Berlin/ Deutsche Oper: „ELEKTRA“ von Richard Strauss, 07.02.2015
Catherine Foster (Elektra), Waltraud Meier (Klytämnestra). Foto: Bettina Stoess
Es ist die 15. Aufführung von „Elektra“ seit der Premiere am 3. November 2007 an der Deutschen Oper Berlin. Trotz der schlüssigen Inszenierung der Ex-Intendantin Kirsten Harms wurde dieser kompakte Einakter von Richard Strauss, uraufgeführt am 25. Januar 1909 in Dresden, nicht gerade ein Renner. Weder in Berlin noch sonst irgendwo. Mord und Totschlag, Hass, Rache und keinerlei Liebesbeziehung – das drückt auf die Stimmung.
Schon Aischylos und Sophokles haben ihr Publikum mit dieser Horrorstory konfrontiert und fasziniert. Bekanntlich hat Hugo von Hofmannsthal dieses altgriechische Drama in feinen Versen nachgedichtet, erträglicher ist es dadurch nicht geworden. Auch die permanenten, oft schrillen Ausbrüche der Titelheldin können empfindliche Ohren mitunter nerven.
Doch an diesem Abend wird alles anders. Denn Donald Runnicles setzt diese schillernd-aufreizende Musik – zusammen mit dem in Bestform erklingenden Orchester der Deutschen Oper Berlin – dermaßen engagiert und facettenreich um, dass sich meine Ohren gerne weit öffnen, um alle Nuancen aufzunehmen.
Genau so nuancenreich prägt Catherine Foster – stimmlich ebenfalls in Bestform – als Elektra das grausliche Geschehen. Dass sie und alle anderen stets durch knöcheltiefen Sand stapfen müssen, beeinträchtigt ihr Können nicht. Wie innig singt sie den Namen „Agamemnon“, ein verlassenes Vaterkind, unfähig zur erlösenden Trauerarbeit, stattdessen rasend vor Rachsucht.
In immer großartigeren Bögen und ohne schrille Entgleisungen entfaltet sich Fosters tragfähiger „Wagner-Sopran“, der angeblich über 3,5 Oktaven reicht und mühelos alle Orchesteraufwallungen überstrahlt. Eine Glanzleistung, vollbracht im Hochsicherheitstrakt (dem Hinterhofschacht des mykenischen Palastes), hier ein kahler, düsterer Raum mit einem Beobachtungsfenster hoch oben ( Bühnenbild und Kostüme: Bernd Damovsky).
Manuela Uhl [Chrysothemis], Catherine Foster (Elektra). Foto Bettina Stoess
In Manuela Uhl – ihre durch Hofmannsthal deutlich aufgewertete Schwester Chrysothemis – hat sie die passende Partnerin bzw. eine Gegenspielerin. Eine zwar ebenfalls Geschädigte, die aber elegant gekleidet den Weg aus dem Unglückspalast und ins Leben sucht. Das Schwanken Elektras zwischen der Verachtung ihrer Schwester und Dennoch-Zuneigung wird gesanglich ebenso auf den Punkt gebracht, wie Chrysothemis’ Zärtlichkeit und ihr Widerstand gegen den von Elektra geplanten gemeinsamen Muttermord.
Diese, die Königin Klytämnestra, wird von Waltraud Meier adäquat verkörpert und eher zurückhaltend gesungen. Eine bereits hinfällige Frau, die sich auf ein Beil – das Mordwerkzeug – als Gehhilfe stützt. Ausgerechnet Elektra soll ihr ein Mittel gegen Albträume nennen. Eine spannende gespielte und gesungene Begegnung der beiden Interpretinnen, mündend in die Scheu der Tochter, die Mutter mit diesem Beil zu töten.
Den Orest, der als Rächer fungieren muss, gibt der stattliche Tobias Kehrer mit kräftigem, dunkel getöntem Bariton. Einer, der nach der Ermordung seiner Mutter und ihres Lovers Aegisth (Jürgen Müller) blutbesudelt und wie zur Säule erstarrt oben im Fenster steht und teilnahmslos auf Elektra blickt. Die aber, umringt von weißgekleideten, sich in den Sand werfenden Damen (Choreographie: Silvana Schröder) tanzt sich selbst mit Jubelgesang in den Tod.
Die übrigen Rollen sind passend wie folgt besetzt: Pfleger des Orest: Seth Carico, die Vertraute: Alexandra Hutton, die Schleppträgerin: Siobhan Stagg, ein junger Diener: Gideon Poppe, ein alter Diener: Stephen Bronk, die Aufseherin: Nadine Secunde, 5 Mägde: Dana Beth Miller, Christina Sidak, Jana Kurucová, Fionnuala McCarthy und Martina Welschenbach. Die Chöre hat William Spaulding einstudiert.
Riesenjubel dann auch des Publikums mit vielen Bravi für Catherine Foster.
Ursula Wiegand