WIEN/ Staatsoper: CHOWANSCHTSCHINA – Premiere der Neuinszenierung am 15. November 2014
Caroline Wenborn. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn
Mussorsky´s Chowanschtischna gehört nicht zu jenen Opern, die fest im Repertoire der großen Opernhäusern verankert sind. Diese Vorstellung tat jedenfalls nur wenig, um das Werk einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Nicht gerade unverantwortlich dafür war der Regisseur Lev Dodin.
Das Bühnenbild, eine Stahlkonstruktion mit drei verschiedenen sich bewegenden Ebenen, blieb für die gesamte Dauer des Stückes bestehen. Erst am Ende versenkte sich das Gerüst gemeinsam mit den Altgläubigen. Diese Konstruktion bot an sich durchaus Raum für optisch ansprechende Momente, der dadurch entstandene Effekt nützte sich aber zusehends ab. Somit blieb für den Großteil der Oper eine Mischung aus abgebrannter Scheune, Galgen und dem Berg der Kreuze (der meines Wissens nach aber in Litauen ist) zurück.
Diese Ansätze lassen sich auch argumentieren, halfen aber nicht wirklich dabei, das Stück interpretationstechnisch auszuloten. Auch die Balletteinlage verfehlte ihre Wirkung völlig; weder war sie erotisch noch vulgär-provokativ. Was blieb war eine statische und langweilige Inszenierung. Dabei muss gerade ein Werk wie die Chowanschtschina durch die Regie voran getrieben werden.
Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass die Inszenierung auch ihre stärkeren Momente hatte: Vor allem die Hinrichtungsszene am Ende des 4. Aktes bot ein eindringliches Bild. Weiters muss man es dem Regisseur zu gute halten, dass er nichts unternahm, um die Oper sinnwidrig umzudeuten oder die Homogenität zwischen Handlung und Musik zu stören.
Als ich nach zwei Applaus-Durchgängen die Oper verlassen habe, hat sich Dodin jedenfalls noch nicht vor den Vorhang getraut. Wie man hört musste er sich nachher aber doch noch einigen (nicht zwingend verdienten) Buh-Rufen stellen.
Die musikalische Seite des Abends war bedeutend besser gelungen, aber auch nicht perfekt. Ein großes Lob gebührt Semyon Bychkov für seine fantastische Führung der Philharmoniker. Die Musik klang so, wie sie in der Shostakovich-Fassung klingen muss: radikal, brutal und direkt. Die Handlung gebietet hier eindringliche musikalische Wirkung, der sich Bychkov auch nie verschloss.
Bei den Sängern war Ain Anger´s Dossifei beeindruckend. Der Bass erfüllt den Raum, deutet die Rolle aus und sang sie wohl überlegt und überzeugend. Ihm glaubte man als einzigem an diesem Abend seine Rolle vollkommen. Anger bot einen charismatischen, von seiner Sache überzeugten Fanatiker.
Ferruccio Furlanetto etwa, obwohl stimmlich natürlich ebenbürtig, war von der Rollengestaltung weniger glaubhaft, zu gütig wirkte er in dieser doch brutalen Rolle. Die stimmlich Brillianz sei hier nicht in Frage gestellt, Furlanetto ist aus gutem Grund einer der gefragtesten Männer seines Faches.
Christopher Ventris sang Fürst Andrej, forcierte die Höhen jedoch zu sehr, was er eigentlich nicht nötig hat. Dafür konnte er mit einer wirklich sehr schönen Mittellage punkten. Ähnliches muss man über Herbert Lippert als Fürst Golizyn sagen, der trotz der sehr sängerfreundlichen Inszenierung mit den komplexeren Stellen doch zu kämpfen hatte.
Norbert Ernst passte gut auf die „logesque“ Rolle des Schreibers, die er auch sichtlich auskostet. Als Bojar war Andrezj Dobber eine exzellente Wahl, mehr als Furlanetto konnte er die düsteren Momente dieser Rolle zur Geltung bringen. Sein Auftritt im 3. Akt gehörte zu jenen wirklich stimmungsvollen Momenten des Abends.
Bei den Damen war die Einspringerin Elena Maximova (sie ersetzte Elisabeth Kulman) als Marfa am Überzeugendsten. Sie sang die Rolle prinzipiell einwandfrei, jedoch fehlt ihr das gewisse Etwas, das der Darstellung einer solchen Figur die notwendige Intensität verleiht.
Caroline Wenborne als Emma und Lydia Rathkolb als Susanne absolvierten ihre gesanglich nicht sehr umfangreichen Auftritte sehr solide. Vor allem Wendborn konnte ihre sehr helle Stimme einige Male vorzüglich zur Geltung bringen. Marian Talaba als Kuska hatte zu viel Spaß an der Rollengestaltung, als dass er sich auf das Singen konzentrierte; die Stimme klang brüchig und unsauber.
Dem Rest des Ensembles sei an dieser Stelle ein Pauschallob ausgesprochen.
Hervorgehoben werden muss (wie so häufig) wieder einmal der Chor. Dieser musste ob des Umfanges durch den Slowakischen Philharmonischen Chor erweitert werden, was der Qualität der Darbietung aber keinen Abbruch tat.
Alles im allen bleibt diese Chowanschtischna leider etwas als vertane Chance in Erinnerung. Ein interessantes, aber schwieriges Stück konnte durch den Regisseur nicht stringent genug erzählt werden, um den Spannungsbogen zu halten.
In musikalischer Hinsicht gab es einige vorzügliche Leistungen (Bychkov, Anger, Furlanetto) und viel (immer noch sehr gutes) Mittelmaß.
Valentin Lewisch