Berlin Komische Oper CLIVIA 7.7.2014
„Man spricht heut nur noch von Clivia!“ Standing Ovations und Jubel für die Geschwister Pfister bei ihrem flott frech schrägen Traumausflug nach Boliguay
Die Geschwister Pfister. Foto: Komische Oper Berlin/ Gunnar Geller
„Eine Woche Opernrausch!“ an der Komischen Oper vom 7.7. bis 13.7., wo alle Premieren der Saison nochmals Revue passieren und der Gast mit einem Glas Sekt im Vestibul empfangen wird. Da ist es wieder, das Berliner Theaterwunder. Man nehme eine erstklassige Operette der 30er Jahre, versehe das „Personal auf der Bühne“ mit den Besten der Komischen Oper und der Berliner Szene, schnitze einen unverwechselbaren Rahmen dazu und fertig. So geschehen mit Nico Dostals Kitsch- Rühr- und Kuriositätenkabinett Clivia. Das geniale Team Stefan Huber (Inszenierung), Danny Costello (Choreographie), Stephan Prattes (Bühnenbild) und Heike Seidler (Kostüme), erweckt es in musikalischen Arrangements von Kai Tietje zu schrill kinky queerem Leben. Uraufgeführt wurde die im südamerikanischen Fantasy-Staat Boliguay spielende Operette rund um „Dollar-Diplomatie“, Imperialismus und Militärputsch in Berlin im Theater am Nollendorfplatz (dem heutigen Clubbingtempel Goya) am 23. Dezember 1933. Ein ähnliches Sujet rund um den Chaco-Krieg, der sich schon damals um das liebe Erdöl drehte, zwischen Bolivien und Paraguay hatte übrigens auch Kurt Weill 1934 in seiner Operette „Der Kuhhandel“ vertont.
Swing, Foxtrott, Berliner Marsch, südamerikanische Rhythmen, Wiener Operette mit Revuecharakter, herrlichste Schnulzen am laufenden Band, Regisseur Stefan Huber macht daraus die große Show für die Pfisters. Ein Kulttrio, das Schlager wie „Mit Dir will ich durchs Leben wandern“ gekonnt neu interpretiert, großartig singt und denen „der Arsch juckt“ vor lauer Musikalität und Bühnenlust. Allen voran und an verwegener Köstlichkeit kaum zu überbieten Christoph Marti alias Ursli Pfister in der Rolle der launischen US-Filmdiva Clivia Gray. Alleine schon, wie der schöne Ursli die Treppe runterhuscht à la Greta Garbo, die blauen Augen kess verdreht und schmachtet, ist schon hollywoodreif. Ihr Lied „Ich bin verliebt“ ist absoluter Höhepunkt der Aufführung. Selbstredend mussten alle Nummern für die Clivia von Sopran auf Bariton transponiert werden. Das wonderful girl Clivia wiederum muss für die Arbeitserlaubnis des Filmteams den boliguayischen Gaucho Juan Damigo heiraten. Die Filmaufnahmen sollen diverse dunkle Geschäfte und Machenschaften des US-amerikanischen Industriellen E.W. Potterton (Stefan Kurt) Undercover halten. Dieser will die US-hörige Vorgängerregierung wieder installieren. Leider entpuppt sich der vermeintliche Gaucho als der Revolutionsführer Juan Olivero himself, dem Tobias Bonn eine köstliche Fidel Castro-Reverenz im Outfit Douglas Fairbanks verpasst. Sängerisch ist dieser Pfister-Bruder vorzüglich markant und hat natürlich jede Menge an romantischen Duetten mit schon so saublöden Texten, dass sie wieder gut sind, bis zum finalen Happy End mit dem Filmstar zu bestreiten. Damit aus der Scheinehe eine echte Liebesverbindung werden darf.
Das Buffo „Nebenliebespaar“ wird vom Sensationsreporter der Chicago Times, Lelio Down und Yola, Kusine des Revolutionsführers und militärische Anführerin der kessen Amazonenarmee Boliguays ganz anzüglich bestritten. „Pfisterin“ Andreja Schneider und Peter Renz, Faktotum aus dem Ensemble der Komischen Oper, machen sowieso jeder Bühne Ehre. Die Amazone mit dem weichen Herz und der sensationslüsterne Reporter, sind wahrlich eine herzergreifende wildschräge Paarung. Übertroffen nur noch vom schrulligen Berliner Erfinder Gustav Kasulke mit seinem „Pennewohl“, einer Schlafmaschine in Gestalt eines Sprengkastens. Christoph Späth sowie Max Gertsch als Schankwirt Caudillo liefern dazu Schrulli-Studien der Sonderklasse.
Zum große Tempo, der unwiderstehlichen Verve des Ganzen, dem Spanischen à la Broadway tragen aber nicht zuletzt Chor, Tänzer und Orchester der Komischen Oper Berlin bei. Sie alle dürfen sich beim finalen Vorhang das wohlverdiente Hurra und Bravo mit dem flotten Dirigent Kai Tietje teilen.
„Wunderbar; wie nie ein Wunder war, berauscht du mich noch mehr als süßer Wein! Wunderbar, wie alle hundert Jahr‘, so schön ist mein Gefühl, so groß und rein.“
Ingobert Waltenberger