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BERLIN/ Philharmonie: START DES SIBELIUS-ZYKLUS MIT SIMON RATTLE UND LEONIDAS KAVAKOS

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Berlin/ Philharmonie: Start des Sibelius-Zyklus mit Simon Rattle und Leonidas Kavakos, 28.01.2015

Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker, Foto Monika Rittershaus
Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker. Foto: Monika Rittershaus

Sir Simon Rattle setzt schon im Januar dezidiert auf Jean Sibelius, wird doch in diesem Jahr der 150. Geburtstag des finnischen National-Komponisten gefeiert. Rattle selbst ist gerade 60 geworden und hat sich von den Berliner Philharmonikern als Geschenk einen Sibelius-Zyklus gewünscht.

Sir Simon, seit seiner Jugend ein Sibelius-Fan, widmete sich während seiner Dirigentenzeit beim „City of Birmingham Symphony Orchestra” (1980-1998) oft dessen Werken. 2009/2010, bei seinem ersten Berliner Sibelius-Zyklus, konnten sich seine Mitstreiter für den großen Finnen jedoch nicht so begeistern wie ihr Chef. Daher sei es eine recht mühsame Arbeit gewesen, räumt Rattle nun ein.

Vermutlich gelingt der jetzige Zyklus besser, zumal er mit Leonidas Kavakos einen Stargeiger an seiner Seite hat, der 1985 den Sibelius-Wettbewerb in Helsinki gewann und von der Gramophone-Jury gerade zum „Künstler des Jahres 2014“ gekürt worden ist. Der Auftakt am 28. Januar gibt jedenfalls Anlass zum Optimismus.

Zu Beginn erklingt die „Symphonie Nr. 3“ C-Dur op. 52. Drei Jahre lang, vom 1904-1907, hat Sibelius, der es mit sich selbst auch nicht leicht hatte, an dem nur 30minütigem Werk gearbeitet. Es gilt als leichtfüßig-klassizistisch und setzt anfangs deutlich vernehmbar auf volkstümlich-tänzerische, mitunter auch schalkhafte Klänge. Manche Takte klingen wie Vogelgezwitscher, Blättergewisper und Wassergluckern. Eine Musik, die Finnlands Wälder und die zigtausend Seen vor das innere Auge zaubert.

Den 2. Satz, ein wunderbares Andantino con moto mit singenden Celli und perfekten Bläsern, dirigiert Rattle swingend und genießerisch. Diese Musik geht wirklich in Ohren und Herzen. Dagegen wirkt der 3. Satz, changierend vom Moderato über ein Allegro bis zu „Sempre energico“, ausgesprochen unruhig. Sibelius selbst sprach von der „Kristallisation eines Gedankens aus dem Chaos“.

Diese Einschätzung passt noch weit umfassender auf seine „Symphonie Nr. 4” a-Moll op. 63, deren Uraufführung im April 1911 Sibelius selbst dirigierte. Er und seine Arbeit hatten offenkundig unter Entzugserscheinungen gelitten, nachdem er zwei Jahre zuvor dem Alkohol Adieu gesagt hatte. „Schwer, ohne Stimulus arbeiten zu lernen. Ein Muss!“ notierte er in seinem Tagebuch.

Genau so schwankend wie seine Stimmungen zeigt sich diese Symphonie, beginnt mit Gegrummel und macht alsbald Ausflüge ins Dissonante. Viele spannende Ideen werden hörbar, doch kein Gedanke wird zu Ende geführt. Die Musik klingt unentschlossen, kein roter Faden zieht sich durch die 4 Sätze. Daran kann auch Rattles intensiver Einsatz nichts ändern. Die Vierte sei eine „psychologische Symphonie“ und „mein am meisten vergeistigtes Werk“, äußerte Sibelius später. In Helsinki blieb das Publikum nach dem abrupten Schlussakkord konsterniert sitzen. Die heutigen Zuhörer reagieren ähnlich überrascht.

Leonidas Kavakos, Foto Marco Borggreve
Leonidas Kavakos. Foto: Marco Borggreve

Begeistert wurde zuvor jedoch das „Konzert für Violine und Orchester“ d-Moll op. 47 aufgenommen, der Mittel- und Höhepunkt des Abends. Ein Werk, das höchste Anforderungen an den Interpreten stellt. Doch für Leonidas Kavakos scheint dieser anspruchvolle und sehr wechselhafte Part wie gemacht. Sein kleines „Wunderinstrument“, eine Abergavenny-Stradivari von 1724, schwebt mit Wohllaut über dem Orchester, selbst wenn dieses forte spielt, und strahlt dank dieses Virtuosen auch noch beim feinsten Pianissimo.

Viel Raum hat Sibelius, der selbst gerne ein Geigenstar geworden wäre, dem Solisten eingeräumt und ihm zuletzt eine „Tour de force“ mit Arpeggien, Tonleiterkaskaden und Doppelgriffreihen zugemutet. Kavakos aber macht das sozusagen „mit Links“, schaut in seinen Pausen auch mal ganz entspannt ins Orchester und hat nach dem starken Beifall auch noch Kraft für eine hübsche, offenbar griechisch inspirierte Zugabe. Ursula Wiegand

Wiederholung dieses Programms am 6.2. – Zuvor, am 5. 2., stehen die Symphonien 1 und 2 auf dem Programm, am 7. 2. die Symphonien 5, 6 und 7. Überdies präsentieren Rattle und die Berliner Philharmoniker ihren Sibelius-Zyklus vom 10.-12. Februar in London.

 

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