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DÜSSELDORF/Deutsche Oper am Rhein: “WERTHER”– Derniere

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DEUTSCHE OPER AM RHEIN
“WERTHER”
5.Juli 2014 

 

KEIN ANSCHLUSS MEHR UNTER DIESER NUMMER

KEIN ANSCHLUSS MEHR UNTER DIESER NUMMER

Der tödliche Schuss fällt gleich zu Beginn, Werther, sterbend auf seinem Fauteuil, erlebt in Rückerinnerungen seine Begegnung mit Charlotte, steigt wieder in die Handlung ein. Der Kreis schließt sich am Ende, der fiese Albert hindert Lotte zu dem Sterbenden zu eilen, am Ende versuchen sich beide am Telefon zu erreichen, in der erträumten Schlussnummer finden die beiden zwar nocheinmal zueinander, dann aber geht es unerbittlich ans einsame Sterben. Albert legt bei dem toten Werther den Hörer auf, Schluss, aus, kein Anschluss mehr unter dieser Nummer.

Joan Anton Rechi, geborener Andorraner verlegt die Handlung in die Sechziger, sein Bühnenbildner Alfons Flores entschärft diese Wahl mit tatsächlich wirkungsvollen und farbenprächtigen Bildern in einer Art stilisierten Naturealismus`. Zusammen mit der Lichtregie von Volker Weinhart und den beinahe zeitlos stilisierten Kostümen von Sebastian Ellrich ergibt dies einen, einem Comic nicht unähnlichen Rahmen, in dem Werther träumend, phantasierend oder in echt durch die Handlung stolpert. Er wurde aus der Bahn und aus der Welt geworfen und muß in seinen Phantasien sehen, wie Lotte in Albert verliebt ist und sich turtelnd zeigt. Dieser wieder überzieht die Wände seines Heimes mit toten Beutestücken seiner trophäengeilen Jagdleidenschaft, wohl ein Hinweis auf seine Brutalität, die er in den Auseinandersetzungen mit der Gattin auch handgreiflich zeigt, vor allem, wenn er sie straft und daran hindert, dem Todessüchtigen nachzueilen:

Werther_04_FOTO_HansJoergMichel

 

Sergej Khomov ist der schon vorgeprägte Looser, in seiner Haltung aber auch mit dem entsprechenden Timbre der Melancholie, die sich durch alle Nummern zieht und seinen Vortrag glaubhaft macht, eine Art Belkanto der Trauer und Verzweiflung. Und bei Katarzyna Kuncio kommt für die anfänglichen Freuden und die späteren Leiden ein entsprechend schattierter und wo erforderlich auch durchschlagskräftiger Mezzo für diese Rolle gut zur Wirkung. Beiden Darstellern ist der äußerst wirkungsvolle Schlussakt zu danken, bestens unterstützt vom umsichtigen chinesischen Dirigenten Wen-Pin Chien, der aus der Musik Massenets alles Schmachtende und die finale Tragik herausholte. Die DüsseldorferSymphoniker erweisen sich dabei als ein hörbar gut austarierter Klangkörper mit feinen Streicheranteilen, die besonders die Herbe des französischen Tons dieser Oper treffen.

Werther_01_FOTO_HansJoergMichel 

Aus dem gut gewählten Ensemble ragen heraus: Die junge und zierliche Israelin Alma Sadé, tatsächlich eine voll ausgebildete und erwachsene Sängerin, die aber für ihre Rolle als Sophie so unglaublich kindlich zu wirken in Stande ist und auch mit entsprechend leichter Tongebung solche Illusionen schafft. Der Albert von Laimona Pautienius, der allmählich in seine Rolle als brutaler Macho hineinwächst und mit entsprechenden stimmlichen Mitteln unterstreicht. Sami Luttinen ein Bailli wie aus einem alten Bilderbuch und ebenso köstlich als Typen Bruce Rankin, Daniel Djambazian und Attila Fodre als Schmidt, Johann und Brühlmann. Insgesamt wirkt die Szene als eine zeitlos romantische, so dass die beiden Telefone beinahe störend wirken und wohl eher als eine Reminiszenz an “La Voix Humaine” von Francois Poulenc gedacht sind. Da hätte sich allerdings noch Charlotte mit der Telefonschnur erdrosseln müssen.

Die Derniere dieses Stückes war nur schwach besucht, da scheint das Schicksal der Rheinoper das gleiche wie das der Wiener Volksoper zu sein, aber leider kann man Zehntausende von Besuchern dieser Stadt (erst recht jetzt nicht zur Finalzeit der Fußball-WM) nicht umpolen und dazu anhalten, von den weithin bekannten und beliebten Ess- und Trinkmeilen aus auch einen kurzen Abstecher in ernsthaftere Gefilde zu wagen. Nein, vergessen Sie diesen ernsthaft-feinsinnig gedachten letzten Satz, hier versinkt momentan der Thespiskarren in Fußball, gute Laune und Ausgelassenheit und Suff.

 

Peter Skorepa
Fotos: Deutsche Oper am Rhein/ Hans Jörg Michel

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