TRIEST: NABUCCO am 6.2. 2015 (Helmut Christian Mayer)
Foto: Teatro Verdi Triest
Stefano Poda ist ein großer Ästhet. Das hat der italienische Ausstattungsregisseur auch schon in Österreich, und zwar 2012 in Graz bei Donizettis „Maria Stuarda“ und im selben Jahr bei Puccinis „Tosca“ am Stadttheater Klagenfurt bewiesen, indem er diese Opern wirkungsvoll in Szene gesetzt hat. Im Sinne eines Gesamtkunstwerks (Eigendefinition) kümmert er sich aber nicht nur um die Bühne und die Kostüme sondern auch um die Regie und das Licht.
So auch am Teatro Verdi in Triest, wo er jetzt Giuseppe Verdis Nabucco in Szene setzt. Leider ist es bei ihm, wie bei vielen Künstlern, die ursprünglich aus dem Ausstattungsbereich kommen und dann auch zu inszenieren beginnen: Das Wichtigste bleibt immer das Bild, die Personenführung wird leider zur Nebensache. Zugeben, seine Ausstattung ist von eindrucksvoller Bildmächtigkeit. Dieser antike, wuchtige graue Einheitsraum, der mit seinen kleinen Öffnungen den Charakter eines Bunkers vermittelt, ist von ungemein starker Wirkung. Noch dazu vermag er mit raffinierten Lichtstimmungen und viel eingesetztem Nebel starke ästhetische Bilder und effektvolle Auftritte zu visualisieren. Verstärkt wird die Wirkung noch von den vielen Toten, die verkehrt von der Decke herunterhängen: Ein starkes Symbol für die aktuellen politischen und religiösen Verfolgungen und die vorherrschende, unmenschliche Intoleranz. Nur, sieht man in dieser Koproduktion mit den Opernhäusern von Padua und Bassano del Grappa, hauptsächlich statische Gemälde und nicht mehr. Es wird aufgetreten und abgegangen. Gespielt wird selten, Interaktionen zwischen den Protagonisten finden kaum statt. Schlüsselszenen sind äußert ungeschickt gelöst und werden verschenkt. Die Protagonisten scheinen nach ihrem Gutdünken zu agieren.
Diese sind auch stimmlich ziemlich inhomogen: Sergio Bologna ist ein kaum präsenter Titelheld mit weichem Bariton, der auch kaum glaubhaft die geistigen Verwirrungen des Königs über die Rampe bringt. Marina Comparato ist eine berührende Fenena, Ernesto Morillo ein kraftvoller Zaccaria. Mit stimmgewaltig dramatischer Attacke singt Tiziana Caruso die expressive und mörderische Partie der Abigaille. Es mangelt ihr aber an feineren Tönen. Mikheil Sheshaberidze ist ein farbloser Ismaele mit kleinem Tenor.
In dieser frühen Oper von Verdi, mit dem ihm bekanntlich sein Durchbruch als Opernkomponist gelang, ist auch der vielbeschäftigte Chor des Teatro Verdi der eigentliche Protagonist der Oper. Dieser singt hier am Haus ausbalanciert und klangschön. Besonders der Chor der hebräischen Gefangenen, der Ohrwurm „Va, pensiero..“ wurde stark beklatscht. Er avancierte bekanntermaßen binnen kurzem zur heimlichen Nationalhymne aller italienischen Patrioten gegen die Fremdherrschaft und wurde von einer vieltausendköpfigen Menge unter Leitung von Arturo Toscanini auch 1901 beim Begräbnis des Komponisten gesungen.
Der zweite Pluspunkt des Abends ist das Orchester des Teatro Verdi unter Giampaolo Bisanti. Es gelingt dem dynamischen Maestro Verdis draufgängerische, jugendliche Vitalität wie auch viel Dynamik und Spannung im Orchester mit deutlicher Zeichengebung glutvoll zu zünden, ohne dabei die Sänger zuzudecken.
Starker, kurzer Applaus!
Helmut Christian Mayer