Ab 19. Dezember 2014 in den österreichischen Kinos
THE HOMESMAN
USA / 2014
Drehbuch und Regie: Tommy Lee Jones
Mit: Hilary Swank, Tommy Lee Jones, Meryl Streep, John Lithgow u.a.
Ja, es kommen auch feindliche Indianer vor, und vom Ort der Handlung her – irgendwo im tiefen Nebraska in der Pionierzeit – ist es ein „Westener“. Aber der 68jährige Tommy Lee Jones geht in diesem zweiten Kinofilm, bei der er Regie führt, nicht auf ausgetretenen Pfaden. Er hat sich, nach einem eigenen Drehbuch, eine ganz dunkle, seltsame Geschichte ausgedacht, in der er selbst in der männlichen Hauptrolle erst langsam in den Vordergrund tritt.
Zuerst geht es um das Elend der weißen Siedler, die in den Vorposten der Wildnis leben, dort bei schlechten Ernten fast verhungern und ihre Kinder sterben sehen. Eine Frau wie Mary Bee Cuddy, die stark ist, offenbar begütert und unerschütterlich allein ihre Farm bewirtschaftet, ist ein Einzelfall. Sie macht natürlich ihrer Umwelt solche Angst, dass ihr Heiratsantrag auch von einem schlichten Mann trotz verlockenden ökonomischen Hintergrunds geradezu entsetzt ausgeschlagen wird…
So stark wie Mary Bee Cuddy sind nicht viele. Tatsächlich halten drei junge Frauen Verluste, Streß, Entbehrungen und Hoffnungslosigkeit nicht aus. Sie schnappen über, schlicht gesagt (Grace Gummer, Mirando Otto und Sonja Richter verhalten sich „verrückt“, bekommen aber nicht viel individuelles Profil). Männer und Familien haben sich neben anderen Problemen noch mit drei Wahnsinnigen durchzuschlagen. Man muss sie wegbringen, in die Zivilisation, wo sie die Chance auf Genesung haben, in die Methodistengemeinde von Reverend Dowd (John Lithgow), der gelegentlich vorbeikommt und Hilfe anbietet.
Aber wer zieht tagelang durch das wilde, gefährliche Land? Die Männer wollen schlichtweg nicht. Man glaubt Mary Bee Cuddy, so wie Hilary Swank sie (in einer der besten Rollen ihrer Karriere) spielt, dass sie im Wortsinn die Zügel in die Hand nimmt. Einen festen Planwagen, wo man die Frauen innen anbinden kann, und die Pferde stellen die Leute nur zu gern zur Verfügung, wenn sie damit die Verantwortung abschütteln können…
So viel zu einer sorglich ausgearbeiteten Exposition des Drehbuchs von Tommy Lee Jones. Dann: er selbst als George Briggs. Der halb kriminelle Außenseiter, der versucht, sich in leere Häuser einzuschleichen, begegnet Mary Bee mit gefesselten Armen auf seinem Pferd sitzend, den Strick um den Hals: Es ist nur eine Frage der Zeit, wann er baumelt. Sie schneidet sich ihren Begleiter, dessen Zuverlässigkeit sie mit einer Geldsumme am Ende der Reise zu erkaufen sucht, buchstäblich vom Galgen.
So ruhig der Erzählmodus ist, mit dem dieser Film die gefährliche Reise antritt, so erwächst doch die unzweifelhafte Spannung aus dem Kontrast dieser beiden Persönlichkeiten, was stellenweise auch durchaus witzig ist, aber immer glaubhaft aus den Charakteren erwächst: Er, der gewissermaßen gleichgültig, aber mit der Kompetenz des Western-erfahrenen Mannes seine Pflicht erfüllt, sie, die immer noch die verlangte Empathie hochhält und etwa „kulturelle“ Rituale erfüllen will. Als er sie, aus guten Gründen, weil er einen Rastplatz noch bei Tag erreichen muss, zurücklässt, als sie sich einbildet, noch eine herumliegende Leiche christlich begraben zu müssen, bezahlt sie diese edle Tat mit zweitägigem Herumirren und echter Todesangst…
Anders als sonst geht die Begegnung mit Indianern vorbei, wobei man Briggs ohne weiters glaubt, als er Mary Bee anweist, lieber die drei Frauen und sich selbst zu erschießen, bevor sie in deren Gefangenschaft gerieten… aber die Rothäute lassen es damit bewenden, sich ein Pferd „schenken“ zu lassen.
Hilary Swank spielt in wunderbaren Nuancen, wie viel von Mary Bees gezeigter „Stärke“ nicht genuin aus ihr kommt, sondern aus Pflichtgefühl aus ihr heraus gezwungen wird. Irgendwann bricht ihre ganze weibliche Not hervor und sie bettelt Briggs dann geradezu um den Geschlechtsakt an. Danach aber ist es um ihre Stärke getan – und der Film entledigt sich relativ früh seiner Heldin, die an einem Baum baumelt, was von geradezu brutaler, für den Zuschauer schockhafter Tragik ist (man möchte es kaum glauben…).
Briggs allein und die drei Frauen, die er am liebsten ihrem Schicksal überlassen will und dann doch zu den Methodisten bringt (in einer köstlichen Charge sieht man Meryl Streep – vielleicht nur dabei, weil ihre Tochter im Leben, Grace Gummer, hier mitwirkt – als eine jener betulichen, Gutes tuenden Frauen, die direkt aus einem Roman von Mark Twain entstiegen scheint) – das verliert an Spannung, obwohl er in einer teils fast satirisch gezeichneten, dann aber brutal ausgehenden Auseinandersetzung mit Hotelbesitzern (darunter James Spader) zeigt, dass er keine Angst vor illegalen Handlungen hat, die er wohl nur als „gerecht“ empfindet.
Wenn Regisseur Tommy Lee Jones den Schauspieler Tommy Lee Jones nach dem „Abgang“ von Mary Bee auch in den Vordergrund treten lässt (und ihm kein persönliches Happyend beschert), so ist das doch fraglos ein Film über Frauen, und Hilary Swank darf nach einem weiteren „Oscar“ Ausschau halten: Sie hätte ihn verdient. Und Tommy Lee Jones? Das „Raubein“ vom Dienst ist ein äußerst sensibler Regisseur!!!
Renate Wagner