Alle Fotos: © Gabriela Brandenstein
WIEN / Volkstheater:
GIFT von Lot Vekemans
Premiere: 23. Jänner 2015
Michael Schottenberg möchte in seinem letzten Jahr „billig“ arbeiten, und das ist einzusehen. Schließlich werfen neue Intendanten ihren Vorgängern am allerliebsten Verschwendung vor. Nun, bei „Gift“ ist das nicht möglich – ein Bühnenbild, zwei Darsteller, etwas über eineinviertel Stunden Spieldauer. Und mit solch spartanischen Vorgaben ist doch ein interessantes Stück Trauerarbeit auf die Bühne gebracht worden.
In einem klinisch weißen Raum ohne weitere Kennzeichen, der sich hinter einer sich langsam hebenden Jalousienwand öffnet (Bühnenbild Hans Kudlich, die beiden Protagonisten wurden von Erika Navas alltäglich gekleidet), sitzt ein Mann und wartet. Eine Frau ähnlichen Alters tritt ein, und nur nach und nach stellt sich heraus, dass dies beiden einst ein paar waren und sich nun, nach zehnjähriger Trennung, Jam Friedhof bei der Ruhestätte ihres tödlich verunglückten Sohnes trifft. Die aufgestauten Ressentiments werden langsam, wie durch das Abschälen von Zwiebelschichten, an die Oberfläche gebracht.
„Gift“ ist ein schwieriges Stück, wo der Regisseur das Absinken ins triefende Sentimentale verhindern muss, aber sich trotzdem Schicht um Schicht den verwundeten Seelen nähert. Michael Schottenberg leistet ganze Arbeit, die grundverschiedenen Positionen des Paares zu diesem elementaren Verlust in ihrem Leben herauszuarbeiten – unvereinbar genug, um ein Happyend undenkbar zu machen.
Man hat das Stück schon vor zwei Jahren, bei den Festwochen 2013, in einer Aufführung aus Gent/Münchner Kammerspiele gesehen, mit Darstellern, die uns fremd waren. Schottenberg gibt dem Publikum zwei Lieblinge des Hauses, wobei Andrea Eckert ein seltener Gast geworden ist. Sie hat die schwierigere Rolle. Während der Mann - Günter Franzmeier ist souverän in der Figur - den Verlust verarbeitet, sich im Lauf der Zeit abgefunden ist, ist der Balanceakt für Andrea Eckert viel schwieriger darzustellen. Man muss verstehen, wie sehr sie die Vergangenheit mit sich trägt, mit ihr verbunden ist, weit davon entfernt, sie abzuschließen…
Mit wenig Äußerlichkeiten: karger Raumausstattung und minimalistischen Szenenwechsel (immer wieder als Geräusche auch das Knipsen eines Fotos imaginierend), konzentriert sich Schottenberg auf das Wesentliche und schafft es einem eher spröden Thema eine Urgenz einzuhauchen, so dass ein Spannungsbogen entsteht, der für die knapp 80 Minuten dauernde Performance die volle Aufmerksamkeit der Zuhörer erhielt.
Heiner Wesemann