BERLIN Neujahrskonzert OFFENBACHIADE in der Komischen Oper, 1. 1.2015
„Geschwister Pfister“Andreja Schneider führt durch ein flott-freches Programm – Orchester und Solisten versprühen gute Laune
Die Komische Oper unter dem quirligen musikalischen Chef des Hauses Henrik Nánási hat ihr Neukahrskonzert dem rheinländisch-pariserischen Komponisten Jakok/“dat Köbsche“ alias Jaques Offenbach gewidmet. Eine exzellente Idee. Gut ausgewählte und sinnvoll zusammengestellte Ouverturen, Grands Valses, Ausschnitte aus Balleten wechselten ab mit Couplets, Ariettas, Seguidillas, Balladen, Duetten bis zum Final des IV Aktes der Opéra bouffe La Vie Parisienne. Das Publikum dankte mit spontanem Applaus und großem Jubel für diese herrlich augenzwinkernde, federleichte bis virtuos romantische musikalische Begrüßung des Neuen Jahrs.
Die Komische Oper ist am ersten Tag des Neuen Jahres 2015 in ihrem ureigensten Element abseits von Bühnenklamauk und Travestie: Unbekümmert und unbeschwert von Regiekapriolen konnte man bei diesem Konzert das große musikalische Potential des Orchesters und des Ensembles bewundern und genießen. Operettendiva Mirka Wagner (Sopran), die auch in Hosenrollen wie Fantasio bestens reüssierende Karolina Gumos, der höhenstürmende lyrische Tenor vom Feinsten Mirko Roschkowski und der kernige Kavaliers-Bariton Dominik Köninger zeigen an diesem in Berlin sonnigen Neujahrsnachmittag, dass sie stimmlich und an Temperament so gut wie alles draufhaben. Und Offenbachs Raketen zünden 2015 genau so gut wie eh und je, wie das Sylvia Roth im Programmheft treffend anmerkt.
Anders als das imperial gediegen elegante, wohl auch etwas altväterlich traditionsüberladene Neujahrskonzert in Wien (das ich im Fernsehen miterlebt habe) herrscht an der Spree der Geist des Köbschen, der zur Ernährung der Familie in Köln in Kneipen musizieren musste. Später war Offenbach als Solist im Orchester der Opéra Comique tätig und hat Zwischenmusiken zu Komödien von Molière, Feydeau und Labich erfunden. Zur Opéra bouffe und großen Opern-Form kommt er aufgrund von Zensur und administrativen Hürden spät. Aber dann eben als vollendeter Meister. Seine erfolgreichsten Werke sind anfänglich scharf pointierte Gesellschaftskritik in antiker Staffage wie Orphée aux Enfers oder La Belle Hélène. In der großen Satire auf das von Börsenspekulanten wimmelnde Zweite Kaiserreich Napoeleons III. Les Brigands erweisen sich Staatsherren sogar als Kriminelle und Kriminelle als Spießbürger….. Oh la la, „Honni soit qui mal y pense“.
Das Berliner Neujahrskonzert an der Komischen Oper beginnt mit der Ouvertüre seiner musikdramatischen Hommage an die Stadt Paris, nämlich zu Pariser Leben. Das Orchester braucht noch eine kleine Aufwärmphase, und kommt rasch beim Couplet des Grafen von Gloria Cassis (Mirko Roschkowski) aus der Opera Bouffe Les Brigands und der anschließenden Schuler-Polka in volle Form. Neben Offenbachschen Gassenhauern wie das Couplet des baisers des Cupido aus Orphée aux Enfers (Sopran und Orchester schicken schmatzende Küsschen ins Publikum), die Schwips Arietta der Périchole oder dem berühmten Fliegen-Duett Euridice/Jupiter aus Orphée aux Enfers führt uns die Komische Oper auch echte Raritäten, wie das Duett „Je suis alsacienne“ aus der Conversation alsacienne „Lieschen und Fritzchen“ oder Ausschnitte aus der wunderbaren Opéra comique Fantasio vor. Die elegische Ballade à la lune oder das charmante Duett der Elsbeth mit dem armen Fantasio (hervorragend in der Hosenrolle Karolina Gumos und Mirka Wagner als stolz naive Prinzessin) sind veritable Trouvaillen für den Liebhaber der französischen Oper.
Das bestens disponierte Orchester der Komischen Oper brilliert in großer Besetzung bei der virtuosen Ouverture, Allegro brillante und Polka zu Gaîté Parisienne, der Ouverture und der Grande Valse aus den Rheinnixen sowie den Ouverturen zur Opéra Comique „La fille du tambour-major“ und zur Opéra bouffon Orphée aux Enfers.
Henrik Nánási schwingt tänzerisch akkurat den Taktstock und animiert das Orchester zu moussierendem Spiel (so im Stil von „Champagner-Rheinriesling-Schorle“) und das Publikum zu schäumend guter Laune. Beim abschließenden Cancan aus Orphée aux Enfers muss der Dirigent das außer Rand und Band mitklatschende Publikum sogar etwas einbremsen, um den musikalischen Fluss zu wahren. Natürlich gibt es ein Cancan-BIS. Ohne Ende könnte das Publikum den Offenbachschen so lebensbejahenden opimistisch stimmenden, musikalisch geistreich ironisierenden Piécen lauschen. Hoffentlich überträgt sich etwas von dieser Stimmung und gutem Willen auf das Jahr 2015, wird sich so mancher heimlich gewünscht haben. Die Komische Oper hat am ersten Tag des Neuen Jahrs jedenfalls den richtigen Ton gefunden.
Dr. Ingobert Waltenberger