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GIESSEN: DIE EROBERUNG VON GRANADA von Emilio Arrieta

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Spanische Opernrarität in Gießen:

„Die Eroberung von Granada“ von Emilio Arrieta (Vorstellung: 11. 7. 2014)

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Carol Brown faszinierte im 3. Akt mit ihrem brillanten Flötensolo (Foto: K. Wegst)

 Wie in jedem Jahr bot das Stadttheater Gießen auch in dieser Saison eine besondere Opernrarität:  „Die Eroberung von Granada“ von Emilio Arrieta, die im Jahr 1850 im Teatro de Real Palacio in Madrid uraufgeführt wurde und fünf Jahre später unter dem Titel „Isabel la Católica“ am Teatro Real herauskam. Erst nun erlebte sie in Gießen ihre deutsche Erstaufführung.  

 Emilio Arrieta (1823 – 1894) bekam seine musikalische Ausbildung am Mailänder Konservatorium und verbuchte bereits im Alter von 23 Jahren mit seinem Erstlingswerk „Ildegonda“ einen sensationellen Erfolg, der Königin Isabella II. von Kastilien dazu veranlasste, ihn zum Hofkomponisten zu ernennen und ihm in Madrid im Königspalast ein eigenes Opernhaus einbauen zu lassen. Zum Dank widmete er der Königin seine Oper „Die Eroberung von Granada“.  Im weiteren Verlauf seiner Karriere – er wurde Direktor des Konservatoriums von Madrid und schuf die Opern „Marina“ und „San Franco de Sena“ – war er besonders als Komponist von Zarzuelas erfolgreich, die auch heute noch regelmäßig auf den Spielplänen der spanischen Theater stehen.

Die Oper „Die Eroberung von Granada“, deren Libretto Temistocle Solera verfasste, spielt in Andalusien im Jahr 1492, in einer Zeit, in der sich die politische Landschaft Europas grundlegend änderte. Mit der Vertreibung der Mauren aus Spanien wurde eine einflussreiche und faszinierende Kultur verbannt, gleichzeitig stach mit Unterstützung der spanischen Krone Christoph Kolumbus in See und entdeckte einen neuen Kontinent. 

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Giuseppina Piunti brillierte als katholische Königin Isabella (Foto: Rolf K. Wegst)

Die Handlung der drei Akte kurz zusammengefasst: Inmitten des wilden Kriegsgetümmels um die Alhambra von Granada verlieben sich der christliche Ritter Gonzalo und Zulema, die Tochter des Emirs von Granada. Die spanische Königin Isabella I. verlangt von Gonzalo, den maurischen Krieger Almanzar, den Bruder von Zulema, zu töten. Da Gonzalo Gewissensbisse plagen, bietet ihm sein Freund Lara an, an seiner Stelle den Zweikampf zu führen. Almanzar fällt im Duell und der Emir Muley Hassem verflucht seine Tochter. – Der gefangen genommene Gonzalo soll am Grab Almanzars hingerichtet werden. Da erscheint Lara und gesteht, dass er Almanzar getötet hat. Muley-Hassem begnadigt die beiden Christen, wodurch er sich die Wut von Alamar und den maurischen Kriegern zuzieht. – Königin Isabella beschließt, die anstehende Expedition von Kolumbus finanziell zu unterstützen. Gonzalo erbittet von der Königin eine Waffenruhe zwischen Christen und Mauren. Als er jedoch erfährt, dass Zulema und ihr Vater von den Mauren in ein Verlies gesperrt wurden, ändert er seine Meinung und will den Krieg gegen die Mauren fortsetzen. Im Gefängnis träumt der Emir von seiner verstorbenen christlichen Frau, der Mutter Zulemas, und bekennt sich zum Christentum. Gonzalo befreit die beiden aus dem Verlies – und die Mauren übergeben die Stadt Granada den Christen, Königin Isabella kann endlich die Alhambra betreten.

 Cathérine Miville, die Intendantin von Gießen, inszenierte das Dramma lirico „La conquista di Granata“ – es wurde in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln aufgeführt –, das anspruchsvolle Arien und große Chorszenen aufweist, recht packend, wobei sie die Drehbühne geschickt auszunützen verstand. Für das maurisch-spanische Ambiente sorgte Lukas Noll mit seiner einfallsreichen Bühnengestaltung und prächtigen Kostümen. Für die Lichteffekte sorgte Christopher Moos, für das Video, das allerdings durch seine grausig-blutrünstige Gestaltung als Fremdkörper wirkte, Martin Przybilla.

 Aus dem erstklassigen internationalen Sängerensemble ragte die italienische Mezzosopranistin Giuseppina Piunti heraus, die ihre Rolle der Königin Isabella mit stimmlicher und schauspielerischer Brillanz darstellte. Großartig ihre Arie im dritten Akt, in der sie mit majestätischer Würde, aber auch Stolz ihre poltische Weitsicht preist. Ihr ebenbürtig der uruguayische Tenor Leonardo Ferrando als Gonzalo, der Feuer und Leidenschaft auch stimmlich zu übermitteln vermochte.  Zulema, seine Geliebte, wurde von der baskischen Sopranistin Naroa Intxausti nicht weniger leidenschaftlich gesungen, wobei auch ihr Mienenspiel von starker Ausdruckskraft war. Ihren Vater, den Emir Muley-Hassem, stellte der rumänische Bassbariton Calin-Valentin Cozma mit sonorer Stimme und großer Bühnenpräsenz dar. Gonzalos Freund Lara wurde vom amerikanischen Bariton Adrian Gans mit dunklem Timbre in der Stimme gespielt.

 Die gute Ensembleleistung rundeten in kleineren Rollen noch der deutsche BaritonTomi Wendt als Boabdil und der bulgarische Bass Aleksey Ivanov als Alamar ab. Für einen musikalischen Höhepunkt des Abends sorgte die Flötistin Carol Brown mit ihrem zauberhaft gespielten Flötensolo, das auf das Publikum eine faszinierende Wirkung ausübte, wie aus den Gesprächen nach der Vorstellung herauszuhören war.

 Eine zentrale Rolle kam dem Chor des Stadttheaters (Einstudierung: Jan Hoffmann, der seit vielen Jahren auch als Chordirektor der Ludwigsburger Schlossfestspiele wirkt und auch Dirigent dieser Produktion ist) zu. Er hatte als maurische Krieger, aber auch als trauernde maurische Frauen große Szenen, in denen er mit kräftigem Stimmvolumen beeindruckte.

 Das Philharmonische Orchester Gießen brachte unter der engagierten Leitung von Jan Hoffmann die von großem melodischem Reichtum geprägte Partitur des spanischen Komponisten, die auch viele reizvolle orientalische Elemente aufweist, nuancenreich zum Klingen. Ein großer Opernabend, der das begeisterte Publikum immer wieder zu Szenenbeifall animierte. Am Schluss belohnte es alle Mitwirkenden mit minutenlangem Applaus und vielen Bravorufen.

 Der Intendantin des Stadttheaters Gießen muss zu dieser gelungenen und verdienstvollen Ausgrabung gratuliert und gedankt werden. Man darf gespannt sein, wann und wo dieses musikalische Meisterwerk wieder zur Aufführung gelangen wird…

 Udo Pacolt

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