Die letzten Tage der Wiener Festwochen: Schubert mit Animationsfilmchen und auch ein bisschen Lärm um Nichts
Wie schön wäre Wien ohne Wiener …. für den scharfzüngigen Georg Kreisler, jetzt, jetzt endlich wäre es für ihn bei den Wiener Festwochen schon einige Zeit so zu erleben gewesen. Nun, ein paar Wiener, Halbwiener wenigstens, sind wohl noch im Team mit dabei. Und das Wiener Publikum, gemischt dosiert nach dem jeweiligen Angebot, hat das anregende Programm von Kurzzeit–Intendant Markus Hinterhäuser schon sehr wohlwollend angenommen. Einmalig ist allerdings, dass eine europäische Kulturmetropole mit einer derartigen Fülle an Veranstaltung kein eigenes kreatives Schaffen anzubieten hat. Ja, und dort, wo sich die Festwochen direkt auf öffentlichen Plätzen vorstellen, sich an das Straßenpublikum wenden, dort wagt man mit “Into the City” nicht die eigene Sprache zu sprechen.
Die Stimmung in den diversen Spielstätten: Überwiegend optimal! Auch wenn so manches vom elitären Festwochen-Publikum überschätzt wurde. Etwa die visuelle Konzeption und Inszenierung den Südafrikaners William Kentridge von Schuberts “Winterreise” mit Animationsfilmchen und Videoeinspielungen, reich an Kritzeleien, ästhetischer Grafik. Eine nette Bilderfolge, doch insgesamt eher beiläufig und locker spielerisch illustrierend erdacht, ohne der Substanz, dem Tiefengehalt der Poesie von Franz Schubert und seinem Dichter Wilhelm Müller nahe zu kommen. Stimmig und ausdrucksstark, weitgehend auf Raffinessen verzichtend, wurde dieses “Trio für Sänger, Pianist und Filmprojektor” von Matthias Goerne gesungen, von Markus Hinterhäuser konzentriert, harmonisch begleitet und vom Publikum im Museums-Quartier gefeiert .
Viel Gejammer, Gestöhne, viel zu viel des Geschreis, immer wieder so ähnlich, hatten die Zuseher in den drei Aufführungen von Georg Friedrich Haas´ “Bluthaus” auf einen (eher literarisch banalen?) Text von Händl Klaus im Theater an der Wien zu ertragen. Und applausfreudig angenommen. Viel Lärm um Nichts. Inszenator und Bühnenbildner Peter Mussbach hat das schicke Totenhaus auf dem Lande, in dem kein Blut zu sehen ist, doch viel geplappert und gestikuliert wird und nur in wenigen Momenten auch Spannung einkehrt, mondän hergerichtet. Dirigent Peter Rundel hat den singenden, schreienden, gestikulierenden Sängern und Schauspielern (in den kleineren Rollen, mit Mikroboards verstärkt) Anweisungen zu geben, um einigermaßen zur rechten Zeit einzusetzen oder die belanglose Konversation fortzuführen. Der Gesangsstil erinnert an die Experimentierepoche der 70er Jahre, das ruppige Klangbad an Produkte aus den damaligen Studios für elektronische Musik.
Weit heiterere Stimmung erlaubten in “Coup Fatal” die 14 black boys, die blendend singend (mit Countertenor Serge Kakudji an der Spitze) und tanzend und trommelnd und shakend zu einer Monteverdi-Bach-Händel-Vivaldi-Gluck-Tour mit E-Gitarren-Sound und Afro-Rhythmen angetreten. Das hat schon frisch und lebendig und echt gut geklungen. Starchoreograph Alan Platel arrangierte diese Koproduktion Brüssel/Kinshasa/Wien im Burgtheater stilsicher und konnte in dieser Barock/Black/Swing-Mixtur immer wieder mit kleinen Überraschungen aufwarten.
Musikalisches Bildertheater auch aus Singapur, allerdings etwas weniger überzeugend: Europäische Erstaufführung von “Ten Thousend Tigers” von Ho Tzu Nyen im Museums-Quartier. Mit Elektronik, Videos, Pantomime eine anklagende südostasiatische historische Kriegsparade. Exotisch, doch nicht allzu eindringlich überzeugend inszeniert. Und noch um eine ganz kurze Musiktheater-Bilanz der Wiener Festwochen zu versuchen: Optisch aufwendig und mit Tricks und Phantasie aufbereiteter Musikgenuss (oder so manches schrilles Klangbad) kann bei solch einem Festival weit interessanter, bunter und einfallsreicher geboten werden, als es die Publikumsregulative von Staats-, Stadt- oder Bundesthater erlauben.
Meinhard Rüdenauer