MIT LANGEM ATEM. 41. Stuttgarter Meisterklasse für Lied der Hugo-Wolf-Akademie mit Brigitte Fassbaender mit Abschlusskonzert am 8. Februar 2015 im Silcher-Saal in der Liederhalle/STUTTGART
Als Gesangspädagogin ist Brigitte Fassbaender auch nach ihrem Bühnenabschied 1995 sehr gefragt. Berühmt war sie als Octavian im “Rosenkavalier” von Richard Strauss. Für diesen Komponisten setzt sie sich auch als Festivalchefin der Richard-Strauss-Tage in Garmisch-Partenkirchen ein. In Stuttgart veranstaltete sie nun mit begabten jungen Sängerinnen und Sängern die 41. Stuttgarter Meisterklasse für Lied der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie.
Der deutsch-mexikanische Bariton Rafael Bruck gestaltete zusammen mit Young-Ah Kim (Klavier) “Lob des Leidens” op. 15/3 und “Winternacht” op. 15/2 von Richard Strauss mit weichem Timbre und ebenmäßiger klanglicher Balance. Ein wunderbar dunkles, voluminöses Timbre besitzt auch die deutsche Mezzosopranistin Mareike Jankowski, die von Marcelo Amaral (den die “New York Times” als “überragenden Begleiter” feierte) am Klavier bei den Richard-Strauss-Liedern “Mein Herz ist stumm, mein Herz ist kalt” op. 19/6 und “Geduld” op. 10/5 wie auf Händen getragen wurde. Sphärenhafte Momente und kunstreiche Intervallspannungen schufen so eine geradezu elektrisierende Atmosphäre. Das romantisch-schwärmerische Gefühl Schumanns oder Mendelssohns schimmerte bei dieser Wiedergabe ebenfalls durch. Poetischer Glanz und lyrische Ausdruckskraft wurden von Mareike Jankowski in einen sinnlichen Zusammenhang gebracht. Passaggio- und Legato-Passagen glückten ihr exzellent. Jessica Poppe (Mezzosopran) aus Deutschland und Yujie Kang (Klavier) gestalteten “Salamander” op. 107/2 und “Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehen” von Johannes Brahms mit energiegeladener Emphase und leidenschaftlich bewegtem Ausdrucksstil. Die reiche Skala dynamischer Differenzierungen wurde gesanglich voll ausgekostet. Schlank in der Stimmführung und strahlkräftig in der Höhenlage zeigte sich die deutsche Sängerin Karola Sophia Schmid (Sopran) zusammen mit Marcelo Amaral (Klavier) bei Franz Schuberts Liedern “Im Frühling” D 882 und “Die Forelle” D 550, wo die thematischen Verästelungen kunstvoll herausgearbeitet wurden. Der jungen Sopranistin gelang es vorzüglich, die ergreifende Schlichtheit dieser Kompositionen zu betonen. Wie wichtig bei Schubert die Medianten und Parallelen sind, ließ auch Amaral deutlich werden. Etwas Schwebendes und Schweifendes beherrschte diese gelungene Wiedergabe, wobei die harmonische Farbe reizvoll hervorstach. Ausgezeichnet war ferner Kerstin Bauer (Sopran), die ebenfalls aus Deutschland stammt, bei Hugo Wolfs beiden Liedern “Begegnung” und “Mignon: Kennst du das Land?”. Man begriff, mit welch raffinierten chromatischen Mitteln Hugo Wolf Ausdruckssteigerungen erreichte. Das Pathos des Intimen stellte Kerstin Bauer nicht übertrieben dar, sondern unterstrich auch Crescendo-Steigerungen mit langem, großem Atem. Schlanke Stimmführung und sensible Piano-Passagen kennzeichneten die Deutsche Annika Boos (Sopran) zusammen mit Young-Ah Kim (Klavier) bei Robert Schumanns beiden Liedern “So lasst mich scheinen” op. 98a/9 und “Mignon (Kennst du das Land)” op. 98a/1. Das knappe Motiv im Gegensatz zum breiten Gesangsmelos Franz Schuberts betonte Annika Boos mit großem Einfühlungsvermögen. Die Französin Fanny Lustaud (Mezzosopran) und Akiko Sakai (Klavier) interpretierten leidenschaftlich bewegt Robert Schumanns zwei Lieder “Abschied von Frankreich” op. 135/1 und “An die Königin Elisabeth” op. 135/3. Im dichten Gesangstremolo entschwebten die Melodien hier wie himmlische Visionen. Fanny Lustaud besitzt außerdem ein ganz eigenes, unverwechselbar markantes Timbre. Fleur Barron, ebenfalls Französin, sang stürmisch begleitet von Miriam Leskis (Klavier) Gustav Mahlers zwei Lieder “Rheinlegendchen” und “Das irdische Leben” mit starker Reife und voluminösem Ausdruck. Rhythmus, Tonfall und Wortwahl des alten Volkslieds setzten sich durch. Aufwühlende expressionistische Momente zeigten sich vor allem bei “Das irdische Leben” – hier interpretiert als beissende Satire auf die sinnlose Geschäftigkeit, eine Anklage wider die Inhumanität. Mahlers dunkle und magische Tonsprache traf Fleur Barron trotz ihres jugendlichen Überschwangs vorzüglich. Zuletzt begeisterte dann der serbische Bariton Nikola Diskic, den Friederike Sieber am Klavier bei den Liedern “Traum durch die Dämmerung” op. 29/1 und “Befreit” op. 39/4 von Richard Strauss mit großen harmonischen Bögen begleitete. Bei “Befreit” wuchs Nikola Diskic über sich selbst hinaus, die thematischen Beziehungen gipfelten in einer gewaltigen klanglichen Steigerung, die der Sänger voll auskostete. Als Zugabe bot Fleur Barron eine fesselnde Wiedergabe aus Hugo Wolfs “Goethe-Liedern”. Annika Boos ergänzte diesen beglückenden Vortrag durch eine weitere berührende Zugabe aus Robert Schumanns “Wilhelm-Meister”-Zyklus. Herzlicher Schlussapplaus auch für Brigitte Fassbaender als “Prinzipalin”, die sich in den vergangenen Tagen höchst intensiv um die jungen Sänger kümmerte.
Alexander Walther