BERLIN Musical Show THE WYLD – Nicht von dieser Welt/Friedrichstadt-Palast 6.1.2015
Hommage an Alex und Nofretete
Foto – Copyright: Robert Grischek.
Berlin Alexanderplatz mit seinem silbern funkelnden Fernsehturm (liebevoll Alex genannt) und wenig davon entfernt das Neue Museum, wo der Kopf Nofretetes unter Panzerglas bewundert werden kann. Zwischen den beiden symbolischen Berliner Polen Alex und Nofretete hat das leading team Manfred Thierry Mugler, Roland Welke, Stefano Canulli (Regie und Kostüme) sowie Brian Friedman und Itzik Galili (Choreographie) die aktuell laufende Produktion „The Wyld“ im Friedrichstadtpalast angesiedelt. Man erlebt eine großteils flotte knallbunte Show zwischen den Genres Musical, Ballett, Zirkus, Akrobaten à la Las Vegas oder Lido. Mit der Perfektion des Broadway treten eine ganz dem Berliner genius loci huldigende Freakschar, wie etwa ein BMX-Fahrer (Balázs Földvàry) und die menschenscheue Lady, die oben im Fernsehturm lebt und sich zu den Außerirdischen hingezogener fühlt als zu den Erdenbewohnern, auf. Die Natur des Menschen in all ihren Facetten zu zeigen und in die Wildnis der Großstadt zu pflanzen, ist die Idee der Sache. Thierry Mugler im O-Ton: „ THE WYLD steht für all die Schwingungen von Berlin: Energie, Modernität, Zeitlosigkeit und Kultur. Das ist es, was ich mit dieser Show vermitteln will, die größer ist als das Leben. Der Palast ist der einzige Ort, an dem man etwas so Großes wagen kann. Die größte Theaterbühne der Welt für eine Show nicht von dieser Welt.“
Nun, das Ergebnis ist final ein eher zusammengewürfeltes Sammelsurium. Wenngleich durchwegs auf hohem Niveau. Da gibt es atemberaubende Akrobatenauftritte wie die vier muskelbepackten Ukrainer von White Gothik mit metamorphisierenden Equilibristik-Artefakten oder das russische Duo Markov. Das Ehepaar zeigt Luftakrobatik der Sonderklasse, wo ein mit dem Trapez verbundener Bambusstab lediglich am Fuss des Künstlers befestigt wird. Bei einem freien Fall am Bungee-Seil, welches Svetlana erst kurz vor dem Boden wieder auffängt, hält das Publikum zu Recht den Atem an. Die Vorführung ist ein Triumpf an Kontrolle, Präzision und Vertrauen der beiden zueinander. Schon gewöhnungsbedürftiger ist Jana Posna mit ihrer bizarren Pudelkompanie, die alle möglichen Springereien unter heftiger Leckerlibelohnung vollführt.
Den Hauptpart der Show nimmt das virtouse und gut gelaunte Ballett ein, das in verschiedenen Formationen und knappen bis ausladenden, eleganten bis extrem verkitschten Kostümen antritt. Sie stellen als Paradiesvögel und Großstadtgewächse alle Eitelkeiten dieser Welt dar, bewegen sich technisch auf höchstem Level und tanzen auch hinreißend, wenn Ihnen der Kostümbildner dazu das richtige Kostüm erlaubt. Eine Art dramaturgische Klammer bildet der Comedie-Mime Faycal Mihoubi. Als begabter Pantomime bringt er den richtigen Schuss an Persönlichkeit ein, um das manchmal allzu glatte Spektakel etwas zu erden. Uneingeschränkte Bewunderung gilt dem Lichtspektakel von Alain Lonchampt, während die Musik (Daniel Behrens (musikalische Leitung), von Kuschel-Mainstream bis déjà entendu allzu beliebig klingt.
Aufwändige Videoinstallationen, eine Show Band und vier sehr gute Gesangssolisten (Cindy Sander, Olivier Erie St. Louis, Talita Angwarmasse und Victoria Mishchenko) ergänzen zu einem gelungenen, insgesamt kurzweiligen und unterhaltsamen Abend.
Mit Superlativen würde ich, was den künstlerischen Anspruch und dessen Einlösung angeht, vorsichtig sein. Auf der rein mathematischen Seite berichtet man, dass für die neue Grand Show aus hauseigenen und Sponsorenmitteln das größte Produktionsbudget in der 95-jährigen Geschichte des Hauses geschnürt worden sei. Erstmals wurde die Budgetschwelle von 10 Millionen Euro überschritten, was THE WYLD zur teuersten Showproduktion außerhalb von Las Vegas macht.
Die aktuelle Grand Show des Friedrichstadtpalastes feierte ihre Welturaufführung am 23. Oktober 2014. Nun heißt es bis etwa Mitte 2016: THE WYLD – Nicht von dieser Welt. Weitere Informationen finden Sie unter www.palast-berlin.eu/de/shows/the-wyld/.
__________________________________________________________________________