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BASEL/ Stadtcasino: SINFONIEORCHESTER BASEL, Dennis Russell-Davies, Patricia Kopatchinskaja

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Basel: Stadtcasino – Patricia Kopatchinskaja, Sinfonieorchester Basel, Dennis Russell Davies – „Zarathustra“12.11.2014

 Also sprach …

Eigentlich ist die Bezeichnung „Sinfoniekonzert“ für das, was das Sinfonieorchester Basel (SOB) bei seinen Auftritten im Basler Stadtcasino bietet, schlicht und ergreifend untertrieben. Denn: Das eigentliche Konzert bildet lediglich den krönenden Schlusspunkt hinter eine Reihe von zwei zusätzlichen Veranstaltungen zum jeweiligen „Tagesthema“. Heuer ist bereits am späteren Nachmittag das Entdeckerkonzert „Nietzsche und die Musik“ mit Prof. Dr. Rüdiger Safranski (Philosoph und Autor), Prof. Dr. Arne Stollberg von der Universität Basel, sowie Mitgliedern des Sinfonieorchesters Basel (SOB) unter der Leitung von Nikita Cardinaux angekündigt. Es erklingen Richard Wagners „Siegfried-Idyll“ sowie die beiden Lieder von Nietzsche „Aus der Jugendzeit“ und „Junge Fischerin“, gesungen von Liridona Avdulahu aus der Klasse für Studienvorbereitung der Musik-Akademie Basel (am Klavier: Karin Scharler). Der zweite Teil ist „Nietzsche und Strauss“ gewidmet; es erklingen die „Metamorphosen“ (1945) in der Fassung für Streichsextett und Kontrabass. Wer zu früh-abendlicher Stunde noch nicht dabei sein kann, stimmt sich 45 Minuten vor Konzertbeginn bei der hoch interessanten Konzerteinführung durch Dr. Heidy Zimmermann von der Paul Sacher-Steiftung auf den Abend ein. Es hat sich viel getan im SOB! Mit dem Entdeckerkonzert (Eintritt frei!!) und den Einführungsvorträgen geht das Orchester offensiv auf sein Publikum zu und bereitet die Zuhörer subtil auf den Abend vor – und macht neugierig auf Neues, Unbekanntes. So wird so manchem Zuhörer der Zugang zu einem ihm vielleicht fremden Werk oder Komponisten erleichtert, wenn nicht sogar erst ermöglicht. Dieses Engagement zahlt sich aus: Der Konzertsaal ist an beiden Aufführungsabenden (12./13.11.) ausverkauft. Auch viele junge Menschen finden sich in den engen Reihen des prachtvollen Basler Musiksaals. Wer so viel für sein Publikum leistet, ist auf Unterstützung angewiesen – natürlich nicht nur ideell, sondern auch finanziell. Nebst der staatlichen Beiträge sorgt seit mittlerweile auch schon zehn Jahren der Verein „Freunde des Sinfonieorchesters Basel“ dafür, dass dank der Mitgliederbeiträge Projekte des SOB zügig vorangetrieben und Nötiges kurzfristig beschafft werden kann. Der frischgebackene Präsident des Vereins, der prominente Basler Couturier Raphael Blechschmidt, lässt es sich heuer nicht nehmen, zusammen mit einer Gruppe aufgestellter, freiwilliger Helferinnen und Helfern mit Pralinen und einer eleganten Broschüre vor Konzertbeginn, während der Pause und am Schluss für die gute Sache der „Freunde“ zu werben und Neumitglieder zu gewinnen. Dank so viel Idealismus wird es möglich, dass sich das ursprüngliche „Sinfoniekonzert“ zum eigentlichen „Sinfonie-Event“ anwächst.

Betrachtet man die Spielfolge des Konzertabends, so scheinen da Komponisten aufeinander zu treffen, welche in so mancher Augen bzw. Ohren (musikalisch) herzlich wenig, wenn nicht sogar gar nichts miteinander zu tun haben: Mozart, Ligeti, Strauss. Aber – wir werden eines besseren belehrt! Als Eröffnungsstück erklingt Mozarts Sinfonie Nr. 32, G-Dur, KV 318 aus dem Jahre 1779. Maestro Dennis Russell Davies führt das Sinfonieorchester Basel (SOB) frisch durch den Dreisätzer, der lediglich ca. 8 Minuten dauert. Das Orchester zeigt sich in bester Spiellaune, die klangschönen Violinen gefallen hier besonders. Das darauf folgende Konzert für Violine und Orchester (1991/92) von György Ligeti schliesst mit seiner anfänglichen Verspieltheit und temporeicher Virtuosität direkt an Mozarts musikalische Sprache an. Es könnte schon sein, dass Mozart zu unserer Zeit in dieser Art komponieren würde, lässt sich hier unschwer spekulieren. „Für die Violine zu schreiben war für mich wie Japanisch sprechen“ hält Ligeti als Randbemerkung zu seinem Violinkonzert fest. Und so tönt es auch: Faszinierend, fremd, verrückt – um nicht zu sagen „durchgeknallt“. Das Werk fordert der Solistin, dem Orchester – und dem Zuhörer – das Letzte ab. Bei Patricia Kopatchinskaja, der in Bern lebenden moldawischen Violinistin, findet sich Ligetis Violinkonzert in allerbesten Händen wieder. Sie brilliert in diesem Werk, das sich als schier unspielbar anhört, mit unglaublich souveränen Leichtigkeit. Die Höhen geraten ihr ohne Quietschen, die Tiefen perfekt ohne Kratzen, die Piani sind spannungsgeladen, die Forti emotional und gewaltig, die Pizzicati fingerbrecherisch und die Läufe in absoluter Perfektion. Das SOB und sein Dirigent unterstützen die Solistin tatkräftig und so entsteht ein faszinierendes, aufregendes, exotisches Klangbild mit sämtlichen Tönen und Geräuschen, die man einer Violine entlocken kann.

 Nach der Pause eröffnet das SOB mit Mozarts „Maurischen Trauermusik“, c-Moll, KV 477 (1785), welche mit demselben Akkord endet, wie Strauss’ „Also sprach Zarathustra“, op.30 (1896) beginnt. So gleiten denn Dennis Russell Davies und das SOB ohne Unterbrechung mit dem letzten Mozartakkord direkt in den ersten Straussakkord und vollbringen damit eine berührende Verbindung zweier vermeintlich unterschiedlicher Werke. Genial! Vor allem im ersten Teil gerät „Zarathustra“ fulminant, die Bläser zeigen sich in Bestform. Dennis Russell Davies setzt nicht auf langsame, schwere Tempi, sondern zieht das Stück angemessen monumental, aber auch fein differenziert durch. Selbst wenn im zweiten Teil der musikalische Spannungsbogen etwas abflacht, gerät die Aufführung zum eindrücklichen Klangerlebnis. – Hoch verdienter, rauschender grosser Applaus – gepaart mit der Vorfreude auf das nächste Sinfoniekonzert – pardon: den nächsten Sinfonie-Event – mit dem SOB und Dennis Russell Davies.

 Michael Hug

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