Zürich Opernhaus: „TRISTAN UND ISOLDE“
Ein Traumspiel à la Strindberg – WA 25.1.2015, besuchte Aufführung 29.1.2015
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Nina Stemme (Isolde) mit ihrem Alter Ego Michelle Breedt (Brangäne). Foto: Suzanne Schwiertz
Die aus dem Jahre 2009 stammende höchst attraktive Inszenierung von Claus Guth (Bühnenbild und Kostüme: Christian Schmidt) überzeugt auch heute noch durch ihre bis in letzte Detail ausgearbeitete Personenführung (Szenische Einstudierung: Aglaja Nicolet). Dass diese „Handlung“ – wie Wagner sie im Untertitel nennt – quasi in der Villa Wesendonk, ein paar Luftkilometer entfernt am andern Seeufer, stattfindet – hat seinen besonderen Reiz. Durch Verdoppelung von Isolde mit der sie identisch gekleideten Brangäne wird der Charakter eines Strindberg’schen Traumsiels heraufbeschworen. Nie weiss man, ob das, was passiert, sich nur in den Köpfen der handelnden Personen abspielt – oder auch nicht. Eine interessante Parallele zu der bevorstehenden Premiere von Martinu’s „Juliette“ (14.2.), wo es auch um die sich verwischenden Grenzen von Realität und Traum geht….
„Doch nun von Tristan!“ Neu war in Zürich Stephan Gould als stimmgewaltiger Titelrollenheld zu hören. Nie ermüdet sein echter Heldentenor und bleibt dabei immer schön im Klang und technisch absolut zuverlässig. Dies ist schon eine höchst erfreuliche Tatsache, denn welcher Tristan kann wirklich den langen 3. Aufzug ohne Beeinträchtigung überstehen, wenn nicht Stephan Gould. Dass er dabei zuweilen etwas gar monochrom klingt und weder Ausdruck noch schauspielerische Feinheiten seine Interpretation bestimmen, so kann man sich doch bei seinem 3. Aufzug entspannt zurücklehnen und über die Kraftreserven dieses Heldentenors nur staunen. Als seine Partnerin war – wie seinerzeit 2009 – die unvergleichliche Nina Stemme als Isolde zu erleben. Bei ihr nun verbindet sich in idealer Weise Stimme und Schauspiel. Waren auch im 1. Akt einige Höhen nicht ganz fokussiert und teilweise nur „angetippt“, so bleibt ihre samtene Mezzo-Mittellage im Gehör, die ja die Tessitura der Isolden-Partie im Wesentlichen ausmacht. Ebenso waren die beiden hohen C’s in der grossen Liebesszene nicht optimal, was aber den Gesamteindruck überhaupt nicht beeinträchtigt. Bei „Sink hernieder…“ waren dann Stemme und Gould ganz aufeinander „eingesungen“, sodass ab hier keine Wünsche mehr offen blieben. Hinreissend ist nach wie vor Nina Stemme‘s Liebestod, wo sie sich förmlich „in des Weltatems wehenden All verhaucht“. Als Isoldes Alter Ego war Michelle Breedt die stimmlich und schauspielerisch seit der Premiere merklich gesteigerte Brangäne. Im ersten Aufzug hatte sie fast mehr Ausstrahlung als Isolde. Wunderbar legatossimo gesungen ihr Wachtruf: eine eindrucksvolle Leistung. Neu war auch der aufstrebende Charakter-Bariton John Lundgren, der sich in den von dieser Regie entworfenen Charakter nahtlos als Kurwenal einfügen konnte. Vielleicht dürfte man auch ihm wie Stephan Gould empfehlen, etwas mehr zu differenzieren und ab und an auch mal Mezzaforte zu singen. Als „Urgestein“ trat Matti Salminen mit reduzierter Stimme und grosser Persönlichkeit als König Marke auf. Welcher Künstler, welche Musikalität, wie Salminen mit förmlich „Wenig“ ein Maximum an Ausdruck herausholt. Die Klage war ergreifend und als er dann am Schluss noch mit jugendlich gebliebener Stimme „Tristan…Alles tot!“ sang, wusste man, was man an solchen Ausnahmekünstlern hat. Cheyne Davidson war ein solider und jugendlich aussehender Melot. Aus dem Opernstudio waren der Hirt mit dem agilen Spencer Lang und der Steuermann mit Ivan Thirion besetzt: beide tadellos. Höchst erfreulich war es, Mauro Peter’s jugendfrischen, lyrischen Tenor als jungen Seemann zu vernehmen. Der Chor der Oper Zürich (Einstudierung; Ernst Raffelsberger) präsentierte seine wenigen Einsätze aus dem Off und der Statistenverein stellte die noble High Society in der Villa Wesendonk dar. Die Philharmonia Zürich spielte unter dem nicht ganz zufrieden stellenden Dirigat von John Fiore manchmal etwas gar grob und laut auf. Besonders war dies im ersten Aufzug festzustellen; auch schien die Orchester-Balance nicht optimal hergestellt und die einzelnen Insrtumentengruppen wollten einfach nicht richtig verschmelzen. Das war dann im Folgenden wesentlich verbessert: im 2. Aufzug sogar höchst differenziert, was aber leider im 3. Aufzug wieder verlassen wurde, da Tenor, Bariton und Orchester sich offenbar einem Wettstreit in Lautstärke hingaben. Bekanntlich hat das Opernhaus Zürich seine Tücken und Vieles klingt hier überlaut, aber „darauf könnte man kommen“….
John H. Mueller