WIENER STAATSOPER: TOSCA am 23.6.2014
Thomas Hampson. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn
Nach den großteils beglückenden Erlebnissen mit Opern von Strauss und Wagner in den letzten Tagen hat uns mit der Tosca gestern – zumindest auf der Bühne – der Alltag wieder eingeholt. Dafür aber befanden sich die Helden des Abends im Orchestergraben. Philippe Auguin zauberte mit den Philharmonikern eine unglaublich intensive Interpretation der ausdrucksstarken Musik Puccinis. Mächtigkeit und Zartheit, Liebe, Eifersucht, Hoffnung, Verschlagenheit und Verzweiflung wurden vom Orchester in selten gehörter Leidenschaft und Präzision gezeichnet. Sämtliche Instrumentengruppen brillieren – die wunderbaren Hörner – makellos, die Streicher mit dem unvergleichlichen Glitzern – und wenn zu Beginn des dritten Aktes nach einem sensationellen Cello-Zwischenspiel die Soloklarinette die Melodie übernimmt, wähnt man sich im musikalischen Paradies. Eine Tosca – Orchestersuite mit diesem Dirigenten und diesem Orchester hätte das Potential für eine musikalische Sternstunde.
Leider endete das Paradies an der Bühnenkante – oben herrschte, trotz eines Weltstars, durchschnittlicher Repetoirealltag.
Thomas Hampson debutierte als Scarpia – einer der finstersten Bösewichter der Opernliteratur – und es war beim ersten Auftreten klar, dass wir hier einen sehr eleganten Tyrannen mit verbindlichem Charme und gnadenloser Machtpolitik erleben werden – darstellerisch uneingeschränkt ja, gesanglich gelang es weniger überzeugend. Der wundebar tönende Kavaliersbariton, der uns schon in vielen anderen Rollen (Posa, Simon, Amfortas…) und beim Liedgesang begeistert hat, schafft es nicht, die menschenverachtende Bösartigkeit auch stimmlich authentisch abzubilden. Wir glauben zwar nicht, dass man den Scarpia nicht „schön“ singen kann – die Mächtigkeit um „singend“ über Chor und Orchester zu kommen ist aber eine Grundvoraussetzung, die man bei einem Weltstar wie Thomas Hampson einfach erwarten muss.
Floria Tosca wurde von der holländischen Sopranistin Barbara Haveman gesungen, die wir bisher u.A. in der Volksoper als Meistersinger – Eva und in der Staatsoper als Maskenball –und Simon Boccanegra – Amelia erlebt haben (Anm. der. Red.: Haveman sang auch die “Manon Lescaut-Premiere”). Der Sizilianer Marcello Giordani lieferte uns als Mario Cavaradossi eine Studie, was man unter Italianita verstehen kann – bei uns sagt man: der Schmelz wird zum Schmalz.
Die kleineren Partieen wurden rollendeckend – im beiläufigen Sinn des Wortes – aus dem Ensemble besetzt: Marcus Pelz als Cesare Angelotti, Paolo Rumetz als Mesner, James Kryshak als Spoletta und Mihail Dogotari als Sciarrone.
Es ist auffällig, dass Walter Fink in der Mini-Rolle des Schließers die authentischeste Gesangsleistung dea Abends erbrachte und dass – eine Seltenheit – das Kind der Opernschule als Hirt recht gut hörbar war.
Nachdem sich das Orchester – in gewohnter Manier – sehr schnell den Ovationen entzog, war der Applaus in rekordverdächtig kurzer Zeit zu Ende.
Maria und Johann Jahnas