„Er weiß Bescheid“ – ARIADNE AUF NAXOS: Wiener Staatsoper, 15.10.2014
Soile Isokoski. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn
Christian Thielemann und das Wiener Publikum – das ist eine Liebesbeziehung. Kaum ein anderer Dirigent wird zur Zeit so gefeiert wie der Berliner, der auch einer der Lieblingsdirigenten der Wiener Philharmoniker bzw. des Wiener Staatsopernorchesters ist. Und wie aktuell kein anderer „weiß er über Strauss- und Wagnerinterpretationen“ Bescheid und lieferte in den letzten Jahren so manches musikalisches Highlight ab.
An diesem Abend war „Ariadne auf Naxos“ in der Produktion von Bechtolf/Glittenberg/Glittenberg angesetzt, die nicht unbedingt bei den Kritikern und Opernbesuchern auf viel Gegenliebe gestoßen ist. Ich finde das Vorspiel recht gut in Szene gesetzt (und bei entsprechender Probezeit – die offensichtlich wieder zur Verfügung stand – bleiben auch die kleinen „G’schichterln“, die sich zwischen den handelnden Personen im Hintergrund abspielen, nicht auf der Strecke), die Personenführung ist sehr gut und hat einen gewissen Charme. Absolut positiv an diesem Abend (Abendspielleitung – Karin Voykowitsch) war, dass sowohl das Kostüm als auch die verlangten schauspielerischen Aspekte an die Statur bzw. Fähigkeiten von Johan Botha angepasst wurden, sodass er seine Würde wahren konnte und ein glaubhafter Darsteller war. Die Operninszenierung selbst strotzt von so mancher Unlogik – und die beiden Klaviere wirken deplatziert. Gut hingegen ist, dass die Figuren des Vorspiels auch in die Hintergrundszene der Oper eingebunden werden.
Eine langjährige Besucherin der Staatsoper, die schon über 60 Aufführungen der „Ariadne“ gesehen hat, meinte nach der Vorstellung, dass es die musikalisch beste Umsetzung war, die sie jemals gehört hatte. Thielemann konnte viele Kleinigkeiten der Partitur herausarbeiten, die bei anderen Dirigenten ungehört bleiben – und ich muss da wirklich eine Lanze für Sven-Eric Bechtolf brechen, da er die Personenführung der Partitur perfekt angepasst hat! An und ab ließ es Thielemann ordentlich krachen, war aber immer ein gefühlvoller Begleiter seiner Sänger.
Im Gegensatz zur „Elisir“-Serie mit Flórez wurde eine auf sehr hohem Niveau ausgeglichene Sängerriege für diese Serie engagiert (warum gelingt dies immer nur bei Strauss und Wagner, aber niemals bei Belcanto-, Verdi- oder Mozartaufführungen ?!??). Es ist wahrscheinlich, dass Johan Botha der zur Zeit weltbeste Interpret des Bacchus ist. Dieses Mal begann er ein wenig verhalten und nicht ganz so strahlend, wie man es von ihm gewohnt ist, aber nach ein paar Minuten war er schlicht und ergreifend phantastisch. Er hat genügend Kraft, auch die exponiertesten Passagen seiner Rolle ohne hörbare Anstrengung zu singen. Im Vergleich zu früher klingt er auch nicht mehr so „automatisch“, sondern kann auch Gefühl rüberbringen.
Viele freuten sich auch auf ein Wiederhören mit Soile Isokoski, die in der Nach-Hollender-Ära lange nicht engagiert wurde. Isokoski war eine hervorragende Gestalterin der Ariadne, ich muss aber einschränkend bemerken, dass ich sie in anderen Rollen (z.B. Marschallin oder Donna Elvira) überzeugender in Erinnerung habe.
Beide obgenannten Künstler wurden vom Publikum zu Recht gefeiert. Einen sehr großen persönlichen Erfolg konnte auch Daniela Fally feiern. Ich sehe in ihr eine ideale Interpretin der Zerbinetta im 21.Jahrhundert. Die „Großmächtige Prinzessin“ möge man in den letzten Jahrzehnten in Wien schon brillanter gehört haben (der übermächtige Schatten der Edita Gruberova wird noch lange Zeit nicht zu vergessen sein), allerdings bringt Fally Vorzüge mit, die das aktuelle Musiktheater heutzutage verlangt – sie ist schauspielerische exzellent, kann sich bewegen und ist ein tolles „Gesamtpaket“ in dieser Rolle. Der Akklamationen nach der Arie dauerten einige Minuten – auch Thielemann spendete vom Dirigentenpult aus Applaus.
Ganz hervorragenden auch die beiden Ensembles – zuerst seien Valentina Nafornita (Najade), Rachel Frenkel (Dryade) und Olga Bezsmertna (Echo) genannt. Die Szenen waren ungemein klar und durchsichtig gesungen, besonders Valentina Nafornita stach äußerst positiv heraus. Obwohl sie bereits für höhere Aufgaben geschaffen scheint (…und die folgen ja), ist es einfach ein Vergnügen, sie auch in Nebenrollen bei der Arbeit zu sehen. Während Olga Bezsmertna mit ihrem dunklen Timbre sehr positiv auffiel, blieb im Gegensatz zu den beiden Kolleginnen Rachel Frenkel ein wenig blass – was aber nicht heißen soll, dass sie keine gute Leistung abgeliefert hat.
Adam Plachetka als Harlekin war der auffälligste Komödiant, Benjamin Bruns (Brighella) bestach mit glockenhellem Tenor (ich denke, seine Absage für den Des Grieux war für ihn wirklich gut), Carlos Osuna war fehlerfrei als Scaramuccio und Jongmin Park überraschte mich sehr positiv als Truffaldin.
Leichte Unschärfen in den Höhen zeigte im Vorspiel Sophie Koch, allerdings kann ich mich an keine Interpretin des Komponisten der letzten Jahre erinnern, die wirklich 100%ig überzeugen konnte.
Wie gut Norbert Ernst ist, wenn er in Rollen eingesetzt wird, die auf seine Stimme zugeschnitten sind, bewies er als Tanzmeister, sein Gegenpart, der Musiklehrer, wurde von Jochen Schmeckenbecher ebenfalls überzeugend interpretiert. Erwähnt seien noch die Sänger der kleineren Gesangsrollen, Oleg Zalytskiy, Won Cheol Song und Marcus Pelz.
Peter Matic war ein wortdeutlicher, überzeugend in Szene gesetzter Haushofmeister, der sich des Mottos „Wer zahlt, schafft an“ überdeutlich bewusst ist. Um ein anderes Strauss/Hofmannsthal-Stück zu interpretieren – „Er war die Herablassung selbst“.
Was sehr interessant ist – die Vorstellung war nicht ausverkauft! Im Parkett blieben einige Plätze leer, obwohl es auch Karten für Kurzentschlossene gegeben hat. Auch auf der Galerie Ganzseite waren einige Stehplätze frei.
Ich kann nur jedem ans Herz legen, die kommenden Vorstellungen zu besuchen. Für den 18.10. gibt es in den beiden teuersten Kategorien noch ca. 100 freie Plätze (da bietet sich an, kurz vor der Vorstellung noch zu versuchen, eine reduzierte Karte zu erwerben).
Mein Resümee – die „Ariadne“ wird wahrscheinlich nie meine Lieblingsoper werden, aber (und auch da sei eine Anekdote von Leo Slezak abgewandelt) „wenn man sie so spielt“….
Kurt Vlach