Mährens sehenswerte Kulturperlen, 15.08.2014
von Ursula Wiegand
Drei Weinflaschen stehen im Schlosskeller von Kroměříž (deutsch Kremsier) auf dem Tisch, und schon das Etikett lässt erraten, dass es sich um Messwein aus der erzbischhöflichen Kellerei handelt.
Kromeriz, Erzbischöflicher Weinkeller, 3 Messweinsorten. Foto: Ursula Wiegand
In diesem 1266 gegründeten Weinkeller, der 1345 vom böhmischen König Karl IV das Privileg zur Messweinerzeugung erhielt, wird er nach wie vor unter erzbischöflicher Regie produziert und in alten Eichenfässern bei konstanten 9 – 11 Grad Celsius gelagert, was eine optimale Qualität garantiert. Ein Riesenfass mit 19.000 Liter Inhalt lässt vermuten, dass in dieser früheren Sommerresidenz der Olmützer Erzbischöfe niemand dürsten musste.
Kromeriz, Erzbischöfliches Schloss, Messweinfässer. Foto: Ursula Wiegand
Inzwischen beziehen auch evangelische Gemeinden den nach Vatikan-Reinheitsvorschriften erzeugten Messwein. Bürger und Gäste können ihn zu Preisen ab 5 Euro/Flasche kaufen. „Messwein war schon immer Bio und Südostmähren schon immer ein Weinland,“ betont ein Experte.
Kromeriz, Großer Platz mit Erzbischöflichem Schloss
Dem Olmützer Klerus verdankt Kroměříž auch sein Stadtbild. Zunächst gründete Bischof Bruno, Graf von Schaumburg (1241 – 1281), nach Magdeburger Muster die Mauritiuskirche und ließ eine Burg errichten, die seine Nachfolger zum Schloss umbauten. Nach Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg und der Entvölkerung durch die Pest sorgte Bischof Karl Liechtenstein-Kastelkorn für den Neubeginn von Stadt und Schloss. Sein heutiges Aussehen und das prächtige Interieur verdankt es zwei Architekten vom Wiener Kaiserhof: Filiberto Lucchese und Giovanni Pietro Tencalla, der auch das Palais Lobkowitz in Wien erbaute.
Kromeriz, Erzbischöfliches Schloss, Kaisersaal, Ausschnitt. Foto: Ursula Wiegand
Hinter der relativ schlichten Fassade – flankiert von fein restaurierten barocken und Jugendstil-Bürgerhäusern – verbergen sich prunkvolle Säle mit üppig bemalten Decken und Wohnräume mit originalem Mobiliar. Die Gemäldegalerie mit Werken von Brueghel, van Dyck, Cranach und Tizian ist die zweitwichtigste des Landes nach der in Prag.
Kromeriz, Erzbischöfliches Schloss, Mozartpartitur. Foto: Ursula Wiegand
Auch die rd. 80.000 Bände hütende Bibliothek ist eine wahre Schatzkammer, noch mehr das Musikarchiv mit über 6.000 Originalpartituren! Zwar stammen die meisten von weniger bekannten Barockkomponisten, doch unter Glas sind auch Mozarts „Larghetto und Allegro für 2 Klaviere“ von 1781 und Beethovens offenbar eilig hingeworfene „Skizze für Variationen in f-Moll“ von 1818 zu sehen.
Geschichte wurde in diesem Bischofsschloss ebenfalls geschrieben, tagte dort doch 1848/49 der Reichstag. Die zur österreichisch-ungarischen Monarchie zählenden Länder berieten über eine neue Verfassung, das aber vergeblich. Der neue Kaiser Franz Joseph I, 18 Jahre jung, löste den Reichstag auf. 1885 traf er sich mit Zar Alexander III im Kaisersaal des Schlosses.
Kromeriz, Kolonnade im Schlossgarten. Foto: Ursula Wiegand
Von der stuckreichen Sala Terrena im Erdgeschoss gelangt man in den Schloss- und Blumengarten, Juwele der Gartenkunst aus dem 17. Jahrhunderts, begrenzt durch eine 244 m lange Kolonnade mit antik inspirierten Figuren und Büsten. Auch das alles hat Signore Tencalla konzipiert, ebenso die Rotunde, einen Lustbau und gleichzeitig der Fixpunkt der kunstvollen grünen Ornamentik.
Kromeriz, Schlossgarten, UNESCO-Welterbe. Foto: Ursula Wiegand
Zehn Jahre hat das Anlegen der Gärten gedauert und soll stolze 75.000 Goldstücke gekostet haben. Schon 1998 hat die UNESCO dieses besondere Ensemble von Schloss und den Gärten zum UNESCO-Welterbe erklärt. Höchste Zeit, dieses fern gerückte Ziel in der Region Zlín selbst zu erkunden.
Velehrad, Kloster und Wallfahrtskirche. Foto: Ursula Wiegand
Und ebenso den Wallfahrtsort Velehrad mit dem 1205 gegründeten ehemaligen Zisterzienserkloster und der Basilika Mariä Himmelfahrt, geweiht 1228. Velehrad gilt als geistiges Zentrum Tschechiens, hier wirkten schon im 9. Jahrhundert die griechischen Missionare Kyrill und Method. Nach Brandschatzung durch die Hussiten und weiteren Bränden war auch dort der Barockbaumeister Tencalla tätig, integrierte aber voller Respekt die romanische Apsis, was von draußen gut zu erkennen ist.
Velehrads prächtige Wallfahrtskirche. Foto: Ursula Wiegand
Nach der Aufhebung des Klosters 1784 durch Österreich und erneuter Schließung während der kommunistischen Zeit ist Velehrad seit 1990 wieder „frei“ und bei organisierten Wallfahrten ein Ziel von mitunter mehr als 10.000 Pilgern. Dabei nutzen die Tschechen diese auch zum Familientreffen mit ihren Verwandten in der heutigen Slowakei.
Luhacovice, Jugendstilbau. Foto: Ursula Wiegand
Einige werden sich anschließend vermutlich im traditionsreichen Kurort Luhačovice erholen, einem Heilbad mit 18 Mineralquellen, die zu den wirkungsvollsten in Europa gehören. Bei langen Spaziergängen entlang einem Flüsschen können sich die Gäste auch an den gepflegten Jugendstilbauten von Dušan Jurkovič erfreuen, die zumeist Hotels beherbergen. Das alles in unseren Augen für „billig Geld“.
Luhacovice, moderne Kirche. Foto: Ursula Wiegand
Luhačovice ist ein gepflegter Ort mit angenehmem Klima und überrascht sogar mit der modernen Kirche „Heilige Familie“, erbaut nach Plänen der Architekten Michal Blix und Petr Franta gleich nach der „Samtenen Revolution“ von 1989. Schon 1990 besuchte Papst Johannes Paul II das Kirchlein, ebenso die stattliche Marienkirche in Velehrad.
Zlín, die Hauptstadt der gleichnamigen Region, sollte auch nicht fehlen. Dass sie durch den Unternehmer Tomáš Baťa (1876-1932) geprägt wurde, zeigen die zahlreichen Ziegelbauten aus jener Zeit.
Zlin, Bata-Fabrikationsgebäude. Foto: Ursula Wiegand
Er gründete, selbst aus einer traditionsreichen Schumacherfamilie stammend, 1894 dort die erste Schuhfabrik und war in den 1930’er Jahren Weltmarktführer im Schuhgeschäft. Sein Motto: „Selbst ein schweigsamer Mensch spricht durch seine Schuhe.“ Zum Transport seiner Erzeugnisse ließ er sogar den Baťa-Kanal bauen. In einer Ausstellung im Baťa-Gebäude sind Schuhe aus aller Welt zu sehen, vom echten indianischen Mokassin bis zum dicken Arktis-Stiefel, und von schicken Pumps, heutigen Freizeitschuhen bis zu ganz kuriosen Modellen.
Zlin, Bata-Siedlung für die Arbeiter. Foto: Ursula Wiegand
Als Technikfan interessierte sich Tomáš Baťa sehr fürs Fliegen und ließ in seinen Hallen auch Segelflugzeuge fertigen. Außerdem rief er bekannte Architekten, wie F. L. Gahura, V. Karfik und M. Lorenc, nach Zlín. Die schufen im Stil des Funktionalismus eine Stadt inmitten von Gärten und Parks, darunter eine wegweisende Wohnsiedlung im Grünen für seine Arbeiter. Auch in anderen Ländern, wo Tomáš Baťa produzieren ließ, veranlasste er den Bau von Arbeitersiedlungen. Nach der „Samtenen Revolution“ kaufte sein Sohn Teile des verstaatlichten Besitzes zurück.
Zlin, neues Kongresszentrum. Foto: Ursula Wiegand
Einen deutlichen Kontrast zu den funktionalistischen Ziegelbauten bildet das neue Kongresszentrum von Eva Jiřičná, ein Schwarz-Weiß-Bau, an den Dachkanten mit lichten Dreieckshauben, fast wie mit Spitze, verziert.
Zlin, neues Kongresszentrum, großer Saal. Foto: Ursula Wiegand
Drinnen zunächst strenges Schwarz-weiß, gefolgt vom einem Lila-Schock im Großen Saal. Beim Sprechen erschien die Akustik gut, ob sie es auch bei Musikdarbietungen ist, ließ sich nicht überprüfen.
Infos auf Deutsch zu Tschechien unter http:///www.czechtourism.com , zu Ostmähren unter www.moravia-czech.eu .
Die Führung mit Verkostung im erzbischöflichen Weinkeller kostet 85 CZK, rd. 3 Euro.