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ZÜRICH: LA FANCIULLA DEL WEST. Hinreissender Verismo in Film-noir-Manier

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Zürich: Letzte FANCIULLA DEL WEST – Opernhaus 10.10.2014

Hinreissender Verismo in Film-noir-Manier

Barry Koskies filmreife Inszenierung dieses Verismo-Reissers erlebte nach einer Wiederaufnahme-Serie ihre nun vorläufig letzte Aufführung. Schade, denn das ist eine der absolut rundum gelungenen Aufführungen am Opernhaus Zürich. Anders als die vorangegangene Regie von David Pountney legte Barry Kosky den Akzent auf die klaustrophobischen Zustände der Minenarbeiter. Schon beindruckend zeigt sich uns zu Beginn der Oper das stehende Bild mit den mit Stirnlampen ausgerüsteten Minenarbeitern unter Tage. Die Personenführung überzeugt auch noch in der letzten Aufführung: Nicht nur die Protagonisten sind wie Filmschauspieler geführt, sondern auch die vielen hervorragend besetzten Nebenrollen und alle Mitglieder des Herrenchors (Einstudierung: Jürg Hämmerli) singen und spielen jeder einen eigenen Charakter. Besonders gefiel der seit Jahren überaus verlässliche und als echter Yankee agierende Cheyne Davidson (Sonora), ebenso so der immer stimmgewaltige und hier versoffene Ashby von Wells Fargo in der Verkörperung von Pavel Daniluk. Sehr gut die Charakterisierung des Nick durch Martin Zysset, vor allem beim grossen Monolog von Rance, wo er hinter ihm stehend sein „schlechtes Gewissen“ inkarnierte: eine tolle Regie-Idee. Sehr schön Reinhard Mayr (Sid) in seinem kurzen Solo, so auch Dmitry Ivanchey als attraktiver Trin und so weiter und so fort. Gut gesungen, aber regielich für mich nach wie vor nicht einleuchtend, ist die Wowkie von Judit Kutasi. Obwohl als indisponiert angesagt, sang Zoran Todorovich alle hohen Töne mit einer fast beängstigenden Strahlkraft und spielte den Banditen sehr glaubwürdig. Als sein Rivale ist in dieser Regie Jack Rance nicht eine Zweitauflage von Scarpia, sondern ein in sich unsicherer Mensch und eigentlicher Versager, der sich am Schluss der Oper die Kugel gibt. Scott Hendricks spielte in diesem Konzept überzeugend und konnte dabei sogar noch Sympathien beim Publikum erringen. Mit seinem flexiblen Bariton konnte der Sänger die psychotischen Verwerfungen des Jack Rance zudem noch tonschön über die Rampe bringen. Als Glücksfall ist die Minnie des „American Girl“ von Catherine Naglestad zu nennen. Wie sie diese Figur mit allen Fasern erfüllt, ist schon bewundernswert: Sie könnte diese Rolle auch spielen, ohne zu singen. Dass sie dies aber in so überzeugend veristischer Weise tut, ist wirklich imposant. Ihre Stimme hat nicht unbedingt einen sinnlichen Reiz, wird aber gut geführt und kein Wackler beeinträchtigt auch noch so exponierte Forte- wie Piano-Höhen. Dabei ist sie eine Erscheinung wie aus einem Film noir der grossen Hollywood-Dramen und somit diejenige, die das ganze Stück, zusammen mit dem gesamten Ensemble, trägt. Hervorragendes gibt es auch über die famos aufspielende Philharmonia Zürich zu berichten, die unter dem animierten Dirigat von Marco Armilato zu grosser Form auflief.

John H. Mueller 

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