Berlin/Staatsoper: „MACBETH“ von Giuseppe Verdi mit Plácido Domingo, 15.02.2015
Liudmilla Monastyrska, Placido Domingo. Foto-Copyright: Mara Eggert/ Staatsoper Berlin
Macbeth, der sich den Weg zum Thron freimordet, erlebt zurzeit eine zunehmende Beachtung und seine Lady ebenfalls. Vielleicht passt das Thema in unsere vielfach gewaltbereite Zeit. Auch bemerken offensichtlich mehr und mehr Opernhäuser, wie reich Giuseppe Verdi diese Oper musikalisch ausgestattet hat.
Er liebte dieses frühe Werk und hat es nach fast 20 Jahren noch einmal gründlich überarbeitet. Das Ergebnis ist eine Partitur, die alle menschlichen Abgründe ausleuchtet und die Massenszenen instrumental aufs beste bebildert. Dass Verdis „Macbeth“ keine Ohrwürmer bietet, die sich nachsingen lassen. ist ein Vorteil! Auf diese Weise behält die Musik ihre Überraschungsmomente und ihre hinreißende Frische.
Diesem hier herben Charme und Reichtum ist auch Plácido Domingo erlegen und hat sich in seinem reifen Alter noch diese Bariton-Rolle erarbeitet, in etwa seine insgesamt 144. Partie. Die genaue Zahl seines unglaublichen Repertoires schwankt etwas, doch reif fürs Guinness Book of Records ist sie allemal.
Mit Domingo als Zugpferd kann es die Staatsoper im Schillertheater sogar wagen, die betagte Inszenierung von Peter Mussbach und das Bühnenbild von Erich Wonder zu benutzen. Blutrote Wände und ein grünen Hügel mit Loch sind das einzige Mobiliar. Okay.
Doch ein Graus sind die Kostüme, diese zotteligen Pelzmäntel aus Uromas Mottenkiste, die Ganzkörper-Lederoutfits für einige Protagonisten und den Chor (Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer) sowie der weiße gefütterte „Luxusbademantel“ für die Lady (mit Blondperücke). Von Gewicht und Wärme her für die Sängerinnen und Sänger eine Zumutung.
Echt luxuriös ist jedoch das Dreigestirn Liudmyla Monastyrska als Lady Macbeth, René Pape als Banquo und, wie erwähnt, Plácido Domingo als Macbeth. Die Einreihung Domingos in dieses Trio ist an dem dritten Abend in dieser Besetzung kein Oskar für sein Lebenswerk. Der Graf Luna (in Il Trovatore) war keine für ihn geeignete Partie, doch diese ist es.
Er singt sie mit verblüffend kraftvoller Stimme, reiner Intonation und seinem besonderen Timbre. Vom tenoralen Schmelz ist noch vieles erhalten, und welche Tiefe sein Bariton inzwischen gewonnen hat, erstaunt wirklich. Trotz der zahlreichen Hügel-Klettertouren hält er durch, und ist dem großartigen René Pape als Banquo ein ebenbürtiger Partner. Pape, auch international gefragt, verwöhnt die Ohren. Klar und rund strömt sein Bass, er muss niemals forcieren. Leider ist dem Banquo kein langes Bühnenleben beschieden.
Dennoch ist Liudmyla Monastyrska der strahlendste Stern dieses Dreigestirns, eine Frau mit ungemein farbenreicher Stimme. Ihr dramatischer Sopran leuchtet und funkelt königlich bis in die höchsten Höhen, ohne je schrill zu werden. Trotz alledem perlen ihre Koloraturen leicht und locker.
Diese Stimme kann auch gurren, schmeicheln, in tiefen Lagen ätzen, fahl den nächsten Mord ankündigen und schließlich hörbar in den Wahnsinn abgleiten. Ihre Wahnsinnsarie ist wirklich der reinste Wahnsinn.
Alles wird hundertprozentig perfekt und doch mit Seele gesungen. Mehrfach erntet Frau Monastyrska Zwischenbeifall. Trotz der durch den Hügel arg eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten kann sie das bluttriefende Geschehen auch darstellerisch verdeutlichen, obwohl es nicht gezeigt wird. Wäre sie eine „PR-Nudel“, um wie viel bekannter könnte diese topfitte und gut aussehende Sängerin sein!
Noch ein Name, der nach wie vor zieht, steht auf dem Besetzungszettel: Rolando Villazón als Macduff. Daniel Barenboim, der die Staatskapelle Berlin mit Feingefühl und mit Power durch die Partitur steuert, gibt ihm immer wieder eine Chance. Doch Villazóns Abend ist es gewiss nicht. Die Höhen brechen weg, die Intonation wackelt, er muss sich mühen und merkt es. Nur die Mittellage stimmt. Dennoch liebevoller Zwischenapplaus. Misericordia.
In den übrigen Rollen Evelin Novak als Kammerfrau: Florian Hoffmann als Malcolm, Jan Martiník als Erscheinung, Mörder und Arzt, Thomas Vogel als Diener und Fabian Sturm als Fleance.
Einen großartigen Hexensabbat liefern gleich anfangs die Chöre, einstudiert von Martin Wright. Zuletzt tragen sie stimmgewaltig Birnams Wald dem alt und schwach gewordenen König Macbeth entgegen. Nach anfänglichem Widerstand, kräftig sein Schwert schwingend, kauert Domingo als gebrochener Mann am Boden, verzweifelt über seine Untaten. Er hat, wie Sportler sagen, „alles gegeben“, beim Schlussapplaus ist ihm das anzumerken.
Foto-Copyright: Mara Eggert/ Staatsoper Berlin
Der Lohn sind stehende Ovationen, und besondere, hoch verdiente Bravo-Rufe für die fabelhafte Liudmyla Monastyrska.
Ursula Wiegand
Weitere Termine: 19. , 22.. und 28. Februar. Doch alle, von der Premiere bis zum Schluss, waren schon Monate vorher ausverkauft. |