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BERLIN/ Waldbühne: DIE CSARDASFÜRSTIN

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BERLIN Kálmán „DIE CSARDASFÜRSTIN“, Seefestspiele auf der Waldbühne 17.8.2013


Károly Peller als Boni, Anna Maria Kauifmann als Sylva Varescu, Ralph Morgenstern als Butler, Szilvi Szendy als Stasi und Zsolt Vadász als Edwin. Foto: Eder Vera/ Seefestspiele 2013

Deutsche Musicaldiva und Operettenfürst vom Budapester Operettentheater geben sich die Ehre. Eine künstlerische Mésalliance. Berlin wird wohl kein Bregenz II werden: Der Versuch, großes Musiktheater in Serie am Ufer des Templiner Sees vor der Potsdamer Halbinsel Hermannswerder bzw. am Wannsee als Festival zu etablieren, dürfte mit dieser Csardasfürstin in der Waldbühne glorios gescheitert sein.

 Holla hoppla. Das als Operetten-Revival vollmundig angekündigte Großevent mit den deutschen „Überraschungsstars“ Anna Maria Kaufmann und Ralph Morgenstern war ein künstlerischer Reinfall erster Klasse im kulturellen Nichts dieses langweiligen Berliner Wahlsommers 2013. Dass das gar nicht zahlreich erschienene Publikum (von den 22.000 Sitzplätzen waren gerade mal ein Fünftel besetzt) sich dennoch hie und da köstlich amüsieren durfte, war ganz der immer noch wirksamen Schunkelmusik Emmerich Kálmáns (Yvonne Kálmán, die Tochter des Komponisten,  gab dem Abend die Ehre) und der schwungvoll-(un)freiwillig komischen Leistung des Budapester Ensembles zu verdanken.

 Regisseur Miklós-Gabor Kerényi beließ die Handlung des Operettenreißers in den Wirren des ersten Weltkriegs. So weit nicht schlecht. Kein gigantisches Open-Air Spektakel wie beworben, sondern Kero, wie er mit Künstlernamen heißt, inszenierte die Edelschnulze als vor allen Operetten-Klischees strotzendes, billiges Null-Acht-Fünfzehn Theater in verblichener Plüsch- und Styroporoptik. Unsägliche Sprüche wie „Sag mal was Heißes!“ – „Bügeleisen!“ sind schon die absoluten Höhepunkte an Dramaturgie. Die einzigen passionierten Theatermomente waren der komödiantischen Butlerstudie des herrlich dekadenten Ralph Morgenstern und dem echten Teufelsweib Anhilte der Bori Kállay alias Kupferhilde als Edwins Mutter zu verdanken. Was für ein ungarisches „Tämpärrramänt“. Aber auch das übrige Ensemble aus Budapest animiert von einem guten Orchester lieferte eine manchmal schräge und fast immer energiestrotzende Bühnenshow. „Wegen des verdammten Krieges gibt es leider nur sechs Sorten Champagner“. Und die werden weder vom tapferen quirligen Buffopaar Boni (spielfreudig Károly Peller) und Stasi (quirlig Szilvi Szendy), noch dem Vater des liebestollen Edwin, dem standesdünkel intriganten Fürst Leopold (Péter Marik), und seiner Kupferhilde verschmäht. Krieg, Soldaten, Verwundete hin oder her. A Gaudi muss sein. Und wie das Publikum nach langer Pause – etlichen Bieren oder Erdbeerbowlen an den wenigen offenen Ständen serviert sei Dank – so richtig in Fahrt kommt und im Takt mitklatscht, so wird auch auf der Bühne mit fortschreitendem Dauerklamauk die Stimmung ausgelassener. Ob Variétémädel oder Soldaten, alle werfen die Beine im Can-Can, wie weiland nur Marika Rökk das konnte.

Und die beiden Hauptrollen? Zsolt Vadász als Edwin wirbelt mit höhensicherem Tenor tolpatschig und herrlich-schrecklich ungarischen Akzent durchs Geschehen, stets seiner Angebeteten Nachtklubdiva Sylva Varescu auf den Fersen. Die wiederum geht nicht nach New York, um dort die große Karriere zu starten, sondern heiratet lieber den Tunichtgut aus adeligem Haus. Man stelle sich heute vor: Lady Gaga verlobt sich mit englisch königlichem Geblüt. Aus mit der Sangeslust. Den Eindruck bekommt man leider auch bei der Sylva Varescu der Anna Maria Kaufmann. Nichts mit der tieferen Wahrheit des Stücks, dass die Kunst den Künstler adelt und die Muse des Gesangs uns aus dem düsteren politischen Alltag entführt und verzaubert. Frau Kaufmann ist ein echter Musicalstar und hat zu Recht Furore gemacht beim Langzeitbrenner „Phantom der Oper.“ Vom Typ her ist sie eigentlich eine ideale „Brettldiva“. Aber leider gibt ihr früh verbrauchter Sopran einfach zu wenig her für die anspruchsvolle Gesangspartie der Csardasfürstin. Das Vibrato ist enorm, die Höhen scharf und gefährdet. Damit macht man kein Operettenfestival. Da hätte Herr Schwenkow schon mehr bieten müssen, um wirklich eine Sensation zu bringen, etwa Angela Gheorghiu für ihre erste Operettenpartie zu begeistern und engagieren. Dann hätte man an goldene Zeiten der Operette anschließen können, wo Diven wie Elisabeth Schwarzkopf oder Anneliese Rothenberger diese heikle Kunst so unnachahmlich veredelten und adelten. Oder aber die Veranstalter hätten einen Regisseur vom Schlage eines Barrie Kosky engagieren müssen, der zuletzt an der Komischen Oper Berlin mit seiner überaus gelungenen Inszenierung von Paul Abrahams Ball im Savoy zu Recht für Furore sorgte. Nur eine provinzielle Produktion einzukaufen und sich auf Ohrwürmer zu verlassen, die von einer tapferen Truppe routiniert launig serviert werden, reicht nicht.

Schade. Es war ein schöner Sommerabend und hätte ein aufregender Operettenabend werden können. Vergebene Gelegenheit. Vielleicht lernen die Veranstalter ja und bieten nächsten Sommer mehr als nur aufgekochten Sud.

 Ingobert Waltenberger

 

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