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MÜNCHEN: CINQ-MARS von Charles Gounod. Konzertant mit dem Münchner Rundfunkorchester

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 MÜNCHEN, Münchner Rundfunkorchester, Charles Gounod, “CINQ-MARS”, 25.1.2015 (konzertant)

Das Münchner Rundfunkorchester bietet in seinen Sonntagskonzerten immer wieder Ausgrabungen und Neuentdeckungen von unbekannten oder vergessenen Opern. So auch an diesem Sonntag, als man in Zusammenarbeit mit der Stiftung Palazzetto Bru Zane – Centre de musique romantique francaise (einer Organisation, die sich der Wiederaufführung und dem Bekanntmachen französischer Musik der Romantik widmet) ein selten gehörtes Werk von Charles Gounod vorstellte. Die vieraktige Oper wurde am 5. April 1877 an der Pariser Opéra comique uraufgeführt, mit gesprochenen Dialogen, wie es damals den Gepflogenheiten an der Pariser Opéra comique entsprach. Für die Wiederaufnahme in der nachfolgenden Spielzeit am 14. November 1877 hat Gounod das Werk noch einmal umgearbeitet und aus den Dialogen Rezitative mit Orchesterbegleitung gemacht. Die Oper erlebte seinerzeit zahlreiche Aufführungen in Frankreich, Brüssel, Mailand, Moskau und London. Gounod selbst beschäftigte sich mehrmals mit Änderungen und Verbesserungen seines Werks. Die Stiftung Palazzetto Bru Zane hat nun aus den vorliegenden Quellen (handschriftliche Partituren, historische Klavierauszüge und Orchesterstimmen) versucht, eine “ideale” Fassung der Oper zu erstellen und sich Gounods letztem Willen anzunähern.

Als Vorlage für das Libretto diente ein damals populärer historischer Roman “Cinq-Mars” von Alfred de Vigny: Der Marquis de Cinq-Mars gewinnt die Wertschätzung des Königs, indem er eine Oppositionsbewegung gegen den mächtigen Kardinal Richelieu organisiert. Doch Richelieu wäre nicht Richelieu, wenn es ihm nicht gelänge, durch Manipulationen, Intrigen und Verrat den König auf seine Seite zu ziehen und ihn zu zwingen, den mutigen Marquis zu opfern. Eingebettet in diese historischen Tatsachen ist eine Liebesgeschichte zwischen dem Titelhelden und der Prinzessin Marie, die von Richelieus Handlangern in die Enge getrieben, ihren Geliebten verraten und eine politisch-motivierte Ehe eingehen wird sowie die Freundschaft zwischen Cinq-Mars und dem Conseiller de Thou. Beide versichern sich in einem grandiosen, pathetischen Gebet am Schluss ihre gegenseitige Treue und gehen gemeinsam zum Tod.

 Musikalisch wurde hier ein wahrer Schatz gehoben. Gounod hat alle Register seiner melodischen Erfindung, seiner lyrischen, romantischen Orchesterbehandlung gezogen. Während noch in den beiden ersten Akten vorwiegend in rezitativischer Form die Umstände der Verschwörung erzählt, im 2. Akt mit idyllischen Divertissements reizende, arkadische Schäferszenen beschworen werden, gestalten sich der 3. und 4. Akt als ein Feuerwerk an wunderbaren Melodien: Straffe, rhythmisch eingängige Chöre, herrliche Kavatinen und Duette, fulminante Ensembles. Selbst des Französischen Unkundige können leicht den seligen Liebestraum des Titelhelden im Kerker oder den ergreifenden Freundschaftsschwur der beiden Freunde Cinq-Mars und de Thou vor ihrem letzten Gang nachvollziehen. Ein drame lyrique (so auch die Bezeichnung von Gounod selbst), dessen packende Handlung und musikalische Zeichnung des Innenlebens der Protagonisten auch uns moderne Zeitgenossen noch zutiefst ergreift.

In der Ausführung war das Glück ebenfalls vollkommen: Ulf Schirmer – sonst eher ein Freund von fortissimo-Orchestergewalten – zeigte veritable Kapellmeisterqualitäten und breitete mit dem Münchner Rundfunkorchester und dem Chor des Bayerischen Rundfunks einen wunderbaren Teppich für seine Gesangssolisten aus. Dies kam vor allem dem Über-Nacht-Einspringer Mathias Vidal zugute, der nach der plötzlichen Erkrankung des ursprünglich vorgesehenen Charles Castronovo kurzfristig die Titelrolle übernommen hatte. Mit Bravour. Der junge Tenor schenkte sich nichts, berührte mit geschmeidiger, schlanker, schönstimmiger Kantilene und trumpfte heldisch auf in dramatischen Duetten und Ensembles. Seine Geliebte wurde mit aristokratischer Attitüde von Véronique Gens dargestellt. Entzückende Koloraturen sang Norma Nahoun als Marion. Zunächst etwas verhalten, dann aber sich zunehmend steigernd der Bariton Tassis Christoyannis als getreuer Freund de Thou. Die übrigen Mitwirkenden Marie Lenormand (Ninon de l’Enclos), Andrew Lepri Meyer (de Montmort), André Heyboer (Vicomte de Fontrailles), Andrew Foster-Williams (Pater Joseph) und Jacques-Greg Belobo (König) erfreuten durchweg mit schönen Stimmen und beeindruckender Gesangskultur.

Im Mittelpunkt dieses vom Publikum stark akklamierten Abends aber standen Charles Gounod und sein wiederentdecktes Werk. In den Genuss dieser Produktion können Wiener noch am 27. Jänner 2015 im Theater an der Wien kommen. Für Raritätensammler und Schatzsucher empfiehlt sich weiters ein Besuch auf www.bru-zane.com. Dort sind auch die CD-Einspielungen der Wiederentdeckungen dokumentiert.

 Jakobine Kempkens

 

 

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