Mannheim: ALCESTE . 21.2. 2015 – Premiere
Cornelia Ptassek, Andreas Hermann, c: Nationaltheater Mannheim/ Michel
In Mannheim hatte jetzt die französische Fassung von Christoph Willibald Glucks Alceste Premiere. Es wurde sich auf die heute gängigere französische Fassung (UA 1876) bezogen, die auch von Liszt Liszt/Wagner in den 1840er Jahren in Weimar wiederentdeckt wurde, aber erst in den 1920er Jahren wieder ins Repetoire zurückfand. ‘Alceste’ ist ein gelungenes Beispiel für eine fast durchkomponierte Oper, die sich der strengen barocken Trennung von Arie und Rezitativ verweigert. Gespielt wurde sie in Mannheim vom reduzierten Nationaltheater-Orchester unter der renommierten Leitung von Ruben Dubrovsky der die Mannheimer zu immer griffigem Sound anhielt und sich nicht zu sehr in historisch informierter Spielweise verlor. So war ein durchaus von Lautstärke und Klangintensität geprägtes ‘Mozartorchester’ zu hören, und in den dramatischen Stellen spielten die Blechbläser bis hin zu Stierhörnern schon mal eine eminente Rolle. Dubrovsky ging es aber wohl mehr um schiere Klangpracht als vielleicht um eine Sensibilisierung und der Entstehungszeit gemäße empfindsame Bestrebungen, auf die aber die Regie zusteuerte, wenn sie das Stück ganz als Seelendrama einer bedrohten jungen Liebe interpretierte.
Bühnenbildner Dieter Richter hat Dietrich W.Hilsdorf eine Einheitsbühne geschaffen, die die gesamte Aufführung mächtig beherrschte. Es ist ein die Innenhalle eines Palastes, der völlig heruntergekommen ist und überall kriegerische Einschüsse aufweist. Damit wird auch auf die (vor)revolutionäre Zeit Ende des 18.Jahrhunderts Bezug genommen, die wiederum in den Rokoko-Kostümen und den prächtigen Barockroben Alcestes und der Chordamen (K.: Renate Schmitzer) sehr konkret eingefangen wird. Es gibt auch eine kleinere Empore, auf die der Chor im 2.Teil meist verbannt ist, wenn er nicht aus dem Off singt, und die meist offenen Flügeltüren geben den Bick frei auf ein schemenhaft dahinter sich abspielende, mit Spiegeln sich erweiterndes ‘anderes’ Geschehen. In diesem Palast herrscht aber die Konvention, und alle trauern und zelebrieren pflichtgemäß. Wenn sich Alceste zum Opfer entschließt, nimmt sie ihr Haar ab und ist darunter bereits kahl geschoren. Im 2.Teil vollzieht sich eine unendliche ‘ultima cena’ aus einer Suppenterrine, während der in einer Agonie der Protagonisten auch Teller und Löffel fliegen. Es geht letzlich zentriert um dieses Paar, was Hilsdorf auch zuspitzt, indem er den auftauchendes Herkules (Joachim Goltz mit hoch focussiertem imposantem Bariton) als Trunkenbold der Lächerlichkeit preisgibt. Das happy end fällt demgemäß auch sehr verhalten aus, indem auch die kleinen Kinder Admetes und Alcestes nicht zu überleben scheinen.
Die Chöre (Anton Tremmel) fügen sich gut ins traurige Geschehen ein. In den Nebenrollen kommen Sebastian Pigrim/Gott der Unterwelt das Orakel John In Eichen als Bässe zum Einsatz. Die Kurzrolle des Apollon zeichnet Raymond Ayers mit feinem Bariton, und Thomas Jesatko hat als Herold einen Kurzeinsatz. Den Oberpriester Apollons gibt Thomas Berau mit klangprächtig voluminösem Bariton, und als Höfling Evandre kommt auch der Tenor Raphael Wittmer vor. Als Thessalierin läßt Eunju Kwon ihren hübschen Sopran erklingen.
Den Admète gibt Andreas Hermann als lyrischer Tenor völlig rollendeckend, sowohl in der optimistischen Phase nach seiner Genesung als auch nachdem er den Entschluß Alcestes gewärtigt hat und in große Depression verfällt, ihr zur Unterwelt folgt. Der im Timbre lieblich plastische Gesang ist immer elegant und
sonor geführt. Seine Alceste in Gestalt von Cornelia Ptassek weist dagegen schon über einen lyrischen Sopran hinaus und stößt deutlich in dramatischere Sphären vor. Sie kann sich gut in die große Seelenspannung hineinbegeben, wobei ihere Stimme auch zusätzlich an Schmelz und Volumen zulegt und damit immer mehr zum antreibenden Faktor auch der musikalischen Entwicklung wird. Friedeon Rosén