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FRANKFURT: MAHLER 3. SYMPHONIE

Frankfurt: „MAHLER 3. SYMPHONIE“ 05.02.2015

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Stutzmann

Nathalie Stutzmann + Andrés Orozco-Estrada + HR SO Frankfurt (c) hr-Anna Meuer

Die Attraktivität und Faszination von Gustav Mahlers spätromantischen Weltentwürfen scheint nach wie vor ungebrochen. Dazu gesellt sich noch ein weiteres Phänomen: wer einmal vom Mahler-Virus infiziert wurde, bleibt für immer befallen, will das Ganze – so auch der Rezensent dessen große Liebe besonders der 2. Und 3. Symphonie des melancholischen Meisters gilt. Nun gab der neue Chefdirigent Andrés Orozco-Estrada des Hessischen Sinfonieorchesters mit der „Dritten Symphonie“ seinen bemerkenswerten Mahler-Einstand.

Wie immer in den letzten Jahren erlebte ich den zur europäischen Elite gehörenden Klangkörper  ungemein konzentriert musizierend, doch heute erschien es mir in besonderer Art hochmotiviert zu Werke zu gehen. Vermutlich lag es auch an der detaillierten Führungsqualität von Maestro Orozco-Estrada, denn so durfte man eine ungewöhnlich perfekte, raffinierte, glänzende Performance erleben. Diese Interpretation brauchte mit meinen bisher live gehörten Orchestern und Dirigenten der Weltklasse keinen Vergleich zu scheuen. Bezwingend verleiht der Mahler-Debütant seiner Auslegung eine Aura gelassener Professionalität, welche den Notentext in fließende Bewegung verwandelte und ihm eine natürliche Dynamik verlieh, wie ich sie bisher selten so rhetorisch plausibel, so unbefangen und stilsicher erlebt habe.

Mächtig erschallen die Trompeten und Hörner, leiten im Marschrhythmus den ersten Satz ein. Doch ist jenes Thema längst nicht beendet, über Klippen und Abgründe führt ein weiterer Weg zu neuen Motiven, welche wie Geschöpfe der Natur wachsend anmuten. Orozco-Estrada verbindet mit dem stets wachsam musizierenden Orchester klare Linien, baut stilsicher Proportionen zwischen den Instrumentenkörpern, keine Piccoloflöte springt vorwitzig hervor, verzerrt das Bild wie man es bisher manchmal erlebte. Die Dynamik des Gehörten ist immens von tonaler Meisterschaft, die Orchesterleistung ist tadellos mit prägnanten, makellosen Holz-Blechbläser-Soli, großartig formierten sich die Details der Streichergruppen. Themen wechseln aus starrer Materie allmählich zum Leben, auffällig das vordergründige Vorherrschen von teils düsterer, teils heiterer oder grellfarbiger Marschmusik, vom Klangapparat in virtuoser Technik gehandhabt.

Naturrealistisch beginnt der zweite Satz, ein Menuett den Wiesen und Blumen gwidmet, Wind fegt darüber hinweg, schüttelt Blüten und Blätter, alles ächzt, wie um Erlösung flehend. Im dritten Satz dem Scherzo läßt Mahler die Tiere zu Wort kommen, sein Lied „Kuckuck hat sich zu Tode gefallen“ wird intoniert. In ausgelassener Heiterkeit formiert sich die Tierwelt zur schier wilden, musikalischen Groteske, das Trio inmitten malt mit mildem Hörnerklang und süßen Kantilenen ein romantisches Sommeridyll, die Tiere des Waldes raufen sich aufs Neue, helle Fanfaren setzen ihrem Treiben ein Ende.

Das Adagio des vierten Satzes, setzt den Menschen in den Mittelpunkt. Das Altsolo singt Worte aus Nietzsches „Zarathustra“, thematisch folgen musikalische Motive aus dem ersten Satz. Das Ganze wirkt mysteriös und steht in seiner philosophischen Absicht in schroffem Gegensatz zum vorherigen Stimmungsbild. Nathalie Stutzmann war die Solistin, das weiche,  wunderschöne Timbre, die melodisch-fließende Stimmführung dieser prachtvollen Altstimme prädisponierten die Sängerin als Mahler-Interpretin von hohem Rang, ein kulinarisches Labsal für die Ohren.

Lustig im Tempo und keck im Ausdruck entführt der fünfte Satz in höhere Regionen: Frauenstimmen singen Es sungen drei Engel ein süßen Gesang zu Versen aus „Des Knaben Wunderhorn“, bestens vom Frauenchor des Europachores Frankfurt intoniert und trefflich erklang das Bimbam der Limburger Domsingknaben.

Der sechste Satz das Adagio dieses herrlichen atmosphärischen Werkes widmet sich schließlich der Liebe, streift in seiner Thematik die Anfänge dieser Symphonie, steigert sich aus sanglichem Beginn in einer Melodie welche zum Himmel strebt, zu leidenschaftlicher Erregtheit und gibt dem Ganzen sodann einen hymnischen, weihevollen Ausklang, entrückt jeglicher Erdenschwere.

Die Interpretation geprägt von jugendlichem Feuer, emotionaler Intensität und grandioser, orchestraler Tonqualität wurde nach kurzem Innehalten entsprechend begeistert gefeiert. Auf weitere (?) Mahler-Werke unter mit dem famosen Dirigenten André Orozco-Estrada dürfte man gespannt sein.

Anm.: Der Dirigent bekundete zu Beginn man beabsichtige nach dem ersten Satz eine 20- Minuten-Pause , gesagt – getan. Für den Rezensenten nach Dutzenden Mahler-Symphonien live eine „Premiere“ und absolutes Paradoxon! Gewiss stellen jene Symphonien an diverse Besucher hohe Anforderungen emotioneller und physischer Natur, denn nach der Pause verließen einige Zuhörer, aus welchen Gründen auch immer den Saal. Der Finalsatz musste zudem wegen einer Schwächeattacke und dem Hinausgeleiten eines Besuchers der vorderen Parkettreihen unterbrochen werden.

Gerhard Hoffmann

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