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WIEN/ Theater an der Wien: LES PÊCHEURS DE PERLES

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TadW LES PÊCHEURS DE PERLES – 25.11. 2014 (Premiere: 16.11.)

Unbenannt
Nathan Gunn, Diana Damrau. Copyright: Werner Kmetitsch

Vor etwa 20 Jahren führte man diese – leider viel zu selten gespielte Oper –an der Volksoper in Wien auf. 1993 gab es eine interessante Produktion in Amsterdam von Corina van Eijk, 2004 eine am Teatro Malibran in Venedig von Regiealtmeister und Ausstatter Pier Luigi Pizzi und schließlich wurde sie 2013 an der Opéra comique in der Regie von Yoshi Oïda geboten.

Und wie 1993 in Amsterdam, so inszenierte am Theater an der Wien ebenfalls eine Niederländerin, Lotte de Beer, Bizets allzu vernachlässigtes Meisterwerk.

Inspiriert wurde die Regisseurin bei ihrer Arbeit aber offensichtlich – und ohne das im Programmheft zu erwähnen – von Suzanne Collins (1962*) Bestsellertrilogie „The Hunger Games – The Tribute of Panem“, deren erster und zweiter Teil bereits 2012 und 2013 verfilmt wurden. Die US-amerikanische Erfolgsautorin sah sich aber einem Plagiatsvorwurf hinsichtlich der starken Ähnlichkeit mit der japanischen Novelle “Battle Royale“ und Stephen Kings „The Running Man“ ausgesetzt…

Und wenn bei Suzanne Collins die „Hunger Games“ als Machtdemonstration und medial angelegtes Fernsehspektakel opulent vorgesetzt werden, so macht Lotte de Beer daraus die Reality-Show „Perlenfischer – The Challenge“ und befragt zwischen dem zweiten und dritten Akt in einem eingespielten Video von Finn Ross einzelne auf dem Naschmarkt versammelte Personen, ob sie für „Tod“ oder „Leben“ des Liebespaares, Leila und Nadir, stimmen.

Und natürlich fällt die nach Blut lechzende Meute das Todesurteil über die Liebenden. Wer von den Zusehern dieses Abends hat denn nicht das Internet durchstöbert, um die Enthauptung jener beiden Journalisten durch die islamistische Terrormiliz IS zu sehen? Erschreckend, in einem solchen Zeitalter zu leben. Falls das die mit reichlichem Humor versetzte Botschaft der Regisseurin war, dann ist ihr dieses jedenfalls gelungen.

Der Chor in den Perlenfischern mutiert demgemäß zu jener blutlechzenden, geifernden Meute und verfolgt das Geschehen auf Flachbildschirmen in den Wohnzimmern, die sich in einer unten abgeschnittenen Kreisscheibe im Hintergrund der Bühne von Marouscha Levy befinden.

Naturgemäß wird das ursprünglich auf der Insel Ceylon angesiedelte Geschehen der Oper in das Sri Lanka der Gegenwart transponiert. Ein Fernsehteam ist allgegenwärtig und der Gemeindeälteste der Oper, Nourabad, mimt darin den Moderator. Die beiden Liebhaber Nadir und Zurga, die pars pro toto die gleiche Frau unglücklich lieben, geizen vor den Kameras um die Gunst des Publikums.

Leila, das Ziel ihrer Begierde, scheint gerade eingeflogen zu sein und wird, nachdem sie sich von der langen Flugreise durch einige relaxende Yogaübungen wieder so halbwegs fit gemacht hat, rasch in einen landesüblichen Sari (Kostüme: Jorine van Beek) verpackt.

Und diese Leila der Diana Damrau verströmt den ganzen Abend über hinreißende Kantilenen. Da stimmt einfach alles, jede Phrase, jede Geste wird bei dieser Ausnahmekünstlerin zu einem hinreißenden Erlebnis für ein gebannt an ihren Lippen hängendem Publikum. Brava!

Neben ihr haben es die Männer freilich schwer. Das trifft zunächst den Jäger Nadir von Dmitry Korchak, der in dieser Inszenierung höchstens als ein „Herzensjäger“ angesehen werden kann. Seiner Bravourarie „Je crois entendre encore“ wurde lediglich durch die lange Pause am Ende ein mäßiger Szenenapplaus zu Teil. Er hat diese Rolle bereits 2013 an der Opéra comique in Paris gesungen. Als russischem Tenor fehlt es ihm aber für diese Rolle an einer geschmeidigen, eher leicht dahin fließenden Stimme. Optisch passt er aber ausgezeichnet zu seiner Leila.

Der US-Amerikaner Nathan Gunn konnte in der Rolle des „Anführers der Perlenfischer“, Zurga, mit markigem Bariton einige schöne Momente einfahren wie auch der zum Moderator der Fernsehshow mutierte Nourabad, Nicolas Testé, mit ausdrucksstarkem Bass.

Unter der umsichtigen Leitung des „Barock-Spezialisten“ Jean-Christophe Spinosi ließ das ORF Radio-Symphonieorchester Wien Bizets exotische Rhythmik und Melodik einigermaßen erahnen. Aus dem Hintergrund rundete der von Erwin Ortner geleitete und auf einzelne Zimmer verteilte Arnold Schoenberg Chor den Abend zufriedenstellend ab.

Nach knappen zweieinhalb Stunden überschüttete das Publikum alle Mitwirkenden ohne Ausnahme mit verdientem Applaus.               

Harald Lacina

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