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WIEN/ Staatsoper: CHOWANSCHTSCHINA. Premiere

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WIENER STAATSOPER: CHOWANSCHTSCHINA. Premiere am 15. November 2014

 
Ferrucio Furlanetto, Andrzej Dobber. Foto: Wiener Staatsoper Pöhn
   
 Bei meiner Vorbereitung auf der Website der Wiener Staatsoper und auf dem Deckblatt des Programmbuchs sehe ich wieder einmal als Bühnenbild einen altbekannten Gerüstaufbau wie in „der Griechischen Passion“ der Bregenzer Festspiele  und bei „Meistersinger“-Inszenierungen, von mir immer als unpraktisch und störend empfunden. Mein spöttischer Gedanke: Sind Ausstatter und Regisseure Gesellschafter von Gerüstfirmen? Wenn jedoch diesmal der Vorhang aufgeht und unter den musikalischen Klängen das Gerüst erst entsteht, wird nicht eine Statik vor Augen geführt, sondern ich spüre eine Dynamik, ähnlich wie in der modernen Architektur die Umkehrung geschieht, wenn das Bauwerk nicht mehr den Ruhepol bildet, sondern der Mensch zum Mittelpunkt einer Bewegung um ihn herum wird. Anders als zu den bisherigen „Gerüsterlebnissen“ steckt eine größere Symbolik dahinter. Ich vermute, nicht von ungefähr kann ich aus den Gestängen orthodoxe Kreuze herauslesen, hierarchische Ordnungen, das Unüberwindliche. Der Aufbau weist auch mehrere bewegliche Schichten in die Tiefe hinein auf. Die Idee scheitert nur in dem Punkt, dass der Zuseher, die Zuseherin an auf- und abfahrende  Aufzüge erinnert wird, – wenn sie sich nicht vom Gesamteindruck fesseln lassen. Und wenn am Ende der Aufführung dieses Gerüst langsam kippte und in der Erde verschwand, ließ mich das nicht kalt.

 Oskar Czerwenka stellte vor vielen Jahren in einer Fernsehserie die verschiedenen Stimmlagen vor, vom Sopran immer tiefer gehend bis zum Bass. Zum Abschluss dieser Serie war der letzte Abend dem Chor als eigenständige Persönlichkeit gewidmet. Chowanschtschina kann als Chor-Oper verstanden werden. Dem Chor der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Thomas Lang, dem Slowakischen Philharmonischen Chor (Einstudierung Jozef Chabroň) und den Kindern der Opernschule der Wiener Staatsoper (einstudiert von Johannes Mertl) vorausgenommen herzlichen Dank! 

 Das Orchester der Wiener Staatsoper unter oder mit Semyon Bychkov hatte eine Sternstunde, was vom Publikum einstimmig bejubelt wurde. Ich gehöre zu den Unbelehrbaren (siehe Merker-Rezension von „Charodeyka“ im Heft 10/2014), die der Gruppe der Fünf die Stange halten. Zugegeben das ohne genügend Kenntnisse der Harmonielehre, als „Laie“ (also als Teil des intuitiv erlebenden Volks).

 Regie (Lev Dodin unter  Mitarbeit von Valery Galendeev), Ausstattung (Alexander Borovskiy), Licht (Damir Ismagilov), Choreografie (Yuri Vasilko), Bewegungsregie (Yuri Khamutianskiy) und die Dramaturgie von Dina Dodina waren für ein Gesamtkunstwerk verantwortlich, das uns einige Fassetten der russischen Seele nahe brachte.

 Das Sängerensemble erlebte ich als aus einem Guss. Einige Details: Ferruccio Furlanetto wirkte auf mich stimmlich in der Rolle des Iwan Chowanski eindrucksvoller als zuletzt gehört in der Rolle des Filippo II. Sein samtener und mächtiger Bass war ohne Hohlstimmigkeit  zu erleben. Um beim Seitenblick auf „Don Carlo“ zu bleiben. Auch in dieser Oper konnte ich ein Duell der Bässe FurlanettoAin Anger (Dossifei) genießen. Elena Maximova in der Hauptrolle der Marfa hatte im Vorfeld eine zu viel versprechende „Dienstbeschreibung“. Im Laufe des Abends vermisste ich bei ihr immer mehr eine typische Mezzo-Färbung.  Positiv auffallend mit stimmlich viel Durchsetzungskraft die Emma der Caroline Wenborne sowie Lydia Rathkolb als Susanna. Ein guter Griff Christopher Ventris als des Fürsten Chowanski Sohn, auch Herbert Lippert als Golizyn. Norbert Ernst kann mit seinem Schreiber einen weiteren Orden an seine Brust heften. Auf weitere Rollen neugierig machend der Bariton Andrzej Dobber. Wegen der Überfülle der Eindrücke möge mir das übrige Ensemble nachsehen, dass ich es mit einem Pauschallob bedenke.

 Am Ende des Musikalischen Volksdramas bitten die Altgläubigen Gott nicht um  Stärke um sich des Wolfs zu erwehren bzw. schließen die Möglichkeit einer Rettung durch Unauffälligkeit kategorisch aus. Die Volksbewegung bittet um Kraft standhaft zu bleiben bis in den Tod. Augenfällig gemacht auf nicht gerade ästhetische Weise durch Ablegung der dunklen Oberkleider und der schutzlosen Bloßstellung in weißer Unterkleidung.   

 Einmal mehr möchte ich im Programmbuch die Beschreibung der Gesangsstimmen von Erich Seitter besonders hervorheben.

 Lothar Schweitzer  

 

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