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WIEN / Österreichische Nationalbibliothek / Prunksaal:
ENGEL
Himmlische Boten in alten Handschriften
Vom 20. November 2014 bis zum 1. Februar 2015
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Fotos: Renate Wagner
Engel, gibt’s die? Und wie!
Man wird sich als moderner Mensch schon mit der Definition schwer tun, was „Engel“ sind. Wie bei allem Religiösen handelt es sich dabei um eine Glaubenfrage. Die Realität der menschlichen Engels-Vorstellung ist aber in zahllosen Schriften und bildlichen Darstellungen gegeben. Die Österreichische Nationalbibliothek verfügt über eine überwältigende Fülle an Inkunabeln, aus denen man wählen konnte, um die diesjährige Weihnachts-Ausstellung zu diesem reichen Thema bestücken. Nicht nur, um darüber fromm zu meditieren, als um eine Fülle höchstrangiger alter Kunst zu betrachten – und Wissen über eine religionsgeschichtliche Vorstellungswelt zusammen zu stellen.
Von Renate Wagner
Drei Aspekte einer Ausstellung In Zeiten wie diesen, wo die Finanzen knapp sind, ziehen sich immer mehr Museumsdirektoren (und auch das ist Johanna Rachinger, wenngleich die „Nationalbibliothek“ Dutzende Institutionen in einem umfasst) auf ihre eigenen Bestände zurück. In Wien ist das geradezu ein Segen, weil man allerorten so viel besitzt, dass viele Menschenleben nicht reichten, es zu überblicken und zu würdigen. Sonderausstellungen haben sich nun als praktikable Maßnahme erwiesen, Kostbarkeiten, die sonst im Dunkeln ruhen, für die Mitmenschen hervorzuholen. Außerdem lassen sich in Themenzusammenstellungen Wissensschwerpunkte legen – wie hier, wo die „Engel“ gleicherweise als Kunstwerke wie als Phänomen zu betrachten sind.
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Engel – gibt’s die? Es gibt so manches auf der Welt, das sich als Faktum nicht beweisen lässt, aber seit Menschengedenken durch die Phantasie „geistert“. Engel gehören längst im hohem Maße der Populärkultur, von Kino bis Design, und wollte man Engel in der bildenden Kunst darstellen, von mittelalterlichen Gemälden über das überreiche Angebot des Barocks bis zu manchem Modernen, könnte man wohl Dutzende und mehr Ausstellungen bestücken. Die Österreichische Nationalbibliothek besitzt ihren Schatz an Handschriften – und dort hat Kuratorin Maria Theisen Beispiele gefunden, die diese Engel (ihr griechischer Name „Angeloi“ verweist auf ihre grundsätzliche Boten-Funktion) von frühesten jüdischen Schriften bis zu Martin Luther verfolgt (ja, die spartanischen Protestanten, die sich aller katholischer Heiligen entledigt hatten, kannten Engel). Der Schwerpunkt liegt dabei im Mittelalter, ein Großteil der 60 gezeigten Werke stammt aus dem 14. bis 16. Jahrhundert.
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Clik here to view. Foto: NB
Der goldene Verkünder von Mondsee Ein Engel hat es den Ausstellungsgestaltern, die großzügig auch mit riesigen Postern vom Prunksaal der Nationalbibliothek Besitz ergriffen haben, besonders angetan. Er stammt aus dem ältesten Stück der Ausstellung, dem Liutold-Evangeliar, das um 1170 in Mondsee entstanden ist. Schon „geflügelt“ (was die Engel des Alten Testaments noch nicht waren) steht der Verkündigungsengel mit Heiligenschein und prachtvollem Gewand vor goldenem Hintergrund, um Maria (auch sie trägt schon den Heiligenschein!) mit zwei erhobenen Fingern der rechten Hand ihr Schicksal zu verkünden, den Sohn Gottes zu gebären. Dieser Engel ist so überzeugend, dass er das Plakat der Ausstellung, den bemerkenswerten Katalog und auch jene goldenen Karten ziert, mit denen die Nationalbibliothek um Engel-Patenschaften wirbt (wobei darauf hingewiesen wird, dass die Spende steuerlich absetzbar ist…) Wozu Engel bis heute nicht gut sind!
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Engel aller Arten Der Spaziergang durch die Ausstellung, die vordringlich aufgeschlagene Bücher bietet, immer wieder aber auch die darin enthaltenen Bilder, die im Original klein sind, an der Wand ergänzend im Großformat und mit Erläuterungen versehen abbildet, legt einen weiten Weg zurück. Was sind Engel, wird gefragt, und viele Antworten gegeben – ob blutrote Racheengel, vor denen man sich auch in der Darstellung fürchten kann, oder als „Putten“ putzige Kinder, ob (weibliche) Engel als Begleiter von Maria, der Himmelskönigin, ob göttliche Boten, ob Vermittler für den Menschen in Richtung Gott. Man durchschreitet die Bibel im Alten und Neuen Testament, hält sich bei den frühen Christen und im Mittelalter auf, kommt über die Volkskunst der Katholiken bis zu den Protestanten: Martin Luther schrieb „Vom Himmel hoch, da komm ich her!“, Johann Sebastian Bach hat es vertont, die Nationalbibliothek verfügt über den Erstdruck von 1748 von dieser „Canonischen Veränderungen über ein Weihnachtslied“.
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Clik here to view. Foto: NB
Höhepunkte von Mohammed bis Dürer Die Ausstellung fragt – nicht nur politisch, sondern auch gedanklich korrekt – auch nach den Engeln bei den Juden, die als früheste darüber berichteten, wenn sie sie auch nicht darstellen wollten (die hebräische Bibel von 1348 enthält dazu nur Text), und den Mohammedanern: Mohammeds Himmelsreise, von Engeln begleitet, ist als wirklich atemberaubend-schwungvolle Darstellung mittelasiatischen Kunststils in einem persischen Werk des 16. Jahrhunderts zu bewundern. Dass „Die Verteilung der Posaunen an die sieben Engel“ aus dem Jahre 1498 ein Blickfang und ein darstellender Höhepunkt der Ausstellung ist, dankt man nicht nur dem Namen Dürer, sondern der unglaublichen Intensität dieser Holzschnitte. Das Buch, das hier aufgeschlagen ist, enthält ihrer an sich 15 – man möchte gleich weiterblättern… Kunstwerke wie diese regen an, die Ausstellung nicht nur in Bezug auf die Thematik, sondern auch auf die formale Gestaltung hin zu betrachten, was reich belohnt wird, so hoch ist die differenzierte Kunstfertigkeit des Gebotenen. Schier unglaublich etwa, was den mittelalterlichen Mönchen an dekorativer Ornamentik eingefallen ist!
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Fotos: NB / Wagner
P.S. Für Kunstfreunde und religiös Interessierte eignet sich der Katalog als ideales Weihnachtsgeschenk.
Engel – Himmlische Boten in alten Handschriften
Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek
Bis 1. Februar 2015, Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr,
Donnerstag 10 bis 21 Uhr.