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SCHWETZINGEN/Winter: Barock Theater Heidelberg/ FETONTE von Jommelli

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Winter in Schwetzingen, Barockfest Theater Heidelberg: Fetonte/ Jommelli  27.12.2014
 
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 Rinnat Moriah als Teti, Foto Annemone Taake  
“Fetonte” ist eine der ersten Opern von Niccolò Jommelli, die er für den Stuttgarter Hof unter Herzog Carl Eugen 1768 verfaßt hat. Jommelli gehört zu den Hauptvertretern der Richtung, die die neapolitanische Opera seria Mitte des 18.Jahrhunderts aus ihrem starren Schema aus Secco-Rezitativ und dacapo-Arie wegführten und eine lockerere Abfolge mit Recitatico accompagnato und Ensemblefinali einführten. Unter Jommelli wurde der Stuttgarter Oper zu einer der führenden in Europa. Er geriet nach seinem Tod aber schnell in Vergessenheit, da andere Komponisten, darunter Gluck, seine Neuerungen übernahmen, ihn aber selber, wie in der musikalischen Vergangenheit üblich, nicht mehr spielten. Mit der heutigen Barock-Welle kann jedoch auch mit einer Jommelli-Renaissance gerechnet werden. als Vorlage für Fetonte übernimmt er die Geschichte des den Sonnenwagen seines Vaters lenkenden Phaeton/Fetonte und verknüpft sie mit einer politischen Intrigen-Handlung. Fetontes Mutter Climene, Königin von Nubien, gerät als Witwe zwischen den beiden Mächte Ägypten unter König Epafo und Äthiopien unter dem König Orcane in Bedrängnis. Fetonte und ihre Stiefschwester Libia,Tochter ihres verstorbenen Mannes Merope, wollen heiraten. und Fetonte ist in einem widersprüchlichen Orakel des Meergottes Proteo zur Übernahme der Herrschaft geraten worden. Mitlerweile greifen der in Climene verliebte Orcane und der um Libia werbende Epafo auch gewaltsam in das Geschehen ein. Climene will aber in dem Machtspiel Fetonte und Libia verheiraten, soll aber Beweise für die göttliche Abstammung Fetontes und damit für seine Herrscher-Würdigkeit erbringen. Fetonte ist einverastanden und wird zum Beweis den Sonnenwagen seines Varters Il Sole über das Firmament lenken. Da er sich aber von der Göttin Fortuna nicht helfen lassen will, tötet Jupiter den abstürzenden und die Erde in Brand setzenden Fetonte mit seinem Blitz. Libia,die von der ganzen Unternehmung angeblich nichts wußte, stirbt, worauf sich auch Climene das Leben nimmt. Orcane und Epafo können Nubien untereinander aufteilen.
 
Regisseur Demis Volpi gibt der Handlung erst eine frühbürgerliche bis bürgerliche Richtung, indem er den Hof auch als Forscherstube Fetontes in Pullunder-Outfit, zeigt, der davon besessen ist, zur Sonne zu fliegen und sich dafür ein Fluggerät konstruiert. Die Stiefschwester ist dabei eher ein Hausweibchen, in blauem Kleid und Pumps,die sich gern in den ausladenden Lederfeauteuills niederläßt. Zum Forscher-Schreibtisch kommt bald noch eine gutbestückte Bar reingefahren, vor der sich Orcane und Epafo gütlich tun. Am Anfang war die Meergöttin Teti wie eine Riesin aus den Wellen in blauem Monsterkleid heraufgefahren mit Algen-Kopfscmuck und einem Segelschiff gekrönt (die Szene erinnert an Achim Freiers Erweckung der Brünnhilde im Mannheimer Ring). Die Regie spielt sich dann wie eine langsame Konstruktion bis zum ‘Ablug’ Fetontes, der einer Sonne an der ganz hinteren Bühne entgegensschreitet, und der anschließenden Dekonstruktion des Bühnenbilds (auch Kostüme: Katharina Schlipf) ab. Wie auf Meereswellen fährt Orcane in dem Feauteuill und rudert mit dem Ständer der Stehlampe und bekämpft damit Epafo, dem ein Baseballschläger als Waffe dient.
 
Jommellis Arien haben wirklich viel zu bieten. so Koloraturen vom feinsten, die musikalische Qualität insgesamt erscheint hoch. An der großen Arie der Teti,Mutter von Alkmene, hat sich Mozart für seine Königin der Nacht inspiriert. Felice Venanzoni dirigiert mit großer Emphase die Philharmoniker Heidelbergs, indem diese Jommellis ausgepichte Instrumentation in bestem Licht und bunten Farben erklingen lassen.Venanzoni atmet mit den SängerInnen,so daß auch zumeist eine fabelhafte Kongruenz zwischen Bühne und Graben erreicht wird. Philipp Mathmann tritt oft als stumme Figur als zerzauster Barockmensch auf. Zu Beginn singt er kurz das Orakel des Proteo mit seinem Countertenor. Besser zur Geltung kommt er später als Il Sole und läßt dabei seine tragende Stimme unter Hall aus dem Off ertönen. Der Epafo wird von Artem Krutkoin gelbem Outfit und mit einem köstlichem,sehr eigenwilligen Counter kreiert. Den Orcane singt in Anzug und Krawatte Namwon Huh mit seinem flexiblen schönstimmig leichten Tenor, an sich koloraturfähig,aber bei dieser Jommellli-Oper mit ganz aufgedreht wirkenden Arien doch an eine Grenze stoßend. Auch verliert die Höhe an Leichtigkeit. Elisabeth Auerbach läßt als Libia einen angenehm netten und koloraturfähigen Mezzo vernehmen. Climene ist Jeanine De Bique und wirkt als einzige Schwarze (unter eigentlich dunkelhäutigen ‘Kollegen’) in ganz eigener Art und Weise, sehr sicher und abgeklärt. Ihr steht ein angenehm timbriert seidiger Sopran zur Verfügung. Rinnat Morriah,die sich in dieser Spielzeit in Heidelberg bestens einführte, kommt mit zwei großen Arien zum Zug. Zuerst als Meergöttin Teti, in der sie letzte Gefühlsverästelungen ganz synchron mit der Orchesterbegleitung verschmelzen läßt, und in der Arie der Fortuna, die Fetonte überzeugen möchte, daß er ohne sie am Himmel verloren ist. In einem Goldkostümm und eben solchen Flügeln geriert sie sehr eindringlich und verströmt ausgeklügelt virtuose Kolladen, aber letzlich ohne Erfolg bei Fetonte. Die Titelfigur in Gestalt Antonio Givanninis sieht sich selbst als Sieger und wirkt auch mit seinem ausladenden gut  timbrierten und sensibel dosierten Countertenor ganz überzeugend, der Rolle wie angemessen.
 
Friedeon Rosén

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