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DIPLOMATIE

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FilmPlakat Diplomatie~1

Ab 28. August 2014 in den österreichischen Kinos
DIPLOMATIE
Deutschland / Frankreich  /  2014 
Regie: Volker Schlöndorff
Mit: Niels Arestrup, André Dussollier, Robert Stadlober, Burghart Klaußner u.a.

Nicht auszudenken, wie die Welt heute aussähe, hätten die Deutschen am 25. August 1944 tatsächlich, wie von Hitler befohlen, Paris in die Luft gesprengt, Notre Dame, den Eiffelturm, den Louvre, alles, was an dieser Stadt kostbar ist. Die Tat wäre unverzeihlich geblieben durch Menschengedenken hindurch und weit darüber hinaus, aus diesem Haß hätte sich kein Vereintes Europa aufbauen lassen… Nun, es ist nicht geschehen. Diese Schuld, die Hitler vermutlich so leicht getragen hätte wie Millionen von vernichteten Menschenleben, musste Deutschland nicht schultern.

Was den verantwortlichen General Dietrich von Choltitz, damals „Stadtkommandant von Groß-Paris“, dazu bewogen hat, den Befehl nicht auszuführen, ist bis heute umstritten. Regisseur Volker Schlöndorff entschloss sich, gewissermaßen die „poetische Wahrheit“ der Geschichte auf die Leinwand zu bringen, indem er dazu das Theaterstück von Cyril Gely verfilmte, und zwar in der Besetzung, in der es 2011 im Pariser Théâtre de la Madeleine gespielt wurde. Er hat auch die französische Sprache für die Hauptauseinandersetzung zwischen Choltitz und seinem Gegenspieler, dem schwedischen Generalkonsul Raoul Nordling, für den Film beibehalten, mit seinen Untergebenen spricht der General Deutsch.

Auch spielt der Film nicht ausschließlich in jenem Raum des Hotel Meurice, von dem aus Choltitz agierte, sondern erzeugt rundherum viel Atmosphärisches aus dem besetzten Paris. Aber im Grunde geht es um die Auseinandersetzung der beiden Männer: Choltitz, der anfangs stur „seine Pflicht tun“ will (nicht zuletzt aus Angst vor der Nazi-Sippenhaft, die seine Familie bedroht hätte, wie man im Lauf des Geschehens erfährt), und Nordling, dem in Paris lebenden Schweden, der um jeden Preis und mit brennender Intensität versucht, den Wahnsinn zu verhindern – und schließlich reüssiert.

Das Stück und damit das Drehbuch ist kein Meisterwerk, aber sehr wohl das, was man ein „Well made play“ nennt, eine spannende, psychologisch fesselnde, auch inhaltlich durchaus substanzielle Auseinandersetzung zwischen zwei Männern, denen der Autor durchaus Format gegeben hat – der grundsätzlich „böse Deutsche“ in Nazi-Uniform, so lange dunkler Held vieler Filme, wird heute absolut differenzierter gesehen. 

Der Däne Niels Arestrup und der Franzose André Dussollier, wahrlich zwei große alte Herren differenzierter Schauspielkunst, bringen nicht nur Text, sondern glaubhafte Figuren (so sehr sie auch von „Theater“ umwittert sind). Robert Stadlober spielt einen jungen Offizier, der mit flackerndem Blick die Schwierigkeit offenbart, alles immer richtig machen zu wollen, Burghart Klaußner macht einfach nur gute Figur, Jean-Marc Roulot gibt einen zwielichtigen Unglücklichen, einen Franzosen, der den Deutschen bei der Sprengung von Paris helfen soll…

Der Erste Weltkrieg mit seinem Beginn 1914 mag das Jahr 2014 dominierend beherrschen, aber 70 danach an einen gerade noch verhinderten Wahnsinn der Geschichte zu erinnern, scheint durchaus sinnvoll – und geschieht in einem Film, in dem Volker Schlöndorff Form und Inhalt souverän verbindet.

Renate Wagner

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