man darf sich freuen, dass nach einigen nicht ganz gelungenen Neuheiten wieder einmal ein Volltreffer gelungen ist! Das Publikum dankte allen Beteiligten mit sehr viel Applaus. Und alle heiligen Zeiten passierte es, dass niemand ein Haar in der Suppe mit Buh-Rufen bedachte. 

Johannes Marksteiner   

 

WIEN/ Theater an der Wien: EGMONT – Urauffürung zum Beethoven-Jahr

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Wien/ Theater an der Wien: „Egmont“ – Uraufführung zum Beethoven-Jahr am 17.2.2020

Zum Beethoven-Jahr hat sich das Theater an der Wien eine Uraufführung geschenkt. Der Komponist Christian Jost und der Librettist Christoph Klimke haben sich Goethes „Egmont“ vorgenommen, zu dem Beethoven bekanntlich eine Schauspielmusik geschrieben hat. Der Gesamteindruck war ein sehr „anlassbezogener“.


Bo Skovhus. Foto: Monika Rittershaus

http://www.operinwien.at/werkverz/jost/aegmont.htm

Dominik Troger/ www.operinwien.at

WIEN / Theater an der Wien: EGMONT

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Fotos: © Monika Rittershaus 

WIEN / Theater an der Wien:
EGMONT
Oper in fünfzehn Szenen von Christian Jost (2020)
Ein Auftragswerk des Theater an der Wien
Uraufführung
Premiere: 17. Februar 2020

Goethe schrieb mit seinem „Egmont“ (1789 uraufgeführt) ein hoch politisches Stück: Der Freiheitskampf der Niederländer im 16. Jahrhundert, der von der spanischen Besatzungsmacht brutal unterdrückt wurde. Der heldenhafte Graf Egmont, der auf edelste Weise von Freiheit träumt, wird ein Opfer des gnadenlosen Machtpolitikers Herzog Alba. Dazu hat Goethe dem Grafen (ganz im Gegensatz zur historischen Realität) noch ein junges, bezauberndes Bürgermädchen zur Geliebten gegeben: Klärchen. Freiheit und große Liebe – welch ein Stoff für Beethoven, der Goethes Werk 1810 mit einer leidenschaftlichen Bühnenmusik versah… von der im allgemeinen nur die Ouvertüre übrig geblieben ist.

Das Theater an der Wien wird Beethovens „Egmont“-Musik aufführen, aber der zeitgemäßere Ansatz, dem Beethoven-Jahr etwas hinzuzufügen, schien der Auftrag für eine neue „Egmont“-Oper. Er erging an den international erfolgreichen deutschen Komponisten Christian Jost, der offenbar auch sehr in das Libretto von Christoph Klimke eingriff. 15 Szenen, 95 pausenlose Minuten – die Uraufführung im Theater an der Wien zeigt, dass den Herrn da eine ziemlich brutale, schreckliche Geschichte gelungen ist. Und Regisseur Keith Warner trug alles Erdenkliche dazu bei, dass sie schmerzhaft unter die Haut ging…

Natürlich fragt man sich nach dem dramaturgischen Faden eines Geschehens, das mit weitestgehend abgehobener Sprache erzählt wird – und das auch noch so, dass man den Text mit Sicherheit nicht versteht. Man hängt an den Übertiteln, wüsste sonst im Detail kaum, worum es geht. Auf kürzesten Zeitraum soll die Geschichte von Egmont und Alba, die einander in einer großen Szene konfrontieren, vor sich gehen, zugespitzt auf Tod und Hinrichtung des Grafen – was dann von Klärchen, hier zu Clara geworden, mit stilisierten Engelsflügeln gewissermaßen verhindert wird.

Kaum etwas an dem Werk ist real zu nehmen, das Fließen der Musik (man möchte es „Floaten“ nennen, es würde die Emotion besser treffen) gibt dem Geschehen etwas absolut Irrationales. Im Programmheft heißt es, der Komponist entwickle für sein Musiktheater „eine Zeit und Raum auflösende, magische Dramaturgie“. Das trifft es ganz gut – umso größer ist die Aufgabe für die Regie.

Bleiben wir noch kurz bei der Musik – man hat das Gefühl, es mit dahinschwebenden Flächen zu tun zu haben, die jeden üblichen opernhaften Ausdruck vermeiden, nur reichen Anteil aus Geräuschen, aus gelegentlichen Instrumentensoli beziehen. Mal denkt man an Glass, mal an Orff, aber es ist einfach Jost – und die einzige Gefahr besteht darin, dass es einförmig werden kann, weil die dramatische Ausformung fehlt. Die Singstimmen haben auch nichts mit dem Orchester zu tun, sie liegen darüber, meist atonal geführt, wenn viele zusammen kommen, landet man in der Kakophonie. Aber an Stimmung, an böser Stimmung, fehlt es nicht.

Man kennt Keith Warner als einen Regisseur, der eher versucht, ein Werk zu realisieren als sich selbst. Hier hatte er das richtige Gefühl, viel einbringen zu müssen, sowohl in der Überzeichnung der Figuren (wenn man schon nicht versteht, was sie singen, soll man wenigstens begreifen, wer und wie sie sind) wie in der Visualisierung. Dass man nicht immer alles versteht, was der Regisseur einbringt (unvermittelt eine Szene in einem heutigen Kaffeehaus, wo Männer Zeitung lesen???), passiert einige Male. Auch will er der Brutalität der Handlung Rechnung tragen – in einer Folterszene sticht Alba dem gekreuzigten Opfer noch mit einem glühenden Dreizack die Augen aus… Sehr viel Sadismus geht hier mit Machtmissbrauch Hand in Hand. Da mittlerweile alle Beteiligten verkündet haben, auch diese Oper wende sich gegen die „rechte“ Gefahr in unserer Welt, kann ein Mann wie Alba gar nicht grausam genug gezeichnet werden.

Ashley Martin-Davis schuf eine Ausstattung, die voll von Ideen ist – freilich, warum Akrobaten wie beim Cirque du Soleil vom Bühnenboden herabturnen müssen, macht ebenso wenig Sinn wie die weiße Allongeperücke für den Herzog von Alba, denn diese gab es im 16. Jahrhundert nun wirklich noch nicht. Plötzlich ist der Himmel voller Kraniche, schräg gestellte „Zellen“ bevölkern die Bühne, Clara sitzt in einer Badewanne. Und nein, Margarete von Parma wurde absolut nicht von Alba (mit einer Pistole!) und ihrem schurkischen Sekretär Machiavelli (nicht mit Niccolo Machiavelli zu verwechseln) getötet. Aber historische Wahrheit ist im Zusammenhang mit dieser Geschichte und dieser Inszenierung, die beide die nötige Handbreit über dem Boden schweben, nicht angesagt. Es ist eine Bilderflut, die manches kompensieren soll, was Substanziell (absichtlich) fehlt und jene Irrealität beschwört, die Komponist und Librettist angedacht haben.

Nicht der Titelheld steht im Zentrum, der litauische Tenor Edgaras Montvidas durchschreitet das Geschehen so ziemlich als Mann ohne Eigenschaften.

Dafür grinst Bo Skovhus als Herzog Alba die Inkarnation des Bösen mit wahrer Lust. Ausgefeilt ist die Figur der Margarete von Parma – verfressen, versoffen und geil stellt Angelika Kirchschlager ein höchst unkönigliches Frauenzimmer auf die Bühne (die Dame war immerhin die Tochter von Kaiser Karl V.!!!), Aus dem zarten Mädchen Klärchen ist eine gestandene Clara geworden, die reife Gefährtin des Helden: Maria Bengtsson, sehr blond, muss sich stimmlich stets in den höchsten Höhen bewegen. Dunkel gurrt der Ungar Károly Szemerédy ihren Sekretär im Wagner-Stil, und die junge Theresa Kronthaler hat als Albas Sohn eine dramaturgisch kaum klar umrissene Funktion. Der Arnold Schoenberg Chor (geleitet von Erwin Ortner) steht in verschiedenen, nicht immer erkennbaren Funktionen auf der Bühne. Für den opulenten Klangteppich sorgt Michael Boder am Pult des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien.

Es war ein höflicher Achtungserfolg. Der Blick auf die Uhren war verbreitet (selber schuldig, aber auch bei einigen Nachbarn bemerkt), und eineinhalb Stunden fühlten sich überlang an. „Egmont“ ist eine Oper, der man mit Interesse begegnet ist. Aber einmal genügt.

Renate Wagner

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