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SALZBURG/ Haus für Mozart: FIERRABRAS von Franz Schubert. Premiere

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Franz Schubert: “Fierrabras” — Salzburger Festspiele, 13. August 2014 (Première)

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Benjamin Bernheim, Julia Kleiter, Staatsopernchor. Foto: Salzburger Festspiele, Monika Rittershaus

Nach der “besten Festspiel-Opernproduktion seit langem” und einem nicht nur im Online-Forum diskutierten “Il trovatore” mit einem “der größten Opernsänger, die es je gegeben hat”, feierte am Mittwochabend Franz Schuberts letztes vollständiges Bühnenwerk, “Fierrabras”, D 796, Première.

Nach Nikolaus Harnoncourts Absage übernahm mit Maestro Ingo Metzmacher ein Dirigent, welcher vielen vor allem als Interpret der sogenannten “Neuen Musik” bekannt ist. Wenige wissen, daß Maestro Metzmacher bereits Ende 1989 eine konzertante Aufführung der heroisch-romantischen Oper “Fierrabras” in Brüssel leitete. (Für Ende Oktober sind übrigens in Wien im Rahmen der Philharmonischen Abonnement-Konzerte konzertante Aufführungen des Schubertschen Oratorium “Lazarus”, D 689, in einer Kopplung mit Olivier Messiaens “Et exspecto resurrectionem mortuorum” geplant.) Man durfte also gespannt sein.
Peter Stein siedelte das Geschehen in vergrößerten, zweidimensionalen Stichvorlagen des frühen 19. Jahrhunderts an (Bühnenbild: Ferdinand Wögerbauer), schachspielartig in weißen Kostümen (Annamaria Heinreich) die Franken Karls des Großen, in schwarzen die Mauren Bolands. Der Regisseur durfte am Ende einige Mißfallenskundgebungen vom zweiten Rang entgegennehmen. Ob sein Inszenierungskonzept “langweilig” genannt werden darf? Eine zehnjährige Opern-Novizin war jedenfalls die ganze Vorstellung hindurch hellwach und danach begeistert…

Hervorragend gelöst waren die schnellen Szenenwechsel der Turmszenen im zweiten Akt, wo mit Hilfe intelligent eingesetzter Lichttechnik (Licht: Joachim Barth) Mauern binnen Sekunden zum Erscheinen bzw. Verschwinden gebracht wurden.
Maestro Metzmachers Zugang zu “Fierrabras” ist ein fränkischer: Erdig, manchmal wuchtig erklingt Schuberts Musik, auf der Galerie des Kleinen Festspielhauses (auch: “Haus für Mozart”) immer hörbar von den tiefen Streichern grundiert. Die duftige, federnde, manchmal südländisch anmutende Leichtigkeit Claudio Abbados ist Maestro Metzmachers Sache nicht. Trotzdem warteten die Wiener Philarmoniker mit schlankem Ton auf, erwiesen die Holzbläser Franz Schubert die Ehre. Vom ersten Ton an klang alles sehr vertraut, die Musik passte dem Schubert-Freund wie ein alter Handschuh.

Die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) ergriff alle Gelegenheiten, sich zu präsentieren und klang bis auf wenige Augenblicke präzise. Einer der Höhepunkte war sicher der a cappella-Chor “O teures Vaterland”, bei welchem auch die Lichter im Orchestergraben verloschen.

Die Gesangsleistungen waren durchwegs gut, wenngleich sie an die jener Besetzung, welche Claudio Abbado 1988 bzw. 1990 zur Verfügung stand, nicht ganz heranreichten: Aber Eginhards und Fierrabras’ laufen nun mal nicht in Scharen herum…
Julia Kleiter sang die Partie der “Emma” mit jugendlichem Sopran und ausbaufähigem Volumen bei den tiefen und nicht immer ganz reinen hohen Tönen.
Ihr Eginhard, Benjamin Bernheim, begann als “unterdurchschnittlicher Ritter” (© Anton Cupak), steigerte sich aber mit Fortdauer des Abends. Manchmal hatte man den Eindruck, er wusste nicht genau, wie laut er im Haus zu hören war. Ob ihn Meisterkurse bei Jaume Aragall i Garriga und Carlo Bergonzi rekommandierten?
Georg Zeppenfeld gab den König Karl als würdigen Nachfolger Robert Holls. Wortdeutlich in jeder Phrase, lieferte er — fast ist man versucht, zu schreiben “wie erwartet” — eine der besten Leistungen des Abends.
Markus Werba meisterte die undankbare Aufgabe, Thomas Hampson in der Partie des “Roland” vergessen zu machen, mit Anstand. Darf man sich als Opernfreund nach seinem hervorragenden Schubert/Rihm-Liederabend trotzdem Christian Gerhaher für diese Partie wünschen?
Dorothea Röschmann sang die Partie der “Florinda”, vielleicht die musikalisch interessanteste der Oper. Beeindruckend, wie sie in ihrer großen h-moll-Arie zu fesseln vermochte, um gleich danach eindrucksvoll das Melodram zu gestalten. Teilweise erinnerte sie in Stimmfarbe und -gebung an Cheryl Studers Interpretation auf der CD-Einspielung mit Claudio Abbado.
Marie-Claude Chappuis (Maragond) und Peter Kálmán (Boland) schlugen sich achtbar. Ein wenig mehr stimmliche Präsenz und Kultur wären einem Maurenfürsten allerdings zu wünschen.
Und “Fierrabras”? Michael Schade, dessen hell-timbrierter Tenor nicht jedermanns Gusto ist, demonstrierte seinen jüngeren Kollegen, dass eine auch im Liedfach beheimatete Stimme bei Schubert von Vorteil ist. Er war im ganzen Haus deutlich vernehmbar.

Fazit: Die Sängerleistungen waren gut bis sehr gut, wobei explizit festgehalten werden soll, dass niemand “versang”. (Eine gesangstechnische Beurteilung der Leistungen käme eventuell nicht zu einer derart positiven Einschätzung.) Maestro Metzmacher geizte nicht wie viele andere mit Einsätzen für die Sänger. Trotzdem konnte man sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, das eine oder andere Ensemble- bzw. Chorstück sei nicht so exakt zusammen wie in der Partitur notiert.

 
Ohne Steigerungen bei den Gesangsleistungen bis zu den für die DVD-Produktion vorgesehenen Aufführungen werden Opernfreunde wohl weiterhin zu den Mitschnitten der Wiener Produktion aus dem Jahr 1988 greifen.
Übertragung der Première im Radioprogramm Ö1 am Samstag, den 16. August 2014, ab 19:30 Uhr. 3sat überträgt den Video-Mitschnitt kommender Vorstellungen am Samstag, den 4. Oktober 2014, ab 20:15 Uhr.
Thomas Prochazka

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