Theater Münster: DIE VERKAUFTE BRAUT. Premiere am 1. November 2014 besuchte 2. Vorstellung am 12. November 2014
Musik schmissig – Inszenierung piefig
Foto: Oliver Berg
Von nah und fern – sogar aus Wien – wurde gegen Ende der vergangenen Spielzeit in höchsten Tönen gepriesen die Aufführung der Oper „Die Vögel“ von Walter Braunfels in Osnabrück. Neben der großartigen musikalischen Gestaltung lobten Rezensenten ebenso sehr die Regie von Yona Kim. Da konnte man gespannt sein auf ihre Inszenierung der komischen Oper „Die verkaufte Braut“ von Bedřich Smetana auf ein Libretto von Karel Sabina, hier in der deutschen Übersetzung von Kurt Honolka im benachbarten Münster. Die war nicht so toll, lag wohl auch an der banalen Handlung aus überholter Lustspieltradition: Marie soll den stotternden Depp Wenzel heiraten, liebt den jungen Tenor Hans und kriegt ihn auch. Für Wenzel kommt zufällig die Tänzerin Esmeralda vorbei, passend fürs „happy end“ beider Paare.. Der sich so schlau dünkende Bariton Kecal als Heiratsvermittler bleibt düpiert zurück, da er ohne zu wissen, daß Hans ein Halbbruder Wenzels ist, dem Hans die ohnehin gewünschte Braut vermittelt hat.
Die kleinbürgerliche Enge, in der die Regisseurin das Stück ansiedelte, wurde durch eine verkommene Mehrzweckhalle angedeutet, die durch herabgehängte Neonröhren noch häßlicher werden konnte. Darin beging ein etwas seniles Paar (erfundene stumme Rollen) Goldhochzeit, die durch auch ins Publikum scheinende „stroboskopische Effekte“ – so die Warnung auf den Eintrittskarten - feierlich werden sollte – völlig überflüssig!. (Bühne Kristopher Kempf und Hugo Holger Schneider) Maries Vater Krušina war hier verschuldeter Kneipier, verschuldet, weil selbst sein bester Kunde. Durch die rückwärtigen Fenster wurden angedeutet Kirchen und Häuser des Münsterschen Prinzipalmarkts, Münster nicht unpassend als das im Libretto geforderte „ böhmische Dorf zur Kirchweih“. Für Soli und kleine Ensembles konnten Garderobe (mit Suzanne McLeod als stummer Garderobiere) und Waschraum hereingeschoben werden. Die Kostüme – ebenfalls von Hugo Holger Schneider – vermischten wohl bewußt unpassend Trachtenlook und geschmacklose heutige Kleidung – jeder Goldhochzeitsgast hatte sich offenbar das beste Stück aus dem Schrank geholt. Die konnte man schon vor Beginn der Handlung und auf einem Steg vorm Orchestergraben betrachten – eine ganze Ouvertüre bei geschlossenem Vorhang gibt es ja leider kaum noch!
Weiteres übliches Regie-Konzept: man wertet einen sonst vernachlässigten Charakter auf. So verfuhr Yona Kim mit dem zunächst wie üblich trotteligen Wenzel, der aber als einziger keine Intrige versucht. Ihn entwickelte sie zum ernsthaften Konkurrenten von Hans. Zum Schluß verließ Wenzel aber lieber mit Esmeralda den Kleinbürger-Mief zu Gunsten eines freieren Lebens. Das passte durchaus zur Musik, denn Marie singt ja mit beiden Duett und beide Male schreibt Smetana „amoroso“ vor.
Dass doch „komische Oper“ vorkam, dafür sorgte vor allem Gregor Dalal als Heiratsvermittler Kecal. Schauspielerisch und gesanglich zeigte er alle Facetten der Rolle, gesanglich traf er mit textverständlichem, starkem Bassbariton exakt die grossen Intervalle der Partie, sang deutlich die Triller, war geschmeidig im schnellen Sprechgesang und ließ sogar das ganz ganz tiefe f hörbar werden. Ganz großartig füllte auch Boris Leisenheimer die Rolle des Wenzel aus, vom gehemmten Muttersöhnchen zum selbstbewußten Jüngling, der seinen eigenen Weg findet. Sein beweglicher heller Spieltenor war für die Rolle wie geschaffen. Gar nicht lustig sondern bemitleidenswert geriet seine kurze Arie über die Verwirrungen der Liebe im III.Akt. Ganz passend zu ihm war der helle verführerische Sopran der Esmeralda von Eva Bauchmüller. Obwohl im selben Stimmfach klangen von diesen verschieden das „ernste Liebespaar“. Daniel Ohlmann als Hans mit etwas dunkel klingendem Tenor hatte besonders im Legato eine schöne Mittellage, seine Spitzentöne klangen etwas rau. Fast dasselbe liesse sich von Sara Rossi Daldoss als Marie sagen, die ihre Rolle keck spielte, im letzten Akt berührendes p und in ihrer Arie wunderschön legato sang. Für sie war es günstig, daß trotz deutscher Sprache Übertitel zu lesen waren. Die beiden Elternpaare waren vielleicht abgesehen von Plamen Hidjov als Krušina gut besetzt, so mit Lisa Wedekinds sicherem hellen Sopran als seine Frau Ludmila. Die böse Stiefmutter Háta spielte und sang wie gewohnt perfekt Suzanne McLeod. Ihren Mann Micha als grossen Grundbesitzer sang mit mächtigem Bass Lukas Schmid. So wurde das Sextett im III. Akt „Noch ein Weilchen“ zu einem musikalischen Höhepunkt. Aufhorchen ließ Christian-Kai Sander vom Rang her singend in der kurzen Partie des Springers.
Ohne sich viel zu bewegen sangen Chor und Extrachor fast immer exakt, auch, weil Chordirektorin Inna Batyuk in Trachtenlook auf und nicht hinter der Bühne ihres Amtes waltete. Zum Schluß beherzigten sie die Feststellung aus dem Eröffnungschor „Ehe – wehe“ – keiner wollte den Brautstrauss haben.
Foto: Oliver Berg
Maßgeblich für den Erfolg war das Orchester unter der musikalischen Leitung von Stefan Veselka. Schnell und rhythmisch exakt in den sf erklang die Ouvertüre. In lyrischen Passagen ließ das Tempo Raum für die Sänger und die Orchestersoli, insbesondere der so schön klingenden Holzbläser. Schmissig stampfend und mit passenden böhmischen Ritardandi etwa im Furiant erfreuten die Tänze die Ohren. Deren Bebilderung ganz ohne Tanz konnte man getrost übersehen.
Vor der Pause gab es doch einige Durchhänger, was zu Lücken im gut besetzten Theater führte. Der dritte Akt gelang dann mit allen Facetten sehr schön, was das Publikum zu langem Applaus und zaghaften Bravos veranlaßte. Aus Gesprächen nach der Vorstellung konnte man hören, daß insbesondere älteren Besuchern die musikalische Seite der Aufführung sehr gefallen hatte.
Sigi Brockmann 14. November 2014
Fotos Oliver Berg