Stuttgarter Ballett: „LEONCE UND LENA“ 12.10. 2014- Frische der Jugend gegen Abnützungserscheinungen
Königskinder wie eine Eins: Daniel Camargo (Leonce) und Elisa Badenes (Lena). Copyright: Stuttgarter Ballett
Ein jüngeres Paar als bei der Wiederaufnahme musste her, um über die bei wiederholter Betrachtung sich teilweise doch als schnell verbraucht herausstellende Komik in Christian Spucks Büchner-Lustspiel-Adaptierung besser hinwegzusehen. Zwischen Elisa Badenes und Daniel Camargo stimmt nicht nur die Chemie, die beiden Publikumslieblinge befinden sich auch altersmäßig und in der Verbindung von locker unbefangener Haltung und spielerisch leicht gehandhabter Technik auf demselben Niveau. Ihrer mit viel Energie aufgeladenen, aber nicht den Bogen überspannenden Lust am Schmollen ist es gleichermaßen ein Vergnügen zuzusehen wie seiner aus allen Schritten und Gesten sprechenden Langeweile. Wenn es dann im zweiten Akt so richtig zwischen den beiden funkt, gibt ihnen Spuck zum Glück auch Gelegenheit, die Schwerkraft des Bodens zu überwinden und in einem liftreichen Pas de deux für einige Minuten abzuheben, Lena wie ein leichtes Spielzeug in den starken Armen Leonces wirksam zu machen.
Pfiffig sympathischer Antreiber: Pablo von Sternenfels (Valerio) – vorne mit Daniel Camargo (Leonce). Copyright: Stuttgarter Ballett
Wiederum bestätigt hat sich die Partie des antreibenden Müßiggängers Valerio als dankbarste Rolle der Choreographie, die in ihren besten Momenten mehr eine Theaterinszenierung mit Tanz als ein Ballett im herkömmlichen Sinn ist. Pablo von Sternenfels nützt sein Debut, um den immer wiederkehrenden Rückwärts-Bewegungen, Bodenrollen und vor allem ausgeprägten Grätsch-Sprüngen etwas unwiderstehlich Verlockendes zu geben und gleichzeitig den Pfiff eines aufgeweckten Teenagers mit ungemein sympathischem Charisma walten zu lassen. Rachele Buriassi fügte sich als neue Gouvernante mit mühelosem Temperament und technischer Agilität in das Quartett der Jung Verliebten.
Während bei Nikolay Godunovs um alle Facetten und Pointen bemühtem König Peter diese nicht so recht zünden wollen, gelingt dies Rocio Aleman in ihrem kurzen, aber intensiven Auftritt als Mätresse Rosetta mit nicht zu gekünstelter Marionetten-Mimik und klassischem Spitzen-Agieren umso besser. Bei den z.T. neuen Würdenträgern des Hofes fällt auf, wie viel differenziert gestisches und bewegungssprachliches Talent Spuck ihnen abverlangt, so richtig aufzufallen oder gar herauszuragen vermag bislang noch keiner. Der Hit des Ensembles bleibt auch diesmal wieder der herrlich schräg ironisierte Bauerntanz zur Strauß-Polka „Unter Donner und Blitz“, die wie die gesamte Collage aus Ponchielli-, Delibes- und eben Strauß-Ohrwürmern vom Staatsorchester Stuttgart unter der mit Lust herauskitzelnden Leitung von Wolfgang Heinz schmissig, aber nie nachlässig beiläufig serviert wird.
Der zunehmend guten Stimmung entsprach der begeisterte Dank des Publikums.
Udo Klebes