Dresden / Gläserne Manufaktur von Volkswagen: “KLASSIK PICKNICKT” – 12.7.2014
Die zu einer schönen Tradition gewordene, alljährliche Open-Air-Veranstaltung “KLASSIK PICKNCIKT“ vor der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen ist beliebt und wird immer beliebter. Die Besucherzahlen sprengen schon seit Jahren den vorgesehen Rahmen, so dass die 3500 Karten in diesem Jahr schon 2 Monate vorher ausverkauft waren und die “Zaungäste” inoffiziell die eigens dafür gesperrte Hauptstraße und die sogenannte „Cockerwiese“ in großem Radius rund um den offiziellen Bereich mit einbezogen. Deshalb wird erwogen, das Konzert evtl. künftig zweimal aufzuführen.
Es ist eine wunderbare Atmosphäre, wenn unter freiem Himmel hochkarätige Klassik erklingt. Erstmals in diesem Jahr ließ es sich Christian Thielemann nicht nehmen, dieses Open-Air-Konzert in dieser besonders volkstümlichen Veranstaltungstradition selbst zu leiten. Prominenter Gast war der in Dresden sehr gern gesehene Capell-Compositeur 2000, Rudolf Buchbinder, der in der “Burleske d-Moll für Klavier und Orchester” von Richard Strauss den Klavierpart übernommen hatte. Hier wurde die „Burleske“ allerdings mehr zum Konzert für Pauke, Klavier und Orchester, eine sehr burleske Lesart! Es ist offenbar ein neuer Trend, die Pauke zum Soloinstrument „umzufunktionieren“, so dass auch die als „Untermalung“ des Gesamtklanges gedachten Paukenschläge „solistisch“ zu hören sind.
Die wunderbare Anschlagstechnik und Gestaltungskraft Buchbinders und vor allem seine sanften gefühlvollen Töne, mit denen er so viel ausdrücken kann, wurden hin und wieder von Pauke und Orchester zugedeckt. Bei ihm lebt die Musik von sinnvollen Gegensätzen und Schattierungen. Auf dem eigens an die Bühne angefügten „Steinway & Sons Flügel“ entfaltete sich unter seinen Händen eine breite Palette von sehr temperamentvollen bis sehr sanften, gefühlvollen Tönen. Richard Strauss und seine “Burleske” liebt er jetzt, wie er sagte. Jetzt hat er sie “in den Händen und im Herzen“. Er widmete sich den melodiösen Passagen mit gleicher Liebe wie den echt „burlesken“, temperamentvollen und glättete immer wieder besänftigend die „Wogen“. Nach seiner Werkkenntnis gibt es sogar Parallelen zur „West Side Story“ – „Klauen war damals üblich“ – und an diesem Abend zum Abschluss ein kleines neckisches „Schwänzchen“ wie bei „Till Eulenspiegel“.
Zuerst war dieses Stück für Buchbinder eine “Hassliebe”, denn für alle Pianisten ist Strauss zunächst „eine fremde Welt. „Erst, wenn der Berg erklommen ist, wird Strauss zur großen Liebe“, denn er war ein guter Pianist und hat den Klavierpart mit allen Raffinessen versehen. Hans von Bülow, dem die „Burleske“, seinerzeit gewidmet war, lehnte es ab, sie war ihm “zu widerhaarig”.
Petrus scheint auch Musikliebhaber zu sein, denn obwohl ziemlich dicke, dunkle Regenwolken am Himmel hingen, fiel kein Tropfen, dann wäre der, an die Bühne angeschobene, Steinway & Sons nass geworden und zumindest die „Burleske“ buchstäblich ins Wasser gefallen.
„Da Richard Strauss sehr wenig für Klavier komponiert hat“, wie Buchbinder erzählte, wechselte er für eine Zugabe mit echt wienerischem Charme von der Donau an die Elbe, von Wien nach Dresden und von Richard Strauss zu Johann Strauß. Hier konnte man seine Anschlagskultur und pianistische Gestaltungskunst genießen und sich auf das 2. Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden freuen (Anfang September), bei dem er das „1. Klavierkonzert“ von Chopin spielen wird.
Im 2. Teil des Konzertes folgte Ludwig van Beethovens berühmte und beliebte „Eroica“. Die Musikerinnen und Musiker der Sächsischen Staatskapelle Dresden spielen immer mit ganzem Einsatz. Ganz gleich, ob Konzert, Oper, Ballett oder Open Air. Auch hier dominierten wieder Pauke und Lautstärke, wurde das Kraftvolle, Heldenhafte betont. Als aber gerade an der sensibelsten, leisesten Stelle des getragenen 2. Satzes ein Militärflieger das Gelände überflog, musste Thielemann abbrechen. Charmant meinte er: „Wenn es vorbei ist, fangen wir wieder an“, was dann auch mit Hingabe geschah.
Alle diese „Klassik-Picknickt“-Konzerte brachten etwas Besonderes, einen spanischen, chinesischen, russischen Abend. Jetzt gab es einen deutsch-österreichischen. Wie Buchbinder meinte, haben „Wien und Dresden gute Traditionen. Die sollte man pflegen“.
Ingrid Gerk