WIENER STAATSOPER – 17.06.2014 – Die Zauberflöte
Wenn man Mitte Juni in der Wiener Staatsoper eine Repertoirvorstellung der Zauberflöte besucht, trifft man auf erfreulich viele Jugendliche, erfreulich viele Touristen, auf zufällige Besucher und auf Stammgäste. Es ist sicher sehr schwer, diesen verschiedenen Gruppen mit den unterschiedlichsten Erwartungen an einen unterhaltsamen Opernabend gerecht zu werden. Die „eierlegende Wollmilchsau“ wurde auch mit der Inszenierung von Moshe Leiser und Patrice Caurier nicht gefunden – sie kam eindeutig bei der Jugend und bei den Touristen besser an als bei den „ernsthaften“ Opernfreunden und –kennern. Der Klamauk- und Kitschfaktor war schon sehr hoch, wir bekennen aber gerne, dass wir uns in der Staatsoper schon lange nicht mehr so unbeschwert amüsiert haben. Die Tierszene mit Bären, Affe, Nashorn und den Sträussen ist wirklich herzig und man erlebt doch noch eine leibhaftige Schlange im Stile von Eliot, dem Schmunzelmonster; das Polizistenballet geht mit den Tutus in seiner Skurrilität an die Grenze zur Peinlichkeit (welche Seite der Grenze liegt sicher im persönlichen Geschmack des Betrachters). Die großzügig präsentierten Flugeinlagen der verschiedenen Akteure und das extrovertierte Spiel des Papageno (zum Teil aus dem Zuschauerraum) lässt die Miene manches seriösen Besuchers versteinern – der Großteil der Jugendlichen hat aber sichtbar viel Spass.
Begeisternd war diesmal das Staatsopernorchester in relativ kleiner Besetzung mit untypisch hohem Damenanteil unter der Leitung von Constantin Trinks. Der junge, deutsche Kapellmeister, der sein „Handwerk“ wirklich noch von der Pike auf gelernt hat, gestaltet eine temperamentvolle, einfühlsame Interpretation, zeigt ungewohnte Details, ist niemals beiläufig und wird den verschiedenen Stilen und Stimmungen der Zauberflöte voll gerecht. Ein echter Gewinn für die nicht unumstrittene Mozart-Kompetenz des Hauses.
Die Gesangssolisten haben sich in der vierten und letzten Vorstellung dieser Serie großteils gut eingestellt und sprühen vor Spielfreude.
Die drei Damen, die in dieser Inszenierung – durchaus zum Libretto passend – keine wirklichen Damen sondern eher ausgeflippte Zirkustänzerinnen sein könnten sind mit Ildiko Raimondi, Christina Carvin und Zoryana Kushpler luxuriös besetzt und harmonieren stimmlich sehr gut.
Benjamin Bruns sang einen unangestrengten Tamino mit schönem – für diese Partie aber vielleicht schon zu heldischem – Tenor. Valentina Nafornita ist als Pamina auf einem guten Weg – es gab in den lyrischen Passagen schöne, deutlich geformte Piani zu hören, die Mittellage war makellos, die zu oft und zu stark forcierten Höhen neigten zur Schärfe – hier wäre weniger mehr!
Der Schwerpunkt des Papageno von Nikolay Borchev war eindeutig die ausgelassene Darstellung des Naturburschen. Ungenauigkeiten in Gesang und Aussprache wurden temperamentvoll überspielt. Passend dazu die als alte Krähe ausstaffierte Annika Gerhards als Papagena, die die „ewigen Gags“ lustig und drollig servierte.
Aus unserer Sicht war Iride Martinez als Königin der Nacht die unerfreulichste Besetzung des Abends. Sie ist den Anforderungen dieser Rolle – die noch dazu den Nachteil hat, dass jeder Opernbesucher jeden Ton kennt – noch nicht gerecht. Auch wenn die meisten Töne richtig gesungen wurden, fehlte – wie schon vor Kurzem als Zerbinetta – die gesangliche Ausstrahlung und die erforderliche Bühnenpersönlichkeit. Dieser Mangel wird in dieser Inszenierung leider noch daurch verstärkt, dass sie beim ersten Auftritt vor Tamino am Boden liegend singen muß: „O zittre nicht, mein Sohn!“ Wir fürchten, hier wird ein vielversprechendes Talent verheizt!
Der Brite Brindley Sherratt hat seine gesundheitlichen Probleme hörbar überwunden und sang einen souveränen Sarastro mit etwas rauhem, technisch gutem Bass und strahlte auch die Würde des Hüters der Weisheit und der Güte aus. Warum er allerdings – als Jagdgehilfe missbraucht – einen erlegten Hirschen auf die Bühne tragen musste, hat sich uns nicht erschlossen.
Die Luxusbesetzung des Abends war Adrian Eröd als Sprecher und 2. Priester – er gab dieser kleinen Rolle mit seinem wunderbaren Bariton eine ungewohnte Wertigkeit. Peter Jelosits war der 1. Priester. Thomas Ebenstein machte – nach den überzeugenden Leistungen in „Ariadne“ und „Hoffmann“ – auch als Monostatos durch sein ambitioniertes Spiel und durch gepflegten, unangestrengten Gesang Freude. Die beiden Geharnischten wurden im Stil von Mafia-Gangstern aus Chikago 1930 von Dan Paul Dumitrescu überzeugend und von Marian Talaba eher unauffällig dargestellt und gesungen.
Die drei fliegenden Knaben kamen von den Wiener Sängerknaben, waren stimmlich gut zusammengestellt und überzeugten besonders gemeinsam mit Pamina in luftiger Höhe.
Der Chor sorgte für würdige aber auch für bedrohliche Momente und ließ keine Wünsche offen.
Die motivierten Jugendlichen und die begeisterten Touristen haben leider auch nachteilige Auswirkungen: Die Gespräche während der Vorstellung waren diesmal besonders laut und störend; das Applausverhalten ist ein weiteres Ärgernis, wenn jeder stille Moment zum Klatschen genutzt wird – nicht einmal Generalpausen in der Ouvertüre wurden verschont. Wahrscheinlich ist das aber der Preis für das wirtschaftliche Überleben des Hauses.
Maria und Johann Jahnas